Fußball-WM Frankreich als starker Konkurrent der DFB-Auswahl

KÖLN · Die Equipe Tricolore hat beim 2:2 gegen Deutschland in Köln gezeigt, dass sie für die DFB-Elf im Sommer 2018 in Russland einer der stärksten Konkurrenten bei der Endrunde der Fußball-WM sein wird.

 Frankreichs Torschütze Alexandre Lacazette jubelt nach seinem Treffer zum 2:1.

Frankreichs Torschütze Alexandre Lacazette jubelt nach seinem Treffer zum 2:1.

Foto: dpa

Ein, zwei schnelle Schritte, dann hatte er den Ersten überlaufen. Mit einer Körpertäuschung ließ der junge Mann auch den Zweiten alt aussehen. Der Dritte, der ihn aufhalten wollte – das sei zu dessen Entschuldigung gesagt –, rutschte auf dem glitschigen Rasen weg. Erst der Vierte konnte dem rasanten Auftritt schließlich ein Ende bereiten und ihn zu Fall bringen. Regelgerecht. Denn es handelte sich nicht um einen dieser jungen Himmelsstürmer aus der gewaltig aufgestellten Stürmerlegion Frankreichs.

Es war ein Flitzer, der am Dienstagabend in Müngersdorf, unter Belustigung der Menge, in der Nachspielzeit einen Ordner nach dem anderen narrte. Ähnliche Vorfälle hatte es gleichwohl zuvor auch auf dem Platz gegeben. Diese Szenen mit höchstem Unterhaltungswert waren unverwechselbar den jungen französischen Stürmern zuzuschreiben. Insbesondere in der ersten Hälfte des Testspiels gegen Deutschland muss es der deutschen Defensive vorgekommen sein, als fege ein Wirbelsturm gnadenlos über sie hinweg.

Die Hochbegabten Kylian Mbappé (Paris), Alexandre Lacazette (FC Arsenal) und Anthony Martial (ManUnited) rannten, dribbelten und kombinierten in einer Weise, dass der grandiose Ruf, der ihnen vorauseilt, nicht ganz unbegründet scheint. Vor allem der dann doch sehr experimentell besetzten deutschen Außenverteidigung mit Liverpools Emre Can (ein defensiver Mittelfeldspieler) und dem Berliner Marvin Plattenhardt wurden ihre Grenzen deutlich aufgezeigt.

Französische Mannschaft als Titelfavorit

Dass die deutsche Elf länger als eine halbe Stunde ohne Gegentreffer blieb, war vor allem ihrem in Paris lange nicht berücksichtigten Schlussmann Kevin Trapp zu verdanken. Auch wenn der Treffer zum 2:2-Endstand in der Nachspielzeit durch den kurz zuvor eingewechselten Lars Stindl am Ende nicht unverdient war, die Franzosen waren lange die bessere Mannschaft.

Das Ergebnis, meinte dann auch Frankreichs Trainer Didier Deschamps, lenke davon ab, „was wir geleistet haben“. Weil: „Wir haben uns sechs, sieben Chancen herausgespielt nur durch unsere Schnelligkeit und Technik.“ Dann wurde der Weltmeister-Kapitän von 1998 noch gefragt, was die deutsche Mannschaft seiner noch voraus habe. Seine lakonische Antwort: „Mehr Erfahrung.“ Dass seine Mannschaft dennoch als einer der ganz großen Titelfavoriten in Russland angesehen wird, steht nicht erst seit dem vor allem in der ersten Hälfte spektakulären Auftritt in Köln fest.

Selbst die deutschen Protagonisten wie Frankreich-Kenner Trapp („Sie verfügen über eine brutale Schnelligkeit“) und Stindl („Mitfavorit? Auf jeden Fall, sie haben ganz hohe Ziele“) sind überzeugt, dass die Franzosen auf höchstem Niveau nicht viele Mannschaften vor sich haben. Selbst ohne angestammte Stars wie Paul Pogba (fehlte in Köln) und Antoine Griezmann (wurde eingewechselt) offenbarte sich, dass das Land über einen unglaublichen Reichtum an Hochbegabten verfügt, das weltweit seinesgleichen sucht.

Nicht ohne Stolz blicken die Franzosen auf ihre neue „Jeunesse dorée“, ihre goldene Fußballjugend. Als Mobilisierungsland für erstklassig ausgebildete Talente hat die Grande Nation selbst Brasilien schon den Rang abgelaufen. Eine ganze Schar Umworbener hat sich bereits herausgebildet. Von den bislang vier teuersten Spielern in der Geschichte des Fußballs stammen drei aus Frankreich: Mbappé, Ousmane Dembélé und Pogba. Nur beim Transfer des Brasilianers Neymar flossen mehr Millionen als bei diesen drei. Ein wenig erinnert die Situation an jene im Nachbarland. Denn auch in Deutschland kann Joachim Löw aus einem Füllhorn an versierten Talenten schöpfen. Das klingt erstmal prima.

Löw trotz bevorstehender Kader-Auswahl entspannt

Doch seit Wochen ist im Land eher ein Hang zum Mitleid für den Badener zu spüren, der demnach vor der anscheinend schwersten Aufgabe seit seinem Amtseintritt vor mehr als elf Jahren steht: die Auswahl der Richtigen 23 für Russland. Löw selbst allerdings erweckt nicht den Eindruck, sich durch derlei Überlegungen den Schlaf rauben zu lassen.

Nach dem Spiel in Köln wirkte er entspannt wie ein buddhistischer Mönch im Zustand tiefster Meditation. Nein, er werde keine schlaflose Nacht haben, sagte er im Hinblick auf die restliche Zeit bis zum Turnierbeginn in Russland am 14. Juni. Dann fragte er noch: „Warum soll ich mir Sorgen machen?“ Ja, warum eigentlich? Etwa darüber, dass gerade die Außenverteidiger in der Partie gegen die Franzosen überfordert wirkten? Nein, nicht wegen solcher Lappalien, zumal er mit Joshua Kimmich über Weltklasse auf der rechten Seite verfügt. Der eine oder andere Fehler in der Rückwärtsbewegung? Die hat Löw ja selbst gewissermaßen gefordert, indem er seine „Fehlerkultur“ ausgerufen hat. Denn nur dadurch könne seine Mannschaft lernen. Gegen Frankreich hat der Plan schon mal gut funktioniert.

Vielleicht meinte Löw auch deshalb, es sei ein „hochinteressantes Spiel“ gewesen. Ja sogar eines, wie man es „sich wünscht als Trainer“. Und überhaupt: Mit dem Jahr ohne Niederlage (erstmals beim DFB seit 1997), der überaus erfolgreichen WM-Qualifikation und dem Confed-Cup-Gewinn einer besseren deutschen Nachwuchsmannschaft sei er „hochzufrieden“. Und schließlich besänftigte er alle im Raum, die sich womöglich noch mit bösen Gedanken herumschlagen zum Jahresende, als gäbe er seinen Segen in der Christmette: „Nur nicht nervös werden.“

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