Wer folgt auf Scolari? Komplizierte Nachfolgesuche

Rio de Janeiro · Wer kehrt die Scherben des brasilianischen Fußballs zusammen? Nach der überfälligen Trennung vom gescheiterten Nationaltrainer Luiz Felipe Scolari geht bei Gastgeber Brasilien die Aufarbeitung der sportlich desaströsen Fußball-WM weiter.

 Luis Felipe Scolari hört auf als Trainer der brasilianischen Nationalmannschaft. Foto: Marcelo

Luis Felipe Scolari hört auf als Trainer der brasilianischen Nationalmannschaft. Foto: Marcelo

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Doch bei der Suche nach einem neuen Führungskopf tun sich die Verantwortlichen schwer. Als Favoriten gelten weiter Adenor "Tite" Bacci (zuletzt Corinthians São Paulo) und U 20-Nationaltrainer Alexandre Gallo. Selbst über ein ausländische Lösung wird spekuliert. So recht scheinen die Verbandsbosse aber nicht zu wissen, wer die stolze Fußball-Nation nach dem WM-K.o. in die Zukunft führen soll.

Am Montagabend gab der CBF immerhin wie erwartet die Demission von Scolari bekannt. Im Appartement von Noch-Verbandspräsident José Maria Marin soll der 65-Jährige laut brasilianischen Medienberichten seine Rückzugspapiere abgegeben haben. Genau an jenem Ort also, wo er zwei Jahre zuvor seinen bis zur WM datierten Vertrag mit so großen Hoffnungen unterschrieben hatte.

Doch in den Tagen seit dem WM-Ende wird immer deutlicher, wie zerrüttet die Verhältnisse im Lager des Turnier-Gastgebers gewesen sind. Die Seleção und die gesamte Delegation seien nie wirklich eine Einheit gewesen, kritisierte die Zeitung "Folha de São Paulo". "Das brasilianische Fiasko bei dieser Weltmeisterschaft war gekennzeichnet von den Turbulenzen zwischen Trainerteam, Spielern und der Verbandsführung", schrieb das Blatt. "Die Schande auf der Schlussgeraden der WM lässt sich zu guten Teilen durch den fehlenden Dialog zwischen Trainer und Spielern hinter den Kulissen erklären."

Die Brasilianer hatten sich mit dem 1:7 im Halbfinale gegen Deutschland - der höchsten Länderspiel-Niederlage in der 100-jährigen Geschichte der CBF überhaupt - und dem 0:3 gegen die Niederlande im Spiel um Platz drei kräftig blamiert. Der angepeilte sechste WM-Titel wurde deutlich verpasst, das Team gnadenlos ausgepfiffen.

Auch die vielen Ex-Stars im Land des fünfmaligen WM-Champions machen sich daher große Sorgen um die Zukunft ihres Fußballs und halten mit Ratschlägen, was der neue Nationalcoach alles mitbringen muss, nicht hinter dem Berg. "Der Trainer muss auf dem aktuellen Stand sein, was auf der Welt passiert und eine gute Kenntnis haben von allen brasilianischen Spielern und deren Qualität des Fußballspiels", sagte das Flamengo-Fußball-Idol Zico. Auch der frühere Mittelfeldstratege wird in den Medien als Option für den vakanten Posten genannt.

Der frühere brasilianische Nationalspieler und Weltmeister von 1970, Dadá Maravilha, ließ keinen Zweifel daran, was die Haupteigenschaft eines jeden Seleção-Trainers sein muss: "Die erste Voraussetzung, um Brasilien zu trainieren ist: Brasilianer zu sein. Wir haben fünf WM-Titel mit brasilianischen Trainern gewonnen, und es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, das zu ändern."

Für ihn wäre Marcelo Oliveira ein geeigneter Kandidat. Der Trainer gewann 2013 mit Cruzeiro (Belo Horizonte) die brasilianische Meisterschaft. "Wir brauchen einen jüngeren Kommandanten ... bescheiden, der nicht alles bestimmen will und auch nicht stärker in Erscheinung treten will als der ganze Rest des Teams", riet Dadá Maravilha und übte damit heftige Kritik an Scolari.

Die Zeitung "Estadão" empfahl, sich ein Beispiel an Weltmeister Deutschland zu nehmen: "Brasilianische Fußballtrainer sollten schon jetzt beginnen, einigen der deutschen Beispiele zu folgen. Es ist höchste Zeit", schrieb das Blatt.

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