Interview Ex-Schiedsrichter Merk zum Videobeweis: "Absolut notwendig"

Berlin · Ex-Schiedsrichter Markus Merk ist "gespannt", wie die Neuerungen zum Videobeweis in der neuen Bundesliga-Saison funktionieren. Der Sky-Experte bewertet im Interview die Modifikationen und das Gesamtniveau der deutschen Referees.

 Der ehemalige Schiedsrichter Markus Merk bewertet den Videobeweis.

Der ehemalige Schiedsrichter Markus Merk bewertet den Videobeweis.

Foto: Julian Stähle

Mit einigen Neuerungen soll der Videobeweis in der kommenden Saison der Fußball-Bundesliga verbessert werden. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur bewertet der deutsche WM-Rekordschiedsrichter und Sky-Experte Markus Merk die Maßnahmen - und sagt, was er sich noch wünschen würde.

Markus Merk...

zur kalibrierten Abseitslinie: "Es sind die richtigen und die zu erwartenden Schlüsse gezogen worden. Ich weiß von meiner Arbeit als Sky-Experte, wie schwierig es ist, die richtige Abseitslinie zu ziehen. Wenn man in die Nähe der hundertprozentigen Gerechtigkeit kommen will, braucht man eine Technisierung. Ich bin gespannt, wie es in der Umsetzung funktioniert. Bei der WM wurde die Abseitslinie nur in zwei oder drei Fällen gebraucht und auch da war sie einmal zweifelhaft. Ich bin gespannt, aber auch zuversichtlich, dass die Technik richtig funktioniert."

zur Information für die Zuschauer: "Die Zuschauer im Stadion waren doch ziemlich alleingelassen. Im ersten Schritt schafft man es jetzt, die Zuschauer zu informieren, wie und auf welcher Grundlage die Entscheidung nach Intervention des VAR getroffen wurde. Der Fan will aber die Szene sehen oder hören, dass der Schiedsrichter sich persönlich meldet. Bei der WM wurden die Szenen noch im Stadion gezeigt. In der Bundesliga ist man aber bei der Technik und den Menschen, die sie bedienen, noch einen Schritt weit entfernt. Eins darf man dabei auch nicht vergessen: Wenn ein Bild gezeigt wird, das für den Zuschauer nicht stimmig ist, kann die Eskalation im Stadion ins Uferlose gehen. In puncto Transparenz ist es insgesamt aber ein absolut notwendiger Schritt."

zur Möglichkeit, dass die Schiedsrichter ihre Entscheidungen über ein Headset ansagen: "Das könnte höchstens aus Showgründen wünschenswert sein. Ich habe immer gesagt, dass sich der Fußball gegen Technik nicht wehren kann. Man muss auch in andere Sportarten schauen, wie sie es machen. Aber es sind eben andere Sportarten. Im American Football hat der Head Referee eine ganz andere Funktion. Er hat nicht Puls 200 durch die physische Belastung. Im Fußball ist das ganz schwierig, das möchte ich dem Schiedsrichter nicht auch noch zumuten. Es wäre eine tolle Show, aber man muss es anders regeln."

zum Einfluss des Videobeweises auf das Ansehen der Schiedsrichter: "Ich habe es befürchtet, dass eine große Verunsicherung eintritt, die menschlich nachvollziehbar ist. Die Schiedsrichter haben einen kleinen Mann im Ohr und fragen sich, ob sie auf Nummer sicher gehen sollen in ihren Entscheidungen. Ich habe schon am dritten Spieltag gesagt, dass es sich schnell ändern muss, so dass die Schiedsrichter wieder Entscheider und die Assistenten wieder Assistenten sind. Man hat geschafft, dieser Aufgabenteilung wieder gerecht zu werden."

zum Gesamtniveau der deutschen Schiedsrichter: "In der Spitze war es bestimmt so, dass wir in den Jahrzehnten sehr breit aufgestellt waren. Es gab einen großen Kampf, welcher Schiedsrichter zu einer EM oder WM fährt. In den letzten zwei, drei Jahren haben wir einen Riesenumbruch gehabt, knapp 50 Prozent gingen aus Altersgründen verloren. Das war eine Mordsaufgabe, das lässt sich nicht von heute auf morgen zu 100 Prozent lösen. Es gibt viele junge Schiedsrichter, die sich gut etabliert haben. Dieser Sprung ist aber nicht einfach. Die Schiedsrichter müssen sich zusätzlich an die technische Revolution gewöhnen."

ZUR PERSON: Markus Merk (56) war in der Bundesliga von 1988 bis 2008 in 338 Partien aktiv. Bei den WM-Endrunden 2002 und 2006 leitete er fünf Spiele, mehr Einsätze hat kein deutscher Referee. Bei der EM 2004 pfiff er das Finale zwischen Griechenland und Portugal.

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