DFB-Keeper Neuer in der Sonne, Ulreich im Fokus - WM-Problem Torwart?

München · Von wegen gesegnetes Torwartland. Die Verletzung von Manuel Neuer und die Formschwäche mehrerer potenzieller Ersatzmänner könnte für Joachim Löw noch zum WM-Problem werden. Als Lösung bringt der Bundestrainer nun eine gut erprobte Münchner Variante ins Spiel.

 Fällt schon länger aus: Nationaltorwart Manuel Neuer.

Fällt schon länger aus: Nationaltorwart Manuel Neuer.

Foto: Sven Hoppe

Auf diesen Sommer-Urlaub mitten im Februar würde Manuel Neuer sicherlich gerne verzichten. Für seinen langen wie schwierigen Weg zum erhofften Comeback noch zur Fußball-WM in Russland lässt der Bayern-Schlussmann nach seinem zweitem Fußbruch nichts unversucht.

In wärmeren Gefilden setzt der DFB-Kapitän sein Reha-Programm in Absprache mit den Ärzten fort und steht natürlich in engem Kontakt mit Joachim Löw. Im frostigen München musste der Bundestrainer als Tribünengast des Bayern-Spiels gegen Schalke 04 das nächste Durchhalte-Bulletin in Sachen Neuer abgeben. "Ich habe mit ihm diese Woche telefoniert, um mich zu erkundigen. Er ist guter Dinge. Er hofft, dass er demnächst ins Training einsteigt. Ich gehe davon aus, dass alles okay ist", sagte Löw bei Sky. Die Hoffnung auf eine rechtzeitige Rückkehr des besten deutschen Torhüters, der letztmals im Oktober 2016 im Nationaltrikot spielte, ist also unverändert.

Die Aussagen von Löw zu Neuers Münchner Stellvertreter Sven Ulreich waren aber ein unerwarteter wie deutlicher Fingerzeig, dass die Torwartfrage für die Titelmission in Russland problematischer werden könnte, als im vermeintlich mit Weltklasse-Torhütern gesegneten Weltmeisterland lange angenommen wurde.

"Er ist in unserem Blickfeld", sagte Löw über Ulreich, der am Sonntag seinen Vertrag bei den Bayern bis 2021 verlängerte. Löw lobte dessen jüngste Leistungen fast schon überschwänglich. Bundestorwarttrainer Andreas Köpke äußerte sich etwas zurückhaltender. Auf die Frage, ob neben Neuer auch Ulreich nach Russland fahren könne, sagte Köpke am Sonntag bei WDR 2: "Das sehe ich problematisch." Fakt sei aber, "dass Sven Ulreich einen richtig guten Job macht, und deshalb ist er im Blickfeld der Nationalmannschaft".

Ulreichs plötzliche WM-Chance offenbart aber gerade auch die Schwäche der Konkurrenten. Außer Marc-André ter Stegen, der beim FC Barcelona auf höchstem Level Topleistungen liefert, kann derzeit kein deutscher Schlussmann einen WM-Platz für sich reklamieren - egal, ob Neuer es bis zum Nominierungsschluss am 4. Juni schafft oder nicht.

Im Idealfall braucht Löw nur einen Kandidaten für den unwichtigsten seiner 23 WM-Plätze als dritter Schlussmann. Doch sollte Neuer für Russland ausfallen, ist auch der nicht unwichtige Platz des ersten Torwart-Backups hinter dem derzeit gesetzten ter Stegen vakant.

Ausgerechnet vor den Augen von Löw katapultierte sich Schalkes oft als Geheimtipp gehandelter Ralf Fährmann am Samstag mit zwei unglücklichen Aktionen bei beiden Gegentoren erstmal aus dem Kandidatenkreis. "Ich bin keine Maschine", räumte er zerknirscht ein.

Bis zu den WM-Härtetests am 23. März gegen Spanien und vier Tage später gegen Brasilien wird es Neuer kaum schaffen. Zuletzt setzte Löw neben ter Stegen konstant auf Bernd Leno und Kevin Trapp als WM-Alternativen. Doch beide sind nicht ohne Makel. Leno patzte beim Confederations Cup und in der WM-Qualifikation gegen Aserbaidschan im DFB-Trikot mehrfach und wird bei Bayer Leverkusen international nicht geprüft. Trapp zeigte im Test gegen Frankreich in November eine gute Leistung, ist bei Paris Saint-Germain aber nur zweite Wahl.

"Nein, ich denke nicht", sagte Trapp nun der "Bild am Sonntag" auf die Frage, ob seine WM-Chancen gesunken seien. Er habe viel mit Bundestorwarttrainer Andreas Köpke über seine Situation gesprochen. "Beim DFB können sie das alles gut einordnen. Diese Gespräche helfen mir", sagte Trapp. "Meine Situation ist nicht aussichtslos, und ich fühle mich trotz allem sehr wohl hier", sagte der 27-Jährige. Die Lage in Paris hat sich für den früheren Frankfurter durch eine Rote Karte im Pokal aktuell nicht verbessert.

Andere Torwart-Kandidaten sind von dem von Löw geforderten Weltklasse-Niveau weit entfernt. Ron-Robert Zieler, beim WM-Triumph 2014 noch die Nummer 3, steckt mit dem VfB Stuttgart im Abstiegskampf, wie auch Olympia-Silbermann Timo Horn mit dem 1. FC Köln. U21-Europameister Julian Pollersbeck hat es nicht einmal beim Hamburger SV zur Stammkraft geschafft.

Pollersbecks Nachfolger in der U21, Alexander Nübel, ist bei Schalke noch im Schatten von Fährmann. Seine Ersatzleute Svend Brodersen (FC St. Pauli) und Nils Körber (Preußen Münster) spielen - wenn sie denn zum Einsatz kommen - in der zweiten und dritten Liga.

In Liverpool setzt Trainer Jürgen Klopp wieder auf Loris Karius. Doch fehlerfrei agiert der ehemalige Mainzer bei den Reds nicht. Immerhin kann er sich wie ter Stegen in den kommenden Wochen noch in der Champions League beweisen. Und dieses Plus hat auch Ulreich als einziger Bundesliga-Keeper. Fast schon übertrieben bescheiden reagierte der 29-Jährige am Samstag auf das Löw-Lob.

"Das ist eine Ehre, wenn er das sagt. Aber ich habe das schon oft gesagt, dass ich glaube, dass viele andere Torhüter eher auf den Zug aufspringen werden, weil sie jung sind und große Perspektiven haben. Da wäre es unfair, wenn einer zur WM mitfahren würde, der weniger spielt und sonst eher auf der Bank sitzt", sagte Ulreich.

Eine Parallele wäre Ulreichs spätes DFB-Debüt zum Turnier 2010, als Bayern-Keeper Jörg Butt nach dem Ausfall von René Adler ein Last-Minute-Ticket für Südafrika bekam. In Löws Masterplan steht aber die Genesung Neuers. "Ich bin auf einem sehr guten Weg", sagte der mehrmalige Welttorhüter Ende Januar. Löw sagte: "Er ist natürlich unheimlich wichtig für unserer Mannschaft. Er ist der Beste."

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