Südtribüne gegen Wolfsburg gesperrt Ein Riss geht durch die Gelbe Wand

DORTMUND · Borussia Dortmund hat das DFB-Urteil akzeptiert: Im kommenden Bundesliga-Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg bleibt die Südtribüne leer. Die Krawalle gegen Leipzig haben auch das Fanlager von Schwarz-Gelb gespalten.

 Stein des Anstoßes: Die Transparente auf der Dortmunder Südtribüne während des Spiels gegen Leipzig.

Stein des Anstoßes: Die Transparente auf der Dortmunder Südtribüne während des Spiels gegen Leipzig.

Foto: AP

„Wie ist die Stimmung“, fragt BVB-Stadionsprecher Norbert Dickel. Seine Stimme erhebt sich, wenn er die Frage zu Ende stellt: ... „auf der Südtribüne?“ Als Antwort kommt Gebrüll aus 25.000 Kehlen zurück. Gut ist die Stimmung, soll das heißen. Bestens. Wie immer, wenn Borussia Dortmund zum Heimspiel bittet, ist die größte Stehplatztribüne Europas voll. 90 Prozent der Tickets sind Dauerkarten, teils seit Jahrzehnten von Generation zu Generation weitergegeben. Mindestens genauso lange steht „die Süd“ als Synonym für großartige Fußballatmosphäre.

Bis zu jenem Samstag, dem 4. Februar, als Bundesliga-Aufsteiger RB Leipzig erstmals in die selbsternannte Fußballhauptstadt kam. Nach diesem Tag war die Südtribüne nicht mehr länger die „Gelbe Wand“, stattdessen schimpfte der Boulevard auf eine „Wand der Schande“. 60 Banner waren vor Anstoß der Partie auf der Tribüne hochgehalten worden, der Verein schätzt etwa 25 von ihnen als strafrechtlich relevant ein. „Burn out Ralle – häng dich auf“ – in Anspielung auf eine Erkrankung des Leipziger Sportdirektors Ralf Rangnick – oder „Pflastersteine auf die Bullen“ lauteten die Botschaften, die den unbeliebten Gegner verunglimpfen sollten. Am Ende hatten die Urheber sich selbst, mehr aber noch ihrem Verein und ihren Mitfans geschadet.

Die Fans von Borussia Dortmund sehen sich gerne als Liebhaber eines Traditionsvereins. 1909 gegründet, von einem Sportplatz auf der „Weißen Wiese“ in die „Kampfbahn Rote Erde“ und später ins Westfalenstadion umgezogen, stieg der Club zu jenem Aktienunternehmen auf, das er heute ist. 140.000 Mitglieder zählt der eingetragene Verein, mehrere Hundert Fanclubs und über 55.000 Dauerkarteninhaber sind Ausdruck dessen, was der Verein vor einigen Jahren als Marketingslogan schützen ließ: „Echte Liebe“.

Uneinigkeit im Fanlager

Auch dieser Slogan hat durch das RB-Spiel gelitten. „Echte Hiebe“ prangerten die Leipziger Fans an, die an jenem Samstag nicht nur per Spruchband beleidigt, sondern auch vor dem Stadion tätlich angegriffen wurden. Dafür verantwortlich macht die Polizei allen voran das „Bündnis Südtribüne“. Ein Zusammenschluss vieler Fanclubs und vor allem der Ultras, die in den Blöcken 12 und 13 der Südtribüne, unmittelbar hinter dem Tor, seit mittlerweile über 15 Jahren den Ton angeben. Die Gruppen hören auf die Namen „The Unity“, „Desparados“ oder „Jubos“, rund 400 überwiegend junge Leute. Doch für die Banner waren auch andere, ältere Fanclubs verantwortlich.

Während nun bundesweit über Schuld und Mitschuld, Sanktionen und Auswirkungen diskutiert wird, herrscht im BVB-Fanlager vor allem Uneinigkeit. Im Internet startete der BVB-Fanclub „Herzblut Schwarzgelb“ eine Petition gegen Gewalt, elf weitere Fanclubs schlossen sich an, 5000 Unterzeichner gibt es bislang. Vor dem DFB-Pokalspiel gegen Hertha BSC initiierten das einflussreiche Fanmagazin „Schwatzgelb.de“ und die Fanabteilung mit ihren 15.000 Mitgliedern eine Anti-Gewalt-Aktion. Plakate wurden – auch auf weiten Teilen der Südtribüne – hochgehalten. In den Ultrablöcken hinter dem Tor wurde unterdessen munter gehüpft und gesungen.

Ein Riss geht durch die „Gelbe Wand“, davon zeugt auch die knappe Stellungnahme des Bündnis: „Die Ereignisse, die am Spieltag vor dem Stadion Rote Erde passiert sind, sind nicht die Protestform, für die das „Bündnis Südtribüne“ steht“, hieß es von dort. Vielen Fans reicht das als ernst gemeinte Reue nicht aus.

Sperrung der Südtribüne galt als unmöglich

Vergangene Woche trafen sich BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und der Dortmunder Fanrat, ein gewähltes Gremium aus allen Teilen der Fanszene. Ergebnisse der Gespräche will der Verein im Laufe der Woche präsentieren. Schon im Vorfeld hatte Watzke angekündigt: „Der BVB wird alles daran setzen, das Fehlverhalten der Anhänger aufzuklären und hart zu sanktionieren.“

Stadionverbote für ermittelte Täter gelten als sicher, für eine Dauer von bis zu fünf Jahren kann der Verein diese ausstellen. Kollektivstrafen gegen die Ultras und das Bündnis stehen außerdem im Raum. Schon vor der Saison hatte der BVB den Ultragruppen die sogenannten Auswärtsdauerkarten gestrichen, nachdem diese beim DFB-Pokalfinale gegen Bayern München ausgiebig Pyrotechnik abbrannten. Seither drohte dem BVB – für den Fall einer erneuten Fanverfehlung – auch jene Strafe, die in Dortmund stets für unmöglich gehalten wurde: Ein Aussperrung der Südtribüne.

Wenn Norbert Dickel am kommenden Samstag vor dem Spiel gegen den VfL Wolfsburg vor die Fantribüne tritt, wird er von dort kein Geschrei ernten. Keine Sprechchöre zu hören bekommen, keine Fahnen wehen sehen. Erstmals in der Geschichte des BVB-Stadions werden die zwölf Blöcke im Süden bei einem Pflichtspiel leer bleiben müssen. Ein entsprechendes Urteil des DFB-Kontrollausschusses hat der Verein am Montag akzeptiert.

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