Löw: Chancenverwertung fast arrogant

Faro · Fragen an Bundestrainer Joachim Löw nach dem 7:0 der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im EM-Qualifikationsspiel im portugiesischen Faro gegen Außenseiter Gibraltar.

 Joachim Löw war mit der Chancenverwertung nicht richtig zufrieden. Foto: Arne Dedert

Joachim Löw war mit der Chancenverwertung nicht richtig zufrieden. Foto: Arne Dedert

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Wie haben Sie den Saisonabschluss gesehen?

Joachim Löw: In der ersten Halbzeit haben wir wie in den letzten Spielen schon viele Chancen vergeben. Da waren wir mit dem 1:0 zur Pause nicht zufrieden, gemessen an unserem großen und guten Offensivpotenzial. In der zweiten Halbzeit waren wir konsequenter im Abschluss, das war dann absolut in Ordnung, so dass der Sieg noch standesgemäß ausgefallen ist.

Was haben Sie in der Halbzeit der Mannschaft gesagt?

Löw: Ich musste schon mal etwas deutlich werden. Es gab nur ein einziges Thema: Chancenverwertung. Ich konnte in der Halbzeit keinem Spieler einen Vorwurf machen, was das Engagement angeht. Was wir an Chancen ausgelassen haben, war schon ein bisschen an der Grenze zur Arroganz. Wir haben vier, fünf, sechs Chancen einfach vertändelt oder den Torwart angeschossen. Ich habe gesagt: Ich will auf jeden Fall noch einige Tore sehen.

Sie haben sich auf der Bank die Nägel gefeilt, was war da los?

Löw: Mir ist ein Nagel abgebrochen, das habe ich gemerkt. Das sollte nicht despektierlich sein. Aber der Nagel war eingerissen.

Mit welchem Fazit gehen Sie jetzt in die Pause?

Löw: Es war ein schweres Jahr, was zu erwarten war. Einige Spieler hatten nach der WM Verletzungen, Formkrisen und Schwankungen in den Leistungen. In der Qualifikation haben wir gegen Polen verloren, da war die Chancenauswertung auch nicht optimal. Und wir haben gegen Irland in letzter Minute Punkte verloren. Es war schwierig. Wir hatten nicht die Souveränität wie in den Jahren zuvor. Wir kennen unsere Probleme und werden sie nach der Pause angehen. Die Mannschaft wird in die Spur kommen, weil sie ein großes Potenzial hat. Das werden wir wieder abrufen.

Welche Probleme werden Sie vor allem angehen?

Löw: Es gibt drei Schwerpunkte. Wir müssen eine Lösung finden in Spielen wie gegen die USA, wenn uns Mannschaften früh angreifen. Dann das schnelle Umschalten, das hatten wir in manchen Spielen verloren. Und das Spiel im letzten Drittel: Torabschluss, Laufwege.

Konnten sich einige der Nachrücker empfehlen?

Löw: Das Spiel gegen Gibraltar ist nicht der Maßstab. Alle hatten nach der Bundesliga-Saison schon runtergefahren. Dann wieder den Rhythmus zu finden, war für alle nicht einfach. Es gab einige positive Ansätze. Patrick Hermann hat in der ersten Halbzeit gegen die USA überzeugt, auch Antonio Rüdiger hat seine Sache gut gemacht. Ich war in beiden Spielen auch absolut zufrieden mit Jonas Hector, der auch taktisch seine Sache gut gemacht hat. Aber man darf den Maßstab nicht allzu hoch anlegen in diesen beiden Spielen.

Waren Sie von der doch offensiveren Ausrichtung von Gibraltar überrascht?

Löw: Ich war schon überrascht, dass sie hinten nicht mit einer Sechser-Kette gespielt haben, sondern mit einer Vierer-Kette. Das hat uns am Ende mehr Räume geöffnet. Dadurch sind vielleicht auch mehr Tore gefallen. Einige Male hat Gibraltar mutig nach vorn gespielt und auch zwei, drei Chancen herausgeholt. Roman musste sehr gut halten.

Ist die Sommerpause der richtige Zeitpunkt für den von Ihnen schon angekündigten personellen Umbruch?

Löw: Wann der richtige Zeitpunkt für einzelne Spieler ist, muss man abwarten. Wir haben nicht den Druck, jetzt endgültige Entscheidungen zu treffen. Das geschieht im kommenden Jahr, unmittelbar vor der EM. Wir müssen sehen, wie die Leistungen in den ersten Wochen der neuen Saison sind, wie die Vorbereitung war. Dann werden wir entscheiden.

Einige Kandidaten werden bei der U21 -EM spielen.

Löw: Wir haben die Zielsetzung, dass wir einige junge Spieler heranführen wollen. 2009 war die U21 Europameister und hat sehr gut gespielt. 2010 bei der WM waren dann fünf, sechs Spieler bei uns dabei. Das zeigt, dass wir immer in der Lage sind, junge Spieler einzubauen. Einige Spieler sind 30 und darüber. Wir müssen schauen, dass wir für diese Spieler gleichwertigen Ersatz finden.

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