EM-Qualifikation Anspruch und Realität liegen weit auseinander

GELSENKIRCHEN · Ratlos schlichen die Spieler der deutschen Nationalmannschaft über den Rasen der Veltins Arena. Während die Fans den faden Auftritt beim 1:1-Unentschieden im EM-Qualifikationsspiel gegen Irland mit einem gellenden Pfeifkonzert quittierten, befanden sich die DFB-Kicker in Schockstarre.

Mit nur einem Zähler aus den vergangenen beiden Begegnungen belegt der Weltmeister den vierten Platz der Gruppe D, hinter Polen, Irland und Schottland. Noch nie ist eine deutsche Auswahl schlechter in eine EM-Qualifikation gestartet.

"Wir haben beide Partien dominiert. Aber im Fußball zählen nun einmal die Punkte und da haben wir einfach zu viele liegen lassen.", erklärte Lukas Podolski, der gegen das Defensivbollwerk der Iren zur Halbzeit eingewechselt wurde und zumindest kurzfristig für ein wenig Schwung sorgte. Auch Bundestrainer Joachim Löw musste sich eingestehen, dass aktuell zwischen Anspruch und Realität eine große Lücke klafft.

"Wir sind natürlich alle sehr enttäuscht. Denn wir hatten uns aus den beiden Spielen in Polen und gegen Irland eine andere Punkteausbeute vorgestellt", sagte Löw. Der Ausgleichstreffer von John O'Shea unmittelbar vor dem Schlusspfiff hatte die Weltmeister drei Monate nach dem Triumph von Rio wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Die ersatzgeschwächte deutsche Mannschaft trat auf Schalke dominant auf, spielerisch überzeugen konnte Löws Team aber nur selten. Kreierte die DFB-Offensive gegen die Polen noch zahlreiche Chancen, agierte der Gastgeber gegen die irische Siebenerkette ideenlos. "Bis zum Tor haben wir eigentlich einen guten Fußball gespielt. Danach hat uns der Mut verlassen", suchte auch Manuel Neuer nach Erklärungen.

Für Gefahr sorgte die deutsche Auswahl meist nur durch Distanzschüsse. In der Anfangsphase traf Erik Durm die Latte, nach dem Wechsel zwang Podolski Torhüter David Forde zu einer Glanzparade, bevor Toni Kroos den vermeintlich erlösenden Siegtreffer erzielte. Kreativität und Spielwitz blieben Mangelware. "In der ersten Halbzeit hat in unserem Spiel die Breite und Tiefe gefehlt. In der zweiten Halbzeit haben wir es besser gemacht und mehr Druck entfacht, uns aber leider nicht mit dem zweiten Tor belohnt", erklärte der Bundestrainer.

Dafür hielt die Viererkette um Durm, Mats Hummels, Jerome Boateng und Antonio Rüdiger 90 Minuten den müde wirkenden Angriffen der Iren stand. 90 Minuten. In der Nachspielzeit drückte die Nummer 62 der Weltrangliste auf den Ausgleich und belohnte sich für die Mühen. Auch, weil die DFB-Kicker den Ball nur noch planlos wegschlugen. "Wir hätten die Uhr runterspielen müssen. Wenn wir clever weitergespielt hätten, hätten die Iren auch weiterhin keinen Zugriff auf unser Spiel gehabt", so Neuer. Ausgerechnet Mats Hummels kam im entscheidenden Moment gegen O`Shea zu spät.

Schockstarre ja, in Panik verfällt beim DFB angesichts der schwachen Punkteausbeute aber noch Niemand. "Dass das jetzt in der Öffentlichkeit schnell als Krise dargestellt wird, ist klar. Aber wir brauchen uns nicht vorwerfen lassen, zwei schlechte Spiele absolviert zu haben", sagte Podolski: "Wir werden als Weltmeister gemessen. Da ist unser Anspruch natürlich ein anderer."

Der Bundestrainer blickt jedenfalls schon wieder optimistisch auf das kommende Qualifikationsspiel im November: "Wir werden gegen Gibraltar gewinnen und uns dann ein bisschen sammeln und alle Kräfte bündeln. Dann sind wir im nächsten Jahr wieder da und schlagen zurück", so Löw. Gegen den vermeintlichen Fußballzwerg wird der Bundestrainer in Nürnberg voraussichtlich mit einer B-Elf antreten, wohl wissend, dass nur ein überzeugender Sieg ein gellendes Pfeifkonzert und lange Gesichter verhindern kann.

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