Werder und HSV verbunden in hanseatischer Rivalität

Hamburg · Hanseaten sind unaufdringlich vornehm, tragen dunkelblaue Anzüge und helfen Damen in den Mantel. Nix da: Wenn die Fußball-Bundesligisten Hamburger SV und Werder Bremen aufeinandertreffen, ruht die hanseatische Noblesse. Dann regiert die rustikale Gangart auf Rasen und Rängen.

 Am Sonntag kommt es zum 101. Aufeinandertreffen der beiden norddeutschen Clubs. Foto: Carmen Jaspersen

Am Sonntag kommt es zum 101. Aufeinandertreffen der beiden norddeutschen Clubs. Foto: Carmen Jaspersen

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Werder und der HSV sind der Stolz ihrer Regionen, aber sie haben so gar nichts füreinander übrig. 146 Pflichtspiele bestritten beide gegeneinander. 50 hat der HSV gewonnen, 55 Werder.

In der Bundesliga feierte das Nordduell vor knapp neun Monaten Jubiläum: 100 Spiele lieferten sich die Erzrivalen bislang. Keine andere Begegnung gab es häufiger. Viel Zeit also für Rivalität. Den 36 Werder-Siegen stehen 31 des HSV gegenüber. Im DFB-Pokal warfen die Bremer die größere Hansestadt fünfmal aus dem Rennen, einmal lief es umgekehrt. Nach Meistertiteln liegen die Hamburger in Führung: 6:4. Früher sangen die Elb-Hanseaten: "Wer wird deutscher Meister? HaHaHa - HSV!" Textsicher sind sie heute nicht mehr, der letzte Titel liegt 31 Jahre zurück. Anders die Bremer. Sie können sich an den jüngsten Titelgewinn vor zehn Jahren erinnern. Für hanseatische Hardcore-Fans sind Transfers, Titel oder Trainerentlassungen nicht wichtig. Wichtig allein ist die Frage: Wer steht in der Tabelle vor dem anderen?

HSV gegen Werder ist eine Geschichte von Spektakeln, Dramen und Tragödien. Legendär ist der Vierteiler aus dem Jahr 2009. Binnen 19 Tagen kassierte der HSV in vier Spielen gegen Bremen Niederlagen in drei Wettbewerben. Finale im UEFA-Cup futsch, raus aus dem DFB-Pokal und Champions-League-Startplatz in der Meisterschaft adé. "Dieses Trauma wird aus der Geschichte des HSV nicht mehr zu tilgen sein", jammerte damals Club-Chef Bernd Hoffmann. Werder wurde zum grünen Alptraum. "Wir haben den Hamburgern alles versaut, was man ihnen versauen kann", freute sich Werder-Kapitän Torsten Frings.

Dass die Hamburger dabei auch noch den Papierkugel-Spott ertragen mussten, ist den Bremern ein Fest. Eine von einem Hamburger Fan geworfene Pappkugel lenkte an der Außenlinie den Ball zur Ecke ab. Prompt folgte das dritte Bremer Tor. Noch heute schwören die HSV-Fans: "Die Kugel war abseits." Der HSV verpasste den Einzug ins UEFA-Cup-Finale. Das spielte Werder und verlor gegen Schachtor Donezk - zur Freude der Hamburger.

Noch heute schütteln sich ältere Werder-Fans angewidert, wenn sie an die Partie im November 1971 in Hamburg denken. Damals mussten die Bremer Profis auf Schiri-Befehl in verpönte blaue HSV-Trikots mit der Raute schlüpfen, weil ihre Leibchen nicht von denen der Hamburger zu unterscheiden waren. Natürlich verloren sie.

Die Weser-Hanseaten revanchierten sich. Im Januar 1983 beendeten sie den HSV-Zauber von 36 Spielen in Serie ohne Niederlage. Die Freude der Grün-Weißen war groß, aber nicht lang. Werder wurde Zweiter, der HSV Meister - und holte auch noch den Europapokal der Landesmeister. Kurz vor Saisonende 2008 brannte im Hamburger Stadion die Luft, als Torhüter Tim Wiese HSV-Stürmer Ivica Olic mit einem eingesprungenen Kung-Fu-Tritt niederstreckte. Fortan war der Keeper ("Wir müssen dem HSV auf den Sack geben") für die HSV-Fans eine Hassfigur. Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelte wegen versuchten Totschlags. Verfahren eingestellt.

Tragische Folgen hatte 1982 vor dem DFB-Pokalspiel der Bremer in Hamburg ein Überfall von Hamburger Hooligans auf Werder-Anhänger. Einen Tag später starb der verletzte 16-jährige Bremer Adrian Maleika. Der Tiefpunkt in der gemeinsamen Geschichte war erreicht. In unguter Erinnerung ist auch die Bundesliga-Partie 1989. Der HSV gewann zu Hause 4:0, verlor aber Ditmar Jakobs. Der Nationalspieler rutschte bei einem Abwehrversuch ins eigene Tor und rammte sich einen defekten Karabinerhaken in den Rücken. Karriereende. Die 101. Begegnung am Sonntag verläuft auf Keller-Niveau: 17. gegen 16. Der Lack ist ab, aber weniger hitzig wird es kaum hergehen.

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