Nationaltorhüter Kapitän Harmonie: Neuers moderate Rolle beim Neuaufbau

Leipzig · Manuel Neuer ist kein Provokateur. Seine Rolle als DFB-Kapitän übt der Torwart eher wie ein Moderator aus. Wichtig ist ihm, dass die Stimmung in der Nationalmannschaft passt. Reicht das in Krisenzeiten? Für die Reizpunkte sind im Löw-Team jedenfalls andere zuständig.

 Nationaltorhüter Manuel Neuer ist um Harmonie im DFB-Team bemüht.

Nationaltorhüter Manuel Neuer ist um Harmonie im DFB-Team bemüht.

Foto: Jan Woitas

Ob Manuel Neuer auch mal mit der Faust auf den Tisch haut? Wenn es nicht läuft. So wie in diesem Jahr, bei der WM oder auch gerade beim FC Bayern. Der Ärger über jedes Gegentor ist Neuer anzusehen.

Dann fischt er den Ball aus dem Netz und schleudert ihn oft wütend Richtung Mittellinie. Aber abseits des Platzes? Da wirkt der Schlussmann - zumindest öffentlich - meist moderat. Fehlersuche, Erklärungen, aber auch Schuldzuweisungen kamen zuletzt nicht von ihm, sondern eher von Mats Hummels, Jérôme Boateng oder Toni Kroos.

"Wir verstehen uns sehr gut, die Harmonie müssen wir jetzt noch auf den Platz bringen", sagte Neuer beim Schul-Termin der Nationalspieler in Leipzig zur Stimmung in der Fußball-Nationalmannschaft vor dem Russland-Test am Donnerstag (20.45 Uhr). "Harmonie". Das Wort passt zu Neuer. Er ist in gewisserweise da auch mit Bundestrainer Joachim Löw seelenverwandt. Aber ist es die richtige Attitüde für einen

Löw hält zu seinem Torwart. Auch nach dem WM-Desaster des DFB-Teams ist klar, dass der 32-Jährige in den Pflichtspielen der Nations League in diesem Herbst als Nummer eins gesetzt ist. Im Test gegen Peru (2:1) im September durfte Marc-André ter Stegen ran. Für das Russland-Spiel bekam Neuer eine Einsatzgarantie von Löw. Die Ersatzmänner Kevin Trapp und Bernd Leno müssen sich gedulden.

Die Treue zu Neuer wurde Löw in der WM-Aufarbeitung von vielen Kritikern als ein Kardinalfehler ausgelegt. Neuers Platz im Tor wurde während der langen Verletzungspause nach dem erneuten Fußbruch freigehalten, obwohl ter Stegen auf Topniveau spielte. Für die Balance im Team war diese Personalentscheidung nicht förderlich. Das Leistungsprinzip schien ausgehebelt. Und Neuer hatte bei seinem monatelangen harten Kampf ums Comeback kaum Kapazitäten, sich um Hierarchien und Befindlichkeiten anderer zu kümmern. Er musste sich voll auf sich konzentrieren.

Nach dem WM-Fehlstart gegen Mexiko (0:1) war Neuer präsent. In Watutinki berichtete er im Duktus eines Führungsspielers von einer schonungslosen teaminternen Analyse. "Es zieht sich keiner aus der Verantwortung, wir haben viel miteinander gesprochen. Dabei nimmt keiner ein Blatt vor dem Mund und wir sagen uns ehrlich die Meinung", berichtete er damals. Aber er sagte auch: "Wichtig ist, dass wir an einem Strang ziehen. Es soll keine zwei Meinungen geben."

Als Fußball-Deutschland im September auf den erfolgreichen Neustart hoffte, hatte Neuer einen merkwürdigen Auftritt. Die Diskussion um eine Cliquen-Bildung im Nationalteam habe er nicht verfolgt. Ein öffentlich vieldiskutierter "Spiegel"-Artikel zum gleichen Thema wäre ihm nicht bekannt. Auf dem Pressekonferenz-Podium wirkte er fast ein bisschen teilnahmslos.

Neben ihm machten Thomas Müller und auch Jungstar Julian Brandt eine bessere Figur. Sie hatten eine Meinung: "Im Misserfolg gibt es viele Themen und Details, die genutzt oder benutzt werden, um Stimmungen darzustellen. Ich kann verneinen, dass es Risse im Team gibt", beteuerte Müller.

Neuer wirkt manchmal, als müsse er sich verteidigen. Als spüre er, dass er nicht mehr unantastbar ist. Dabei sind seine Leistungen solide. Bei den Bayern ist er trotz sieben Liga-Spielen in Serie mit mindestens einem Gegentor nicht Kern der Krise. Auch bei der WM war er als einer der wenigen auf turniertauglichem Niveau. Bei seinem Abspielfehler gegen Südkorea (0:2) war eh schon alles vorbei. "Ich bin in guter Form und mit mir im Reinen", sagte Neuer in Leipzig.

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