Chefrollen: Löw sieht "andere Art von Führungsspielern"

Leipzig · Antreiber, Einpeitscher oder nur leiser Anführer? Für Joachim Löw ist die Zeit der klassischen Chefs wie Michael Ballack oder Lothar Matthäus schon längst vorbei - Führungskräfte aber braucht sein Team natürlich weiter.

 Bundestrainer Joachim Löw (M) mangelt es nicht an zukünftigen Fürhungsspielern. Foto: Peter Kneffel

Bundestrainer Joachim Löw (M) mangelt es nicht an zukünftigen Fürhungsspielern. Foto: Peter Kneffel

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"Nach der WM haben wir in Philipp Lahm, Per Mertesacker und Miroslav Klose drei wichtige Spieler verloren. Die Hierarchie hat sich ein bisschen verändert", räumte der Bundestrainer ein. Bei der Neubesetzung der Chefstellen aber sieht der Weltmeister-Coach keine Probleme, auch wenn der Ruf nach wahren Führungsspielern gerade nach Niederlagen wie jüngst in Irland immer wieder laut wird.

"Wenn man verliert, wird immer gefragt, wer hat das Heft des Handelns in der Hand", bemerkte Löw und unterstrich vor dem Abschluss der EM-Qualifikation am Sonntag in Leipzig: Natürlich haben wir Führungsspieler." So sei der inzwischen 29 Jahre alte Manuel Neuer in der Fußball-Nationalmannschaft "ein Spieler, der wahnsinnig viel an die Organisation und das Spiel denkt". Auch Thomas Müller (26), Jérôme Boateng (27) und Mats Hummels (26) ordnete der Bundestrainer dem Führungszirkel der Mannschaft zu. Und Toni Kross (25) von Real Madrid könne "auf seine Weise das Spiel an sich ziehen".

Von lauten und alleinbestimmenden Spieler-Chefs hält Löw ohnehin nichts. Er woll sich "keinen ranzüchten, der auf dem Platz Tabula rasa macht", betonte der 55-Jährige. Bei der erfolgreichen WM im Vorjahr in Brasilien habe man "eine andere Art von Führungsspielern" gehabt. Gerade in kritischen Turniersituationen wie nach dem mühevollen 2:1 im Achtelfinale gegen Algerien in Porto Alegre hatten einige Führungsspieler dabei durchaus ihre Vorstellungen und Veränderungswünsche deutlich mit eingebracht.

Die Rückversetzung von Kapitän Lahm im folgenden Spiel gegen Frankreich wird von vielen Experten als ein Schlüssel für die weiteren Siege bei der WM angesehen. "Auch ein Sami Khedira hat viel Einfluss auf dem Platz und neben dem Platz", erklärte Löw in Leipzig. Der zu Juventus Turin gewechselte Mittelfeldspieler muss sich nach langer Verletzungs-Leidenszeit erst wieder sportlich an das allerhöchste Niveau herankämpfen.

Auch der Einfluss von Kapitän-Nachfolger Schweinsteiger hängt sehr mit seiner persönlichen sportlichen Situation zusammen. Löw setzt darauf, dass der 31-Jährige im Adler-Trikot in einem entscheidenden Spiel nochmals so eine fast übermenschliche Leistung abrufen kann wie beim Finalsieg in Rio de Janeiro. Sein Wechsel zu Manchester United soll dabei helfen. "Er hat sich für die Herausforderung entschieden, spielt jetzt bei einem der größten Vereine der Welt", betonte Löw: "Das wird ihm sicher gut tun, er wird nochmal einen Schritt machen, davon bin ich überzeugt."

Der 30-jährige Lukas Podolski wählte den Schritt zu Galatasaray Istanbul, um sich Spielrhythmus zu sichern und damit seinen 126 Länderspielen noch einige hinzufügen zu können. Ein Chef war der Kölner Junge noch nie, allerdings als belebende Seele für das Nationalteam und Löw wichtig. Torwart Neuer sieht die Bedeutung des Kapitäns ohnehin begrenzt. "Tja, ich weiß nicht, ob sich was verändert hat, weil ich einmal die Binde getragen habe", sagte der Schweinsteiger-Stellvertreter. "Ich habe als Torwart grundsätzlich die Aufgabe, Verantwortung zu übernehmen."

Schweinsteiger selbst möchte vor allem noch "so oft wie es geht" für Deutschland spielen. "Wir sind Weltmeister, es ist ein super Gefühl, das Trikot anzuziehen", sagte der 113-malige Nationalspieler zu Beginn der EM-Saison. Er weiß aber auch selbst, dass es nicht leicht sein wird, die körperlichen und mentalen Voraussetzungen dafür zu erhalten. "Natürlich, man muss bei jedem Spiel neu vorangehen, das kostet Kraft. Man muss sich um mehr Dinge kümmern, wenn man Erfahrung hat", meinte der Ex-Münchner.

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