Can: Beim Debüt schneller als Özil und Gündogan

Frankfurt/Main · Mit diesem Blitz-Debüt konnte selbst Emre Can kaum rechnen. Die Premieren-Einladung von Joachim Löw in den Kreis der deutschen Fußball-Nationalmannschaft war für den 21-Jährigen nicht überraschend gekommen, der prompte Startelf-Einsatz gegen Polen dagegen schon.

 Emre Can (M) steht vor seinem Debüt für die A-Nationalmannschaft des DFB. Foto: Fredrik von Erichsen

Emre Can (M) steht vor seinem Debüt für die A-Nationalmannschaft des DFB. Foto: Fredrik von Erichsen

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Löw zog den Defensivakteur im Topspiel der EM-Qualifikation auf der rechten Abwehrseite dem Hoffenheimer Sebastian Rudy vor, eine durchaus mutige Entscheidung.

Die Nominierung für die ersten Länderspiele der EM-Saison hatten Can dagegen mit einem "etwas längeren Vorlauf" erreicht, wie der einzige Neuling im Aufgebot für die Punktspiele gegen Polen und Schottland verriet. Bereits im Sommer hatte der Bundestrainer mit dem Profi des FC Liverpool ein Gespräch geführt, schon damals ging es um die Beförderung des damaligen U21-Kapitäns ins deutsche A-Team.

"Emre hat sich in Liverpool gut entwickelt, er ist variabel, seine Präsenz und Dynamik gefallen uns", äußerte Löw über Can. In den wenigen Trainingseinheiten in Frankfurt konnte der Youngster den Bundestrainer von seinen Qualitäten überzeugen. "Er hat auf mich einen guten Eindruck gemacht. Er hat sich schnell eingewöhnt und angepasst", berichtete Löw am Tag vor dem Spiel, als er die Besetzung der rechten Abwehrseite noch nicht verraten mochte. Löw schätzt an Can dessen vielseitige Verwendungsmöglichkeiten im Defensivbereich.

"Er ist ein Spieler, der flexibel einsetzbar ist", sagte Löw und zählte mehrere Positionen auf: Rechtsverteidiger in einer Dreier- und Viererkette, dazu die bedeutsame Position sechs im Mittelfeld. "Und er verfügt über eine sehr gute Passtechnik", lobte der Bundestrainer, dem diese Qualität besonders wichtig ist. Defensivakteure sind für Löw beileibe keine reinen Zerstörer, sondern erste Aufbauspieler.

"Aufgeregt" absolvierte Can die ersten Schritte im Kreise der Fußball-Weltmeister. Und noch viel angespannter werde er sein, wenn er ausgerechnet in seiner Heimatstadt Frankfurt sein Debüt feiern dürfte, gestand der Deutsch-Türke. Die zehn Jahre unter der Leitung von Löw haben gelehrt, dass es bisweilen sehr schnell gehen kann mit dem Aufstieg zum Nationalspieler. Can ist nun Löws 76. Debütant.

Und der 21-Jährige konnte sogar noch schneller dem Beispiel seiner etablierten Kollegen Mesut Özil und Ilkay Gündogan folgen. Denn Löw hat Can mit dem Pflichtspieleinsatz im deutschen A-Team fest an den DFB gebunden - die Türkei ist als Alternative ausgeschieden.

Mesut Özil spielte 2009 noch für Werder Bremen, als ihn Löw am 12. August 2009 beim 2:0-Sieg im WM-Qualifikationsspiel in Baku gegen Aserbaidschan in der 84. Minute für Mario Gomez einwechselte. Ilkay Gündogan war auch erst ein Versprechen für die Zukunft, als Löw den Dortmunder 2011 in der EM-Quali beim 3:1-Erfolg in Düsseldorf gegen Belgien für Philipp Lahm brachte. Beide waren damals 20, bei beiden erfolgte die Einwechslung in der 84. Minute, als das Spiel jeweils vorentschieden war. Fortan waren beide für den DFB festgespielt.

Can hat seit der U15 alle Nachwuchsteams beim DFB durchlaufen. Im Verein führte ihn sein Weg vom FC Bayern München über Bayer Leverkusen nach England zum FC Liverpool. "Ich bin Bundesligaspieler geworden, ich habe alle U-Nationalmannschaften durchlaufen, ich spiele in der Premier League. Und jetzt bin ich hier beim A-Team. Wahnsinn", beschrieb er seine rasante Entwicklung. Am Freitag erlebte diese in seiner Heimatstadt eine weitere Entwicklungsstufe.

Azubi bleibt er vorläufig trotzdem. Bei der U21-Europameisterschaft in Tschechien war Can dagegen im Sommer der Anführer im Team von Trainer Horst Hrubesch. Es war ein lehrreiches Turnier für den Kapitän, der mit dem DFB-Nachwuchs im Halbfinale 0:5 gegen Portugal unterging. Can gab danach erstaunlich offen und ehrlich sein persönliches Versagen zu. "80 oder 90 Prozent reichen nicht, wer das denkt, hat schon verloren", lautet seine wichtigste EM-Erkenntnis.

Weniger als hundert Prozent werden auch nicht reichen, um sich bei Löw zu etablieren und schon 2016 bei der Europameisterschaft der Erwachsenen dabei zu sein. In der U21 war er Wortführer, jetzt muss er vor allem zuhören, was die Weltmeister ihm sagen. "Das ist absolut selbstverständlich und fällt mir überhaupt nicht schwer. Ich kenne meine Rolle, ich habe null Probleme damit, mich hinten anzustellen", sagte Can. Er ist jung, seine Zeit als Nationalspieler hat gerade erst begonnen. Löw denkt ohnehin schon weit in die Zukunft. "Die EM ist ein Etappenziel", sagte der Bundestrainer. Das Fernziel heißt Russland 2018, für Löw nach dem WM-Triumph in Rio "die Mission II".

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