Winkelzüge von Blatter und Platini - Suche nach Kandidat

Zürich · Mit einer juristischen Schlammschlacht kämpfen Joseph Blatter und Michel Platini verzweifelt um das sportpolitische Überleben.

 Joseph Blatter hat nun doch Einspruch gegen seine Sperre eingelegt. Foto: Ennio Leanza

Joseph Blatter hat nun doch Einspruch gegen seine Sperre eingelegt. Foto: Ennio Leanza

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Trotz der Winkelzüge, Vorwürfe und schnellen Einsprüche ihrer Anwälte ist die Zeitenwende im Weltfußball nach den Sperren für den FIFA-Präsidenten und den UEFA-Chef aber kaum noch aufzuhalten. Mit Hochdruck ermitteln die FIFA-Ethikuntersucher gegen die beiden gefallenen Top-Funktionäre. Das Ziel ist ein rasches endgültiges Urteil - Blatter und Platini droht sogar ein lebenslanger Bann. Zudem werden die Rufe nach tiefgreifenden Reformen im Weltverband immer lauter. "Die FIFA und die UEFA sind ein modernes Sodom und Gomorrha", kommentierte die spanische "AS".

So haben im Hintergrund die Planungen für die Zeit nach den einstigen Verbündeten, die beide gegen ihre 90-Tage-Sperre in Berufung gehen, begonnen. Interimspräsident Issa Hayatou wird Anfang nächster Woche in der Züricher FIFA-Zentrale erwartet, zu der Blatter seit seinem Abgang am Donnerstagabend keinen Zutritt mehr hat. Zudem bestätigte der Weltfußballverband am Freitagabend, dass die FIFA-Exekutive am 20. Oktober zu einer außerordentlichen Sitzung in Zürich zusammenkommen wird.

Auf dieser Dringlichkeitssitzung könnte auch eine Verschiebung der für 26. Februar geplanten Wahl eines Blatter-Nachfolgers auf die Agenda rücken. Dies berichteten englische Medien unter Berufung auf namentlich nicht genannte Exko-Mitglieder.

"Die FIFA-Strukturen sind so morsch, dass sie missbraucht werden können", analysierte die "Neue Zürcher Zeitung". "Mit den jüngsten Sperren ist das System kollabiert." Deshalb forderte die Europäische Club-Vereinigung ECA unter dem Vorsitz von Karl-Heinz Rummenigge "echte Reformen und Transparenz" sowie Mitspracherecht der Vereine.

Noch vor dem FIFA-Treffen wird die Exekutive der UEFA am Donnerstag eine Notfallsitzung abhalten. Dabei "soll Michel Platini Dinge ins Feld führen, die ihn entlasten", forderte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Platini selbst darf aber nicht anwesend sein.

Zunächst sprach die Regierung der Europäischen Fußball-Union dem suspendierten Franzosen zwar das Vertrauen aus. Dennoch muss für die FIFA-Präsidentschaftswahl nun schleunigst ein neuer Kandidat gefunden werden, ein Antreten Platinis beim Kongress am 26. Februar scheint trotz der fristgerechten Einreichung der Bewerbung unmöglich geworden. "Wird jetzt eine deutsche Achse geboren? Unter den Kandidaten sticht Niersbach hervor", orakelte die "Corriere dello Sport" (Freitag). Der Chef des Deutschen Fußball-Bunds ziert sich aber und verweist auf seine nationale Aufgaben.

Blatter klammert sich hingegen wie besessen an seine längst zerstörte Macht im Weltverband. Nach Beratung mit seinen Anwälten geht der 79-Jährige gegen den Bann durch die FIFA-Ethikkommission vor und ließ zudem die Arbeitsweise des Gremiums diskreditieren. Ein Einspruch gegen das Urteil sei am Donnerstag eingereicht worden, teilte Blatters Anwalt Richard Cullen der Deutschen Presse-Agentur mit. Über diesen muss nun die FIFA-Berufungskommission unter dem Vorsitzenden Larry Mussenden von den Bermudas befinden.

Die Rechtsvertreter von Blatter hatten unter anderem beklagt, dass dieser von der Ethikkommission nicht ausreichend angehört worden sei. "Herr Blatter wurde am 1. Oktober von Robert Torres von der FIFA-Ethikkommission einvernommen", konterte Andreas Bantel, Sprecher der Ethik-Untersuchungskammer, auf Anfrage. "Herr Blatter hatte das Recht, zu sämtlichen offenen Fragen in der notwendigen Ausführlichkeit Stellung zu beziehen." Dies sei auch bei Platini der Fall gewesen.

In dem schriftlichen Einspruch Blatters werde zudem beklagt, dass Blatter erst von dem Bann erfahren habe, nachdem die FIFA ihn veröffentlichte, berichtete die "New York Times". "Die Publikation darf erst erfolgen nach persönlicher Mitteilung an die Personen, das ist auch in diesem Falle geschehen", erklärte Bantel dazu.

Auch Platini wetterte gegen die Ethikkommission und äußerte dabei selbst Verschwörungstheorien: "Ich weigere mich, zu glauben, dass dies eine hastige politische Entscheidung ist, die getroffen wurde, um einen lebenslangen Anhänger dieses Spiels zu beflecken oder meine Kandidatur als FIFA-Präsident zu zerstören."

Am Freitag kündigte auch der frühere Weltverbandsvize Chung Mong Joon rechtliche Schritte gegen seine Sechs-Jahressperre an. "Ich werde alle rechtlichen Möglichkeiten mobilisieren, um die Ungerechtigkeit der Entscheidung der Ethikkommission offenzulegen", teilte der Südkoreaner mit. Dies beinhalte einen Gang zum Internationalen Sportgerichtshof CAS. Allerdings muss Chung zunächst einen Einspruch bei der Berufungskommission der FIFA einlegen. Ihm werden Verstöße gegen vier Artikel des FIFA-Ethikcodes im Zusammenhang mit Südkoreas gescheiterter Bewerbung für die WM 2022 zur Last gelegt.

Der Bann gegen Blatter und Platini kann noch um maximal 45 Tage ausgedehnt werden, während dieser Zeit sind beide Top-Funktionäre von allen Fußball-Aktivitäten auf nationaler und internationaler Ebene ausgeschlossen. Die Sanktionen gegen Blatter und Platini sind die Resultate der Ermittlungen der Ethik-Untersuchungskammer, detaillierte Gründe darf das Gremium nicht veröffentlichen.

Die Schweizer Bundesanwaltschaft hatte vor zwei Wochen ein Strafverfahren gegen Blatter unter anderem wegen des Verdachts der "ungetreuen Geschäftsbesorgung" eingeleitet. Im Kern geht es um eine Millionen-Zahlung an Platini und TV-Geschäfte mit dem früheren FIFA-Vize Jack Warner, der WM-Rechte für die Karibik für 600 000 Dollar und damit deutlich unter dem Marktwert erhalten haben soll.

Die wichtigsten Termine im Weltfußball:

 Datum Ort Termin 15. Oktober

 Nyon Dringlichkeitstreffen der UEFA-Exekutive 20. Oktober

 Zürich Sondertreffen der FIFA-Exekutive 26. Oktober Zürich Frist für Einreichung von Kandidatur als FIFA-Präsident Dezember Zürich planmäßige Sitzung der FIFA-Exekutive 6. Januar Zürich letzter Tag der aktuellen Sperre gegen Blatter und Platini (Bann kann bis 20. Februar verlängert werden) 11. Januar Zürich Verleihung des Ballon d'Or (Weltfußballer) 26. Februar Zürich Außerordentlicher FIFA-Wahl-Kongress

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