Erst ging der "Schäng", dann das Licht aus

Fortuna Köln zieht sich freiwillig aus der Fußball-Oberliga zurück und wird womöglich aus dem Vereinsregister gelöscht - Der letzte Profiklub, der von einem Patriarchen geführt wurde

  Fortuna-Fahrensmänner:  Trainer Hannes Linßen, Assistent Dieter Epstein und Präsident Jean Löring (von links) während des ersten Relegationsspiels gegen Dortmund 1986.

Fortuna-Fahrensmänner: Trainer Hannes Linßen, Assistent Dieter Epstein und Präsident Jean Löring (von links) während des ersten Relegationsspiels gegen Dortmund 1986.

Foto: GA-Archiv

Bonn. Von Jean Löring ist der Spruch überliefert: "Ich als Verein musste reagieren." Das sagt alles, wie die Dinge in der Kölner Südstadt liefen. Fortuna Köln - das war Löring. Einmal reparierte der gelernte Elektriker sogar das Flutlicht, damit eine Zweitligapartie ordnungsgemäß zu Ende gebracht werden konnte. Eine Aktion, die symbolischer war, als es Löring wohl dachte: Ohne den "Schäng" geht das Licht aus. Und so kam es am Ende tatsächlich.

Drei Jahre nachdem der Patriarch das Präsidentenamt abgeben musste, zieht sich die Fortuna freiwillig aus der Oberliga Nordrhein zurück. Um zumindest in der Verbandsliga weitermachen zu dürfen, muss der Verein das laufende Insolvenzverfahren bestehen. Das dritte bereits.

Es ist wohl der endgültige Schlussstrich unter ein Modell, das sich spätestens in den 80-er Jahren überlebt hatte. Ein Mann, ein Verein - das geht vielleicht noch im höheren Amateurbereich, wie zum Beispiel Hans Viol beim Bonner SC mehr schlecht als recht beweist. Aber im bezahlten Fußball werden längst zu große Summen bewegt, als dass mittelständische Unternehmen noch zum Hobby eines spendablen Unternehmers taugten.

Lange Zeit stemmte sich Löring mit bemerkenswerter Sturheit gegen diese Entwicklung. Bis er selbst pleite ging. 2001 war das, und es zeigte sich schnell, dass die Fortuna ohne ihren Mäzen nicht überlebensfähig war. "Die besten Vereine sind die, wo nur einer das Sagen hat", hatte er ebenfalls einmal zum Besten gegeben, dabei aber ignoriert, dass niemand ewig regiert.

Immerhin waren Löring und die Fortuna für einige der skurrilsten Geschichten im deutschen Profifußball gut. Gerne kickte er das Gehalt seiner Spieler bei einer Partie Fußball-Tennis in seinem Eifel-Schlösschen aus. Und wenn einer seiner Jungs mal so richtig versackt war, bezahlte er auch persönlich die Bordell-Rechnung. Wie es ein guter Patriarch halt tut.

Aber Löring konnte auch fies sein. Co-Trainer Dieter Epstein bekam die Papiere, weil sein Sohn die Fortuna-D-Jugend Richtung Leverkusen verließ. Ein Abgrund von Vereinsverrat. Und Toni Schumacher wurde 1999 sogar in der Halbzeit des Spiels gegen Waldhof Mannheim als Trainer entlassen. Eine Weltpremiere.

Das war die Zeit, als Löring mit Gewalt dorthin zurück wollte, wo er nur einmal war, in der 1. Liga. 1973/74 stieg die Fortuna lediglich wegen des schlechteren Torverhältnisses gegenüber dem Wuppertaler SV gleich wieder ab. Die Protagonisten von damals - "Kalli" Struth, Gerd Zimmermann oder Friedhelm Otters - blieben aber Vorbild für alle folgenden Fortuna-Generationen. Noch Jahrzehnte später empfing Löring seine Altvorderen zuweilen auf ein "Kölsch am Morgen" im Büro gegenüber dem Südstadion.

Die Nachfolger hielten sich 26 Jahre lang in der 2. Liga. Das ist Rekord, und nach wie vor führt die Fortuna die ewige Tabelle des Unterhauses an. Das ist aber auch Mittelmaß, das nur selten gesprengt wurde. 1983 etwa, als der Einzug ins Pokalfinale gelang, wo ausgerechnet der ungeliebte 1. FC Köln glücklich mit 1:0 triumphierte.

Oder 1986, als der Aufstieg eigentlich schon verbucht war, ehe Dortmunds Jürgen Wegmann im zweiten Relegationsspiel Sekunden vor Schluss eine dritte Partie erzwang, die dann mit 0:8 verloren ging. Das letzte Mal wohl in der Saison 1998/99, als auch der FC nur zweitklassig war und mit 4:2 und 3:0 blamiert wurde.

Viele in Köln sahen es nicht ungern, wenn die kleine Fortuna den Majestäten aus dem Geißbockheim ein wenig auf die Hufe trat. Die Sympathien für den Underdog waren stets groß, gerade bei Berufs-Kölnern wie den "Höhnern" oder "BAP", deren Frontmann Wolfgang Niedecken später allerdings zum FC konvertierte.

Da aus Anteilnahme jedoch nicht zwangsläufig eine Dauerkarte resultiert, war es meist leer im Südstadion. Selbst vor dem Abstieg aus der 2. Liga kamen oft nicht mehr als 1 000 Zuschauer. Kaum 100 waren es am 12. Dezember 2004 beim 0:7 gegen die Reserve des Wuppertaler SV Borussia in der Bezirkssportanlage Bocklemünd. Dorthin musste die Fortuna ausweichen, weil sie die Miete von gut 2 000 Euro für das Südstadion nicht mehr bezahlen konnte.

Womöglich war`s der letzte Heimauftritt unter diesem Namen. Gelingt keine Einigung mit den Gläubigern, wird die Fortuna aus dem Vereinsregister gelöscht.

Jean Löring hat die Vorgänge bei der Fortuna zuletzt nur noch aus der Ferne beobachtet, will sich auch nicht mehr dazu äußern. "Lasst mich bitte mit dem Thema in Ruhe. Es waren schöne Jahre mit dem Klub, aber jetzt ist dieses Kapitel für mich abgeschlossen", sagte er auf Anfrage nur.

Löring war bei Fortuna Köln Spieler, Trainer, Präsident und Mäzen. Nur er selbst weiß, wie viele Millionen Mark er im Lauf der Jahrzehnte in seinen Verein gesteckt hat. Als Lörings Firmen-Imperium zusammenbrach, hatte auch die Fortuna keine Zukunft mehr. Seit 2001 ist der 70-Jährige nicht mehr Präsident. Nachdem sein Eifel-Schlösschen zwangsversteigert wurde, lebt er heute in einer Mietwohnung in Köln.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: " Ming Vereinche"

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