Spielforschung Fußballmythen auf der Spur

KÖLN · Sind Engländer bei Elfmetern wirklich schlechter als ihre internationalen Konkurrenten? Sporthochschulprofessor Daniel Memmert beleuchtet in einem Vortrag den Wahrheitsgehalt von Klischees.

 Engländer schießen tatsächlich schlechter Elfmeter: Bei der WM 1990 vergab Chris Waddle (im Hintergrund), Bodo Illgner jubelte. FOTO: DPA

Engländer schießen tatsächlich schlechter Elfmeter: Bei der WM 1990 vergab Chris Waddle (im Hintergrund), Bodo Illgner jubelte. FOTO: DPA

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Sind Engländer bei Elfmetern wirklich schlechter als ihre internationalen Konkurrenten? Hat es ein Auswärtsteam beim Schiedsrichter tatsächlich schwerer als die Heimmannschaft? Und wie viele Flankenversuche benötigt es im Durchschnitt, um ein Tor zu erzielen? Wer auf diese und viele weitere Fragen des Fußballs eine Antwort haben möchte, wendet sich am besten an Professor Daniel Memmert, den Leiter des Instituts für Kognitions- und Sportspielforschung an der Deutschen Sporthochschule in Köln.

Bei einem Vortrag im Kölner Rhein-Energie-Stadion lieferte Memmert wissenschaftliche Auflösungen zu einigen Mythen des Fußballs. Zum Beispiel, dass Gästeteams in der Tat einen leicht schwierigeren Stand bei den Unparteiischen haben: Im Durchschnitt zeigen die Schiedsrichter den Akteuren der Auswärtsmannschaft eine halbe gelbe Karte mehr im Spiel.

Einige neue Erkenntnisse gab es für die Zuhörer auch bei der Frage, welche Art der Chancenkreierung am schnellsten zum Torerfolg führt. Die schlechtesten Chancen birgt dabei eine flache Flanke, da sie im Schnitt erst beim 47. Mal zu einem Treffer führt. Deutlich schneller klappt es dagegen mit einem Dribbling: Bereits jeder 13. Versuch führt zum Tor. Bei allen taktischen Zwängen und scheinbar berechenbaren Erfolgsformeln des heutigen Fußballs spielt aber auch der Zufall immer noch eine bedeutende Rolle. Denn 43 Prozent aller Treffer haben einen zufälligen Ursprung, beispielsweise durch einen Torwartfehler oder einen abgefälschten Schuss.

Intensiv ging Memmert, der mit Kollegen und Studenten das Team um Bundestrainer Joachim Löw mit Daten versorgt, auch auf Elfmeter ein – und lieferte dabei die Antwort auf eine bekannte Vermutung: „Ja, die Engländer schießen wirklich schlechter Elfmeter.“ Um genau zu sein, verwandeln die Kicker von der Insel sogar nur etwas mehr als zwei Drittel. Demgegenüber sind die Deutschen bei WM- und EM-Turnieren vom Punkt äußerst sicher: 93 Prozent aller Elfmeter landen im gegnerischen Gehäuse.

Das tiefenpsychologische Problem der Engländer könnte dabei ganz einfach gelöst werden, indem die Spieler nach dem Pfiff des Schiedsrichters noch etwas innehalten, ehe sie anlaufen. Denn die besagte Untersuchung ergab auch, dass die Erfolgsquote signifikant höher ist, je länger der Schütze nach der Freigabe des Balles wartet. „Spieler, die schnell anlaufen, haben Angst und wollen so schnell wie möglich aus der Situation heraus“, betonte Memmert.

Mit Blick auf die zahlreichen Tipprunden zur baldigen Europameisterschaft räumte er außerdem mit einem weiteren Mythos auf, der den schlecht Informierten Hoffnung machen sollte: Vermeintliche Fußballexperten tippen nicht besser als Laien.

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