DFL-Entscheidung 50+1-Regel auf wackeligem Grund

Frankfurt/Main · Nach dem Beschluss der Bundesligaclubs die Investoren-Regeln 50+1 zu erhalten, müssen Juristen für Rechtssicherheit sorgen oder Änderungsvorschläge machen.

 Fans von Hannover 96 protestieren für die 50+1-Regel vor dem Stadion des Fußball-Bundesligisten.

Fans von Hannover 96 protestieren für die 50+1-Regel vor dem Stadion des Fußball-Bundesligisten.

Foto: Peter Steffen

Die 50+1-Regel hat weiter Gültigkeit für die Fußball-Bundesligen, Experten halten sie aber für juristisch angreifbar.

"Es muss geklärt werden, was die rechtlichen Schwachpunkte sind", sagte Frank Wettstein, Vorstandsvorsitzender des Hamburger SV. "Das Ziel soll ja sein, 50+1 beizubehalten."

Keinen Zweifel hat der Sportrechtsexperte Paul Lambertz, dass die Investorenregel vor Gericht zu kippen ist. "Ja, die 50+1-Regel ist auf jeden Fall justiziabel", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Jedes Mitglied der DFL und "sehr wahrscheinlich auch jeder ernsthafte Investor könnte gegen die Regel klagen, wenn er sich in seinen Rechten verletzt" sehe.

Die Deutsche Fußball Liga hatte am Vortag mehrheitlich für die Beibehaltung der 50+1-Regel, mit der eine komplette Übernahme von DFL-Clubs durch Investoren verhindert wird, gestimmt.

Lambertz, der eine Reihe von Bundesligisten berät, sieht besonders das Ständige Schiedsgericht der DFL - es muss zunächst von jedem Liga-Mitglied angerufen werden - als angreifbaren Schwachpunkt. "Nach dem Ständigen Schiedsgericht steht der Gang vor die ordentlichen Gerichte offen. Denn meiner rechtlichen Auffassung nach ist es kein echtes Schiedsgericht im Sinne der Zivilprozessordnung", erklärte der Kölner Rechtsanwalt, der selbst Schiedsrichter beim Deutschen Sportschiedsgericht (DIS) ist. Nur wenn es sich um ein echtes Schiedsgericht handeln würde, hätte dessen Schiedsspruch dieselbe Wirkung wie ein rechtskräftiges Urteil.

Aus seiner Sicht ist es kein echtes Schiedsgericht, weil dessen Vorsitzender Udo Steiner (Lambertz: "Ein über jeden Zweifel erhabener Jurist") von der DFL bestellt worden sei. In einem Verfahren könne zwar jede Partei noch einen Schiedsrichter für das Dreier-Gremium bestimmen, doch der Vorsitzende stehe schon fest. Lambertz: "Die DFL hat damit ein Übergewicht bei der Bestellung der Schiedsrichter."

Außerdem fände sich in der Schiedsordnung der DFL kein expliziter Hinweis darauf, dass das Schiedsgericht unter Ausschluss des ordentlichen Gerichtsweg entscheide. "Ein solcher Hinweis ist zwingend notwendig, um den Parteien vor Augen zu führen, dass sie nicht vor die ordentlichen Gerichte gehen können", sagte Lambertz. "Und Nichtmitglieder können direkt vor den ordentlichen Gerichten klagen, da gibt es keine Besonderheiten."

Das Bestreben der DFL bleibt, die Regel zu erhalten, weil sie den "deutschen Fußball stark gemacht" habe, wie DFL-Präsident Reinhard Rauball sagte. Eine Modifizierung ist jedoch denkbar. "Wichtig wird sein, dass die Mitglieder der DFL erst einmal ein gemeinsames Verständnis dafür entwickeln, was sie mit der 50+1-Regel erreichen wollen", sagte Lambertz.

Für ihn sind einige Änderungen denkbar, durch die die Zustimmung für Großinvestoren mit 51 Prozent Stimmanteil in DFL-Vereinen größer werden könnte. Dazu könnte die Verpflichtung der Clubs durch die DFL gehören, dass Gesellschaftsanteile erst nach fünf oder zehn Jahren verkauft werden könnten. "So würde man sicherlich die Investoren abschrecken, die nur aus kurzfristigen Bestreben nach Kapitalmaximierung Anteile an Bundesligisten kaufen wollen", argumentiert Lambertz.

Außerdem könne man auch verlangen, dass dem Verein immer ein Vorkaufsrecht eingeräumt werden muss. "Das wären erste Ideen, Investoren zuzulassen, aber dennoch die Besonderheiten des Fußballs zu bewahren", meinte Lambertz.

Martin Kind, der die 50+1-Debatte in Gang gebracht hat, weil er mit einer Ausnahmeregelung die Mehrheit an der Kapitalgesellschaft bei Hannover 96 übernehmen will, entzieht sich diesen Überlegungen. "Damit habe ich nichts zu tun. Das ist Sache des Präsidiums der DFL", sagte der Präsident des niedersächsischen Clubs. Wie er mitbekommen habe, werde ein Unternehmen beauftragt, "mit den 36 Vereinen in Kontakt zu treten und Ideen und Vorschläge abzufragen".

Viele Fußball-Anhänger freuen sich über die Entscheidung. Die Organisatoren der Fan-Initiative "50+1 bleibt!" wollen sich weiter für den Erhalt der Investoren-Regel einsetzen. "Es war gestern ein sehr, sehr deutliches Zeichen, dass 50+1 beibehalten werden soll. Aber es gilt, das Ganze weiter kritisch zu begleiten", sagte Manuel Gaber, einer der Initiatoren der Kampagne, der dpa. "Wir werden schauen müssen, wie die DFL den weiteren Prozess gestalten wird." Rund 3100 Fanclubs und Organisationen hatten eine Petition zum Regel-Erhalt unterschrieben.

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