Relegation Von der VW-Krise in die VfL-Dauerkrise: Wolfsburg zittert

Wolfsburg · VW ist nur der Geldgeber des VfL Wolfsburg? Von wegen! Mittlerweile dürfte jedem klar sein: Ohne Volkswagen geht beim Meister von 2009 und Pokalsieger von 2015 nichts. Dies hatte für den Club in der VW-Krise fatale Folgen. Nun droht der erste Bundesliga-Abstieg.

 Der VfL Wolfsburg trifft in der Relegation auf Holstein Kiel.

Der VfL Wolfsburg trifft in der Relegation auf Holstein Kiel.

Foto: Swen Pförtner

"Kein Kommentar" – Zur Führungslosigkeit des VfL Wolfsburg im Kampf gegen den ersten Bundesliga-Abstieg wollte Divock Origi lieber nichts sagen.

Der belgische Angreifer ist derzeit vom FC Liverpool an den Volkswagen-Club ausgeliehen. Für die Frage, wo der 23 Jahre alte VfL-Hoffnungsträger für die Relegations-Zitterspiele gegen Holstein Kiel am Donnerstag und Montag kommende Saison spielen werde, seien in Wolfsburg andere zuständig. Nur wer?

Jörg Schmadtke steht kurz vor einem Engagement als Sport-Geschäftsführer beim Erstliga-Drittletzten. Die Personalie soll erst nach der Relegation verkündet werden – wenn klar ist, in welcher Liga der bislang mit 60 bis 70 Millionen Euro pro Jahr vom VW-Konzern unterstützte Club künftig spielt. Wie hoch die finanziellen Zuwendungen für den Fall der Zweitklassigkeit seien werden? Unklar!

Immerhin bekräftigte der neue VfL-Aufsichtsratschef und VW-Vorstandsmitglied Frank Witter zuletzt, dass der Autobauer sein über Jahre liebstes Prestige-Spielzeug nicht im Stich lasse. "Am Ende des Tages gehen wir den Weg gemeinsam – und wenn es in die 2. Liga ist. So sehr wir das alle vermeiden möchten, würden wir auch das in der Gemeinsamkeit schaffen und überstehen, das muss unser Anspruch sein", sagte der 58 Jahre alte ehemalige Fußball-Profi.

Dass es für einen finanziell so üppig ausgestatteten Verein überhaupt so weit kommen könnte, liegt natürlich an Fehlern beim VfL selbst. In erster Linie aber an VW. "Da kriegen wir sicherlich zu Recht einige unangenehme Fragen gestellt", gestand Witter. Mit dem Bekanntwerden des Abgas-Skandals beim früheren Vorzeige-Unternehmen im September 2015 begann auch der sportliche Abstieg des einstigen Bayern-Jägers.

Noch in der Ära von Trainer Dieter Hecking und Sportchef Klaus Allofs, die den VfL in die nationale Spitze geführt und zum Pokalsieger 2015 gemacht hatten, war der Verein lange Zeit gelähmt. Die Frage, welche finanziellen Folgen der VfL angesichts der VW-Dauerkrise zu befürchten habe, bestimmte die Planungen. Der Konzern habe durchaus andere Probleme, hieß es immer wieder. "Ist doch auch logisch", sagten Hecking und Allofs gebetsmühlenartig.

Im Oktober 2016 musste Hecking gehen, zwei Monate später schasste VW auch Allofs - eine der wenigen Entscheidungen, die der Konzern in Bezug auf seine Fußballtochter seit 2015 traf. Allofs' Posten in der Geschäftsführung ist bis heute unbesetzt. Die Suche nach einem Nachfolger stünde angesichts durchaus anderer VW-Probleme nicht auf der Prioritätenliste, hieß es mal wieder.

Als Sportchef, aber eben nicht als Geschäftsführer, durfte sich fortan Allofs' vorheriger Assistent Olaf Rebbe bewähren. Erfolglos, wie nun bekannt ist. Nach dem Aus für Allofs musste der frühere VW-Top-Manager und –Steuerfachmann Wolfgang Hotze das Amt des leitenden Geschäftsführers übernehmen. Dabei wollte der 65-Jährige längst im Ruhestand sein. Die aktuell nur aus Hotze und Tim Schumacher bestehende Geschäftsführung besitzt kaum Fußball-Fachwissen, was sie zuletzt oft genug unter Beweis stellte.

Das Duo ließ Rebbe gewähren, als dieser binnen anderthalb Jahren drei Trainer mit unterschiedlichen Philosophien engagierte und noch dazu Nationalstürmer und Kapitän Mario Gomez in der Winterpause zum VfB Stuttgart gehen ließ. Der VfB spielt nun womöglich in der Europa League, Wolfsburg muss zum zweiten Mal in Serie in die Relegation.

Und der von VW dominierte Aufsichtsrat? Die Probleme des Konzerns waren immer noch deutlich größer als die der Fußballtochter. Dabei stand Rebbe seit dem Winter auch bei VW in der Kritik. Die Suche nach einem Nachfolger gestaltete sich schwierig und wieder war der VfL gelähmt, als es im April einen erneuten Konzern-Führungswechsel gab – genau zu dem Zeitpunkt, als die sportliche Lage in der Liga immer prekärer wurde. Auch der Aufsichtsrat des VfL musste notgedrungen umgebaut werden, hochrangige VW-Manager waren einfach nicht mehr da.

Der neue Boss des Kontrollgremiums macht offenbar plötzlich mehr Druck als Vorgänger Francisco Javier Garcia Sanz. Nun steht Schmadtke bereit. Für die Rettung könnte es zu spät sein.

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