Deutschland schlägt England 1:0 Eine Heldentat zum Abschied

Dortmund · So enden also Märchen. Lukas Podolski, deutscher Fanliebling seit 13 Jahren, bestritt sein letztes von 130 Spielen für die Nationalmannschaft. Doch er verabschiedete sich nicht heimlich still und leise, sondern mit einer echten Heldentat.

In der 69. Minute im Test gegen England packte der Kölner seinen berühmten linken Hammer aus und drosch den Ball erbarmungslos in den Winkel – 1:0. Dabei blieb es bis zum Schluss. Es wurde laut in Dortmund verdammt laut. Die deutschen Fans unter den 60109 in dem Fußball-Tempel brüllten und feierten Podolski. Und der hätte wohl am liebsten jeden Einzelnen von ihnen gedrückt. Das aber hätte vermutlich zu lange gedauert, denn das Test-Länderspiel gegen die Briten musste ja noch zu Ende gespielt werden. Dennoch war es sein Abend, Poldis Abend. Er nahm Abschied von der Nationalmannschaft. Ging in der 84. Minute vom Platz. Und wird nicht mehr zurückkehren in den elitären Zirkel. Die Fans feierten ihn bei seiner Auswechslung, als gäbe es keinen Morgen.

Richtig Stimmung kam zunächst aber nur in der englischen Fankurve auf. Die Three Lions beherrschten das Spiel gegen eine deutsche Mannschaft, die auf Schlussmann Manuel Neuer, Julian Draxler, Mesut Özil, Mario Gomez und kurzfristig auch noch auf Sami Khedira verzichten musste. Dennoch stellte Bundestrainer Joachim Löw überraschend offensiv auf. Im Angriff bildete er fast eine Viererkette mit den jungen Wilden Leroy Sané, Julian Brandt, Debütant Timo Werner und – man wagt es kaum zu sagen – dem 31 Jahre alten Hasen Lukas Podolski.

Zunächst jedoch waren es die Engländer, die entschlossener vor das Tor kamen. Neuer-Ersatz Marc-André ter Stegen musste gegen den durchgestarteten Bamidelle Alli Kopf und Kragen riskieren (7.). Eine Minute später jagte Eric Dier den Ball über den deutschen Kasten. Um sich wieder in Stimmung zu bringen, ließen die deutschen Fans Lukas-Podolski-Sprechchöre auf ihren Helden niederprasseln. Es half zunächst nicht. Die DFB-Elf wirkte unorganisiert, beinahe hilflos gegen technisch versierte und eingespielte Briten.

Poldi wurde dennoch von den Fans gefeiert, die eine Choreografie angefertigt hatten. So verwandelte sich die Südtribüne in eine riesige Narrenkappe in schwarz-rot-Gold, darunter zu lesen: Poldi – ihr Prinz an diesem Abend. Und der hatte die Bedeutung des Augenblicks erkannt. Schon vor dem Anpfiff einige Sätze an die Fußball-Nation gerichtet. Gerne würde er jedem einzelnen hier die Hand schütteln, sagte er am Mittwochabend, denn es waren „geile Jahre. Und die Fans haben großen Anteil daran.“

Großen Anteil daran, dass es zur Pause noch 0:0 stand, hatte ter Stegen. Nachdem Adam Lallana nach einer halben Stunde den Pfosten getroffen hatte, war es Alli, der frei vor dem Tor in dem Mann vom FC Barcelona seinen Meister fand (40.). Eine Führung der Gäste wäre verdient gewesen. Sie zeigten in einem Spiel, das alles andere war als eines dieser Friede-Freude-Abschiedsspiele, in denen am Ende 33 Tore gefallen sind, die reifere, versiertere Spielanlage. Und Podolski? Er trat einmal in Erscheinung, als er seine berühmte linke Klebe auspackte. Der Ball landete jedoch im Dortmunder Nachthimmel (37.).

Nach dem Wechsel wurde die deutsche Elf etwas stärker. Und mutiger. Der Schuss des Leverkuseners Julian Brandt strich knapp am Pfosten vorbei (49.). Auf der anderen Seite brachte die starke englische Offensive die deutsche Abwehr ein ums andere Mal ins Wanken. Torjäger Jamie Vardy, Alli und Lallana kombinierten flüssig, tauchten häufig vor ter Stegen auf, trafen aber nicht. Doch die Deutschen kämpften sich zurück in die Partie. Standen sicherer und kamen in der Offensive besser zur Geltung. Sané aber verzog (73.).

Dann kam die 84. Minute, und es wurde beinahe so laut wie vor elf Jahren. Damals, bei der WM 2006, hatte Oliver Neuville in Dortmund in letzter Sekunde den Sieg gegen Polen herausgeschossen. Und so für einen Lärmpegel gesorgt, der selbst die Seismographen der Erdbebenstation in Bensberg kräftig ausschlagen ließ. Poldi, dessen Stern bei dem Heimturnier erst richtig aufging, saß da schon auf der Bank. Für ihn war Neuville gekommen. Am Mittwochabend wurde Poldi erneut ausgewechselt. Es flossen nicht wenige Tränen im weiten Rund. Podolski aber strahlte wie nur er strahlen kann. Er hatte sich und Fußball-Deutschland einen wunderbaren Abschied beschert. Mit einem Schuss wie im Märchen.

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