DFB-Pokalfinale Dortmund gegen Wolfsburg - Duell der Unterschiede

BERLIN · Am Samstag steigt in Berlin das DFB-Pokalfinale zwischen Borussia Dortmund und dem VfL Wolfsburg, den beiden Clubs, deren Umfeld kaum gegensätzlicher sein könnte. Der große GA-Vergleich vor dem Endspiel.

Als die Dortmunder Fans 1956 den ersten deutschen Meistertitel ihres BVB feierten, war die kreisfreie Stadt Wolfsburg gerade mal fünf Jahre alt und deren Rathaus noch im Bau. Der Sport steckte in den Kinderschuhen - und der nach Kriegsende gegründete VfL war ein Volkssport- und Kulturverein. Die Wahl der Vereinsfarbe soll auf Grün gefallen sein, weil der Kreisjugendpfleger in der Nachkriegszeit nur Stoff dieser Farbe vorrätig hatte.

[kein Linktext vorhanden]

Geschätzte 250.000 Menschen hatten sich am 24. Juni 1956 auf dem Borsigplatz versammelt. Eineinhalb Stunden brauchte der Autokorso im Begeisterungstaumel für die wenigen hundert Meter vom Bahnhof zum Rathaus. Die Kinder waren in den Vereinsfarben kostümiert, die Herren trugen gelb-schwarze Schlipse. Sie waren in jenen Tagen der letzte Schrei - so schildert es die Chronik der Website revierkick.de.

100.000 Fußballfreunde ließen es 2009 vor dem Wolfsburger Rathaus - gemessen an der zurückhaltenden Art der Niedersachsen - so richtig krachen. Es war das größte Fest in der Geschichte der Stadt. Anlass: der erste Fußball-Titel für den VfL, für den zuvor nur Armwrestler, Rasenkraftsportler, Judoka oder Feldhandballer deutscher Meister geworden waren. Für einen Ort, den es bis 1938 nicht gegeben hatte. Erst mit der Grundsteinlegung des Volkswagenwerkes war vom Nazi-Regime die "Stadt des KdF-Wagens" gegründet worden.

[kein Linktext vorhanden]Maloche und Fußball waren in der Ruhrpott-Stadt zu jener Zeit längst Kultur, obwohl der BVB bis dahin nur als vergleichsweise zartes Pflänzlein im Schatten des großen Nachbarn Schalke 04 vegetierte. Die "echte Liebe" zum BVB, heutzutage marktschreierisch als Slogan aus der Schublade von PR-Agenturen gezogen: Damals gab es sie wirklich. Heute mischen sich Eventhopper mit Sportanhängern. Das ist in Dortmund nicht anders als in Wolfsburg. In der gelben Wand lassen auch Vorstände, Anwälte und Lehrer sprichwörtlich die Sau raus und tatsächlich bei Torerfolgen volle Bierbecher auf Mitmenschen niederprasseln. Das grüne Mäuerchen bebt etwas kultivierter.

Am Samstag also steigt in Berlin das DFB-Pokalfinale zwischen diesen beiden Clubs, deren Umfeld kaum gegensätzlicher sein könnte. Hier 758 offizielle Fanclubs - laut BVB-Angaben liegen 350 weitere Anträge vor -, dort werden inzwischen 111 gezählt. Heimspiele in Dortmund sind per se ausverkauft. Der VfL fährt Aktionen, um die VW-eigene 30.000-Mann-Arena annähernd zu füllen.

Hinzu kommt die diametrale Mentalität der Trainer: Hier Jürgen Klopp in seiner rustikalen Hoppla-jetzt-komme-ich-Manier. Der Pöhler, der Straßenfußballer, der zu gerne mit dem DFB-Pokal noch einmal die große Sause über den Borsigplatz machen würde, bevor er den Platz für Thomas Tuchel räumt. Dort Dieter Hecking, zurückhaltend, analytisch, kein Sprücheklopfer. "Du solltest zur Identität eines Vereins passen", meint Hecking, der Anti-Kloppo.

Dortmund hat in der deutschen Fußballgeschichte einige Marken gesetzt: Die Schwarz-Gelben sind der erste deutsche Europapokalgewinner (1966 durch ein 2:1 gegen den FC Liverpool im Finale des Cups der Pokalsieger). Zudem weist die BVB-Vita acht deutsche Meisterschaften und drei DFB-Pokalsiege auf. In der Wolfsburger steht nur der Titel von 2009.

[kein Linktext vorhanden]So unterschiedlich ihre Tradition, im heutzutage wesentlichsten Punkt ticken beide Clubs synchron. Denn ob mit dem Investor VW im Hintergrund oder als Aktiengesellschaft - wie alle erfolgreichen Fußballunternehmen funktionieren der VfL und der BVB nach den Gesetzen der Wirtschaft. Statistiken der Top-Branchenkenner belegen das: die Experten von transfermarkt.de schätzen den Marktwert der Dortmunder Spieler auf aktuell 313,9 Millionen Euro, den der Wolfsburger auf 216,2 Millionen. Klar hinter Bayern München (551,3), aber auch deutlich vor dem Rest der Liga. Der Kader des 1. FC Köln wird aktuell auf 45,15 Millionen taxiert.

Verständlich, dass die Finalkontrahenten angesichts ihrer vergleichbaren finanziellen Möglichkeiten auch auf dem Transfermarkt konkurrieren. "Wir fischen sozusagen in einem Teich. Die Gruppe der Spieler, die für beide Clubs interessant sind, ist nicht groß. Da läuft man sich schon mal über den Weg", sagte Wolfsburgs Manager Klaus Allofs dem "Kicker". Und bestätigte, dass dies vergangenes Jahr am Flughafen in Turin passiert ist: "Wir wollten alle zu Ciro Immobile."

Ein bisschen Sport gehört im Profifußball aber glücklicherweise weiterhin dazu: Deshalb erlaubten sich die personell geschwächten Super-Bayern im Pokal-Halbfinale ihren Ausrutscher im Elfmeter-Duell mit Dortmund.

Das liebe Geld. Es verleiht Flügel. Aber, so ließ Dieter Hecking in gewohnter Sachlichkeit nach dem Bundesliga-Saisonabschluss in Köln durchblicken: Es kann auch blockieren. "Alle Welt sagt über uns, die machen das nur mit Geld", gab der 50-Jährige zu bedenken. Und, keineswegs wehleidig: "Der Druck ist deshalb bei uns vielleicht noch größer. Viele können sich gar nicht vorstellen, wieviel Arbeit hinter dem steckt, was wir in dieser Saison gezeigt haben."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort