Sonntagskicker Burgbrohler sind reif für die Tapferkeitsmedaille

Burgbrohl · Woche für Woche kassiert die SpVgg Burgbrohl in der Fußball-Oberliga Rheinland-Pfalz Niederlagen im zweistelligen Bereich. Der Grund: Weil die erste Mannschaft im Winter auseinanderbrach, spielen Kicker aus der Kreisliga C die Saison zu Ende.

 Und wieder schlägt es ein: 242 Gegentore kassierten die Burgbrohler bislang in der Saison.

Und wieder schlägt es ein: 242 Gegentore kassierten die Burgbrohler bislang in der Saison.

Foto: Martin Gausmann

Das Rhodius-Stadion in Burgbrohl ist ein wenig in die Jahre gekommen. Rund 100 Zuschauer haben sich rund um den Rasenplatz versammelt. „Wir sind ein Team“, schallt es aus der Kabine. Nur wenige Augenblicke später führt das Schiedsrichtergespann die Mannschaften auf das Feld. Dort beginnt in Kürze das Abstiegsduell zwischen der SpVgg Burgbrohl und dem FSV Salmrohr. Obwohl der Tabellenletzte der Oberliga Rheinland-Pfalz den 16. empfängt, ist von Anspannung keine Spur. Denn der Sieger der Partie steht eigentlich jetzt schon fest. „Wir wissen ja schon vor dem Duell, dass wir zum Scheitern verurteilt sind“, so der Burgbrohler Trainer Thorven Fiedler.

Die Statistik seines Teams spricht eine unbarmherzige Sprache: In 32 Spielen fuhr die Spielvereinigung einen einzigen Punkt ein, kassierte 242 Tore, erzielte gerade einmal acht Treffer. Der Abstieg ist längst besiegelt. Die Rückrunden-Bilanz fällt sogar noch schlechter aus. Das letzte Tor erzielte der Oberligist am 4. Dezember vergangenen Jahres.

Die sportliche Talfahrt der Spielvereinigung kommt nicht von ungefähr. Im vergangenen Sommer verließen zahlreiche Spieler den Verein. Der neuformierte Kader hatte Schwierigkeiten, an das Niveau der Oberliga-Kontrahenten heranzukommen. Dazu kamen noch einige Langzeitverletzte. Im Winter löste nahezu der gesamte Kader die Verträge auf – es blieb lediglich Keeper Thomas Kloppe dem Verein erhalten.

Für die Verantwortlichen stand fest: Die erste Mannschaft wird vom Spielbetrieb zurückgezogen. Nachdem man mit der Entscheidung bereits an die Öffentlichkeit gegangen war, folgte die Rolle rückwärts. Der Verein hätte eine hohe Geldstrafe an den Verband zahlen müssen, die Kontrahenten theoretisch Regressansprüche stellen können. Kosten im hohen fünfstelligen Bereich wären nicht ausgeschlossen gewesen.

"Die ganze Arbeit wäre dahin gewesen"

Doch die Strafe ist nicht der einzige Grund für den Sinneswandel. „Dahinter steht auch Eigennutz“, so Fiedler. Laut Regularien des Landesverbandes Rheinland muss bei einem Rückzug der Ersten auch die zweite Mannschaft absteigen. Für den Coach nicht hinnehmbar. Seit zweieinhalb Jahren trainiert Fiedler bereits die zweite Mannschaft – und die ist durchaus erfolgreich. Am vergangenen Sonntag wurde der Aufstieg in die B-Klasse perfekt gemacht. „Die ganze Arbeit wäre bei einem Rückzug dahin gewesen“, so Fiedler.

Um den Spielbetrieb der Ersten aufrechtzuerhalten, rekrutierte Fiedler, nun in Personalunion Trainer beider Mannschaften, einige ehemalige Spieler. Aus dem erweiterten Kader der Zweiten füllte er das Team auf. C-Liga-Kicker spielten von jetzt auf gleich fünf Klassen höher. Die sportlich bessere Mannschaft dagegen in der vorletzten Klasse. Einmal Oberliga spielen, für viele Amateurkicker ein Traum. In Burgbrohl hat der sagenhafte Aufstieg einen leichten Beigeschmack: Die Spieler wissen, dass ein Sieg nahezu ausgeschlossen ist. „Den Unterschied kann man nicht kompensieren“, so Fiedler. „Wir sind Sportler. Wir verlieren natürlich auch nicht gerne. Für die Motivation müssen wir uns kleine Ziele setzen. Zum Beispiel in den ersten zehn Minuten kein Gegentor kassieren.“

Gegen den FSV Salmrohr gelingt das fast. Es läuft gerade die zehnte Minute, als Tim Hartmann für die Gäste trifft. SpVgg-Keeper Julian Rössel muss mal wieder hinter sich greifen. „Das ist nicht so schlimm“, sagt der Torhüter. „Für uns sind andere Dinge wichtiger.“ Zum Beispiel der Zusammenhalt. Fiedler ist es wichtig, dass beide Mannschaften füreinander da sind. „Unterm Strich ist es ja so, dass sich die Spieler der ersten Mannschaft Woche für Woche abschlachten lassen, damit unsere Zweite in der kommenden Saison B-Klasse spielen kann“, erklärt der Trainer.

Antritt ist schon ein Sieg

Denn die Auflagen des Verbandes sind hart. Tritt die Mannschaft zwei Mal nicht an oder zieht zurück, war es das auch für die Zweitvertretung. „Insofern ist es für mich ein Sieg, wenn wir Spieltag für Spieltag überhaupt antreten.“ Dafür nimmt die Mannschaft viel in Kauf. Bis zu 200 Kilometer fahren die Spieler zu Auswärtsspielen. „Natürlich ist das anstrengend, wenn wir dann auch noch die Hucke vollkriegen“, so Rössel. „Aber das Zusammensein mit der Mannschaft macht auch Spaß.“

Noch vor dem Halbzeitpfiff erhöhen die Gäste auf 5:0. Das Spiel ist zu diesem Zeitpunkt lange entschieden. Auf die leichte Schulter nehmen die Spieler des FSV das Duell aber nicht. „Es kommt ja am Ende auch auf die Tordifferenz an“, sagt der sportliche Leiter des FSV, Karl-Heinz Kieren. „Aber man muss vor den Spielern aus Burgbrohl echt den Hut ziehen. Die fahren ja Woche für Woche mit einer Packung nach Hause.“

Man begegnet sich trotz des Leistungsunterschiedes mit Respekt – zumal man in Burgbrohl viel Wert auf Fairplay legt. Umso ärgerlicher, dass es heute ausnahmsweise mal wieder eine Gelbe Karte gibt. Zuspruch erhalten die Spieler auch von den gegnerischen Fans. „Da werden wir dann auch schon mal angefeuert, wenn wir über die Mittellinie kommen“, erzählt Fiedler. Doch nicht alle Kontrahenten sehen das so entspannt. Von Wettbewerbsverzerrung war die Rede. „Es gab einen Verein, der Einspruch eingelegt hat“, so Hans-Bernd Hemmler vom zuständigen Fußball-Regional-Verband Südwest. „Der wurde aber per Präsidiumsbeschluss abgelehnt.

Zwei Mannschaften sind zur Rückrunde noch gegen die „alte“ Oberliga-Mannschaft angetreten. So zum Beispiel die abstiegsbedrohte Borussia aus Neunkirchen, die damals mit 2:1 nur hauchdünn gewann. „Da kann man Unmut in Bezug auf die Tordifferenz verstehen. Das ist natürlich nicht im Sinne des Fußballs“, so Hemmler. Stand jetzt wäre die Tordifferenz jedoch unerheblich.

Ein Tor wäre das Größte

Für Salmrohr läuft es an diesem Spieltag rund. Bis zum Schlusspfiff macht der FSV das Dutzend voll und wahrt die Chance auf den Klassenerhalt. Dieser Zug ist für Burgbrohl längst abgefahren. Unwichtig. Zur nächsten Saison wird die erste Mannschaft nicht mehr gemeldet. Dann tritt die Zweite in der B-Liga an. „Ich will aber die komplette Mannschaft zusammenhalten. Es wird also ein weiteres Team in der D-Liga geben.“

Bis dahin stehen noch zwei Spiele auf dem Plan. „Natürlich wäre es für die Jungs das Größte, noch ein Tor zu schießen“, sagt Fiedler. „Aber gegen die ausstehenden Gegner liegt die Wahrscheinlichkeit bei null Prozent.“ Somit heißt es noch wenige Wochen durchhalten. In der kommenden Saison wird es für die „Erste“ wieder Erfolgserlebnisse geben. Der Traum von der Oberliga ist jedoch geplatzt.

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