Bayer Leverkusen Werkself am Tiefpunkt

Lotte/Leverkusen · Nach dem Pokal-Aus in Lotte muss Bayer Leverkusen in der Bundesliga und der Champions League die Kurve kriegen. Sportchef Rudi Völler stellt sich hinter Trainer Roger Schmidt.

 Wenn ein Gesicht mehr sagt als jede Analyse: Leverkusens Robbie Kruse in Lotte.

Wenn ein Gesicht mehr sagt als jede Analyse: Leverkusens Robbie Kruse in Lotte.

Foto: dpa

Dass Rudi Völler sich in einen Vulkan verwandeln kann, ist bekannt. Dann lässt der Sportdirektor von Bayer Leverkusen mächtig Dampf ab und sorgt oft für starke Sprüche. Doch nach der Extrem-Blamage mit dem 5:6 (2:2 nach Verlängerung) bei den Sportfreunden Lotte blieb der 56-Jährige ganz ruhig. Leise las er den Profis die Leviten. „Das war einfach schlecht, wir sind verdient ausgeschieden“, sagte er und stellte sich flugs vor den Trainer, der hinter dem Stadion des Dorfclubs im Teambus saß. „Die Trainergeschichte ist nicht der Knackpunkt. Entscheidend ist, dass wir uns in der Verlängerung so was von dämlich angestellt haben. Dämlicher geht es nicht.“ Roger Schmidt hatte das ganze Drama am Bildschirm im Bus verfolgt. Auch nach Ablauf des 30-Minuten-Kontaktverbots, die zu der verhängten DFB-Sperre gehört, nahm er keine Stellung zum erbärmlichen Geschehen.

Der K.o.-Schlag in der zweiten DFB-Pokal-Runde war ein neuer Tiefpunkt für die Werkself, die nun seit vier Pflichtspielen ohne Sieg ist. Wer dachte, dass es nach dem 0:3 gegen Hoffenheim und dem erneuten Eklat um den aus der Rolle gefallenen Schmidt nicht mehr furchtbarer werden könnte, musste sich am Dienstagabend eines Besseren belehren lassen. Ein aufopferungsvoll kämpfender Drittliga-Aufsteiger, der nach Gelb-Rot für Tim Wendel sogar 41 Minuten in Unterzahl spielte, zwang den Champions-League-Teilnehmer in die Knie.

Dass die personellen Wechsel bei Bayer 04 eine Rolle spielten, wollte niemand als Entschuldigung anführen. Es ist inzwischen bei den Bundesligisten üblich, in den frühen Pokalrunden einigen Spielern aus der zweiten Reihe eine Chance zu geben – neben Leverkusen zahlte Freiburg am Dienstag gegen Sandhausen dafür seinen Preis. Schmidt hatte entschieden, dass Bernd Leno, Julian Brandt und Benjamin Henrichs geschont wurden, es rückten Roberto Hilbert, Aleksandar Dragovic, Robbie Kruse und Torwart Ramazan Özcan in die Startelf. Kevin Volland, der nach der am Montag verhängten Zwei-Spiele-Sperre im Pokal spielberechtigt war, schoss die beiden Tore (25./95.), zwischen denen das Eigentor von Hilbert (47.) lag. Richtig peinlich wurde es eigentlich erst mit dem Ausgleichstreffer der zehn Lotter Sportfreunde durch Kevin Freiberger in der 105. Minute. 8763 Zuschauer im Frimo Stadion konnten es kaum glauben, aber der Drittliga-Vierte setzte noch einen drauf.

Im Elfmeterschießen traten die Bayer-Profis gegen den Ex-Kollegen Benedikt Fernandez an. Volland, Charles Aranguiz und Julian Baumgartlinger als letzter Schütze scheiterten mit ihren Elfern, der Triumph für Lotte war perfekt, obwohl Öczan zwei Schüsse pariert hatte.

Lotte-Trainer Ismail Atalan konnte es kaum fassen. „Dieser Verein hat seit zwei Jahren eine Geschichte geschrieben, die ihresgleichen sucht.“ Stefan Kießling, der nach 100 Minuten für Kai Havertz vom Platz ging, gab die Devise für die nächsten Partien in Wolfsburg (erneut ohne Schmidt) und bei Tottenham aus: „Wir müssen uns langsam mal zusammenreißen. Jetzt haben wir durch die ganze Scheiße ein Ziel kaputtgemacht. Das tut schon ziemlich weh.“

Markus Krösche, der für Schmidt das Team coachte, ist nicht zu beneiden. Als er Schmidt während der Sperre im Frühjahr vertrat, holte das Team in drei Bundesliga-Spielen einen Punkt (5:10 Tore). Da Schmidt keinerlei Hinweise geben darf – per SMS, Messenger-News oder auf anderen verschlungenen Wegen – müssen die Auswechslungen auf seinem Mist gewachsen sein. Chicharito machte nach 90 Minuten Platz für den defensiven Mittelfeldmann Aranguiz, zehn Minuten später verließ „Kieß“ für Havertz, ebenfalls zum Mittelfeldpersonal zählend, das Spielfeld. Für das Erreichen des neuen Tiefpunkts waren viele verantwortlich. Völler nahm Schmidt aus der Schusslinie: „Wir glauben weiter an den Trainer.“

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