Transferschluss in der Bundesliga Wohin mit dem Geld?

BONN · Wenn ein Spieler heute in Turin und morgen in Wolfsburg im Gespräch ist, wenn Manager plötzlich nicht mehr wissen, wohin mit ihrem Geld, wenn sich die Titelchancen eines Clubs von einem Tag auf den anderen radikal verändern - dann schließt sich langsam das Transferfenster. In diesem Jahr ist der Irrsinn allerdings noch irrsinniger als sonst.

 Heung-Min Son darf getrost applaudieren: In seiner und der Leverkusener Kasse klingelt es.

Heung-Min Son darf getrost applaudieren: In seiner und der Leverkusener Kasse klingelt es.

Foto: dpa

Die Premier League flutet den Markt mit ihren Fantastilliarden, als würden auf der Insel sonst die Tresore platzen. 75 Millionen Euro für Kevin De Bruyne, 63 für Angel di Maria, 62,5 Millionen für Raheem Sterling - Geiz ist gerade sehr ungeil. Sogar wenig spektakuläre Profis wie der Leverkusener Heung-Min Son (30 Millionen) oder der Augsburger Abdul Rahman Baba (20 Millionen) wechseln für Mondpreise ins Pfund-Paradies. Am Ende der Transferperiode werden die Vereine weit mehr als eine Milliarde Euro ausgegeben haben. Das ist so sicher wie die Bank von England.

[kein Linktext vorhanden]Auf dem Kontinent führt die Geldschwemme zu teils absurden Situationen, zum Beispiel beim VfL Wolfsburg: Eigentlich gingen die Niedersachsen mit ihrem hochwertigen und eingespielten Team als einziger wirklicher Bayern-Herausforderer in die Vorbereitung. Jetzt, da nach De Bruyne auch Ivan Perisic den Verein verlässt, ist der VfL vielleicht nur noch einer von einigen Champions-League-Aspiranten. Gleichzeitig versucht Manager Klaus Allofs beinahe verzweifelt, in wenigen Tagen zumindest einen großen Teil der 100 Millionen Euro unter die Leute zu bringen.

Warum haben die Engländer so viel Geld? Pay-TV funktioniert dort besser als zum Beispiel in Deutschland. Deshalb kassieren die Premier-League-Clubs schon seit vielen Jahren unverhältnismäßig viel Fernsehgeld. Der Tabellenletzte in England erhält mehr als der Deutsche Meister. Zudem war die Premier League der Pionier in der Auslandsvermarktung. Auf die Spitze getrieben wurde diese Entwicklung durch den neuen TV-Vertrag, der allein den englischen Erstligisten künftig 3,2 Milliarden Euro pro Jahr garantiert. Allerdings erst ab 2016. So gesehen, wird da bereits Geld ausgegeben, das noch gar nicht auf dem Konto ist.

Wann hört der Wahnsinn auf? Heute um 18 Uhr, dann endet nach zwei Monaten die Transferperiode. Eine zweite gibt es im Winter, exakt vom 1. bis 31. Januar. International ist das einigermaßen einheitlich geregelt. Der Weltverband Fifa verlangt das so.

Geht danach wirklich gar nichts mehr? Im Prinzip nein, aber . . Wer vertragslos ist, kann auch außerhalb der Wechselperioden einen neuen Verein finden. In Deutschland sind das derzeit Spieler wie Cacau, Patrick Ochs oder Christian Pander. Viele der Arbeitslosen halten sich im Trainingscamp der Vereinigung der Vertragsfußballer fit. Rund 80 Prozent der Jobsuchenden werden im Lauf der Saison vermittelt.

Geht's auch preiswerter? Ja, mit Leihgeschäften. Wer eingehend begutachten möchte, bevor er kauft, oder wer Talenten Spielpraxis verschaffen will, macht das so. Meistens zahlt der aufnehmende Verein eine Leihgebühr, manchmal übernimmt der abgebende Club aber sogar einen Teil des Gehalts. Die Bayern haben auf diese Weise schon einige Talente zu gestandenen Profis werden lassen: früher Philipp Lahm (Ausleihe an den VfB Stuttgart), später Toni Kroos (Bayer Leverkusen) und aktuell Pierre Emile Højbjerg (Schalke 04). Auch Leihgeschäfte müssen sich allerdings innerhalb der Wechselperioden abspielen.

Wie haben sich die Ablösesummen entwickelt? Gigantisch. Als der 1. FC Köln 1976 den Belgier Roger van Gool vom FC Brügge holte, war das der erste Millionentransfer in Deutschland. Heute ist das sogar in der 2. Liga Usus. In der Saison 1980/81 zahlte die gesamte Bundesliga umgerechnet 5,8 Millionen Euro an Ablösesummen. In der vergangenen Spielzeit waren es 291 Millionen. International sind nach wie vor die 94 Millionen, die Real Madrid für Cristiano Ronaldo an Manchester United überwies, die Höchstmarke. De Bruyne reiht sich in dieser Rangliste auf Platz sechs ein.

Gewinnen die Engländer demnächst alles? Mehmet Scholl sagte neulich in seinem Job als TV-Experte: "Die Engländer können soviel Geld haben, wie sie wollen. Da wird mir nie angst und bange." Der Mainzer Manager Christian Heidel meinte: "Es geht jetzt halt darum, so viel Geld wie möglich aus der Premier League zu ziehen." Soll heißen: Vielerorts wird im deutschen Fußball mit Gelassenheit beobachtet, was die Engländer so treiben. Kaum anzunehmen, dass der Henkelpott für den Champions-League-Triumpf künftig nur noch zwischen London und Manchester hin- und herwandert.

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