Champions-League Glanzvoller Auftritt, der den tristen Bundesliga-Alltag vergessen lässt

Istanbul · Als der Schlusspfiff ertönt war und sich der Tross der Dortmunder Profis in Bewegung setzte, um sich bei den rund 3000 mitgereisten Fans zu bedanken, trotteten Ilkay Gündogan und Shinji Kagawa Arm in Arm hinterher. Gündogan knuffte den japanischen Kollegen spielerisch in die Seite, und auch sonst wurde mehr als deutlich: Die beiden hatten ihren Spaß.

Warum auch nicht nach einem erneut glanzvollen Auftritt inder Champions League, der den tristen Alltag in der Liga für einen Momentvergessen ließ. Vor allem in der mitreißenden ersten Halbzeit spielte der BVBseinen überforderten Gegner Galatasaray Istanbul förmlich an die Wand. DieBorussia agierte mit einem Tempoüberschuss, den sie zu drei Toren vonPierre-Emerick Aubameyang (2) und Marco Reus nutzte. Der vierte Treffer kurzvor Schluss durch Adrian Ramos zählte nur noch für die Statistik, daseinseitige Kräftemessen war längst entschieden.

Dortmundschoss also auswärts vier Tore. Natürlich ist das erst einmal erfreulich, dochwas viel schwerer wog, war der Umstand, dass es keinen Gegentreffer gegebenhatte. Nach all den filmreifen Fehlleistungen in der Bundesliga ist dasdurchaus erwähnenswert. „Wir haben vieles gut gemacht und vor allem defensivstabil gestanden und es durchgezogen“, sagte ein sichtlich erleichterterTrainer Jürgen Klopp, dem noch vier Tage zuvor nach der Niederlage in Köln dieRatlosigkeit ins Gesicht geschrieben stand: „Heute haben wir vor allem auf derhintersten Linie angemessener verteidigt.“

Klopp hatteeiniges dazu getan, um die Sicherheit in der schwächelnden Defensivabteilung zustärken. So beorderte er mit Sokratis einen Innenverteidiger auf die linkeAußenbahn. Das war eine Maßnahme, die schon Jogi Löw bei der WM in Brasiliengewählt hatte, als er mit Benedikt Höwedes ebenfalls einen Mann aus dem Zentrumverschob, um mehr Robustheit zu generieren. Es klappte genau wie die Volte, mitKehl und Bender auf zwei zweikampfstarke Abräumer vor der Abwehr zu setzen. „Zunull ist für uns Verteidiger immer ein Highlight“, betonte Neven Subotic. Diesean sich profane Erkenntnis gelte derzeit für die Dortmunder ganz besonders,„nach allem, was wir in den letzten Wochen erlebt haben“.

Prandellisprach voller Ehrfurcht davon, man müsse diese Niederlage nicht dramatisieren.Schließlich habe man „gegen einen großen Gegner verloren, der aus dem Land desWeltmeisters kommt“. Diese Einschätzung stimmt nicht uneingeschränkt, dennwährend die Borussia im europäischen Vergleich regelmäßig glänzt, taumelte sieim heimischen Wettbewerb zuletzt von Pleite zu Pleite.

Im Revierdarf weiter trefflich gerätselt werden, warum in den beiden relevantenWettbewerben nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die Darbietungen so krassdivergieren. In der Champions League wurden bislang neun Punkte aus dreiBegegnungen bei einem Torverhältnis von 9:0 verbucht. So etwas bezeichnet manals makellos. In der Bundesliga steht dagegen mit sieben Punkte aus achtSpielen die Bilanz eines Abstiegskandidaten. Drei Mal spielte der BVB in dieserSaison zu null, und zwar jedes Mal, wenn es europäisch zuging. In der Ligagelang das nie.

So richtigweiß keiner zu erklären, warum es die beiden Gesichter der Dortmunder gibt. InIstanbul wurde Klopp gefragt, ob es daran liegen könne, dass die deutscheKonkurrenz die Borussia besser analysiert habe. „Es würde mich ehrlich gesagtüberraschen, wenn uns Arsenal, Anderlecht und Galatasaray nicht kennen würden“,hat der Trainer geantwortet: „Aber unsere Gegner in der Champions League wollenFußball spielen. Das macht es einfacher.“

Das sieht sein Kapitän ganz ähnlich: „In der ChampionsLeague ist es ein anderes Spiel“ sagt Mats Hummels, „wir haben hier mehr Räumefür unsere Konter.“

Nun gilt esalso, im nächsten Schritt auch mal wieder einen Gegner zu schlagen, der sichverbarrikadiert und auf Konter lauert. Am Samstag bietet sich die Gelegenheit.„Noch dreimal schlafen, dann steht Hannover da“, sagte Klopp: „Wir werden keineRäume mehr hergeben. Das ist der Plan.“ Und Sportdirektor Michael Zorcergänzte: „Jetzt einen Abend freuen und dann nachlegen.“ Gündogan, Kehl,Subotic, sie alle hatten ähnliche Statements im Repertoire. Der Zuhörer hatteden Eindruck, das ganze Szenario sei eine Wiedervorlage der Sequenzen nach demSieg in Anderlecht. Auch da beschwörten die Profis die Dringlichkeit, nun auchin der Liga die Trendwende zu schaffen. Das Ergebnis: 0:1 gegen denTabellenletzten aus Hamburg.

Mats Hummelsbekannte, dies sei „die erste Woche in meinem Leben, in der die Wünsche nacheinem Sieg in der Bundesliga größer sind als in der Champions League.“ In derNacht von Istanbul wurde mehr als deutlich, dass sich Borussia Dortmund ineiner Situation befindet, in der nur noch Ergebnisse zählen. Bevor Jürgen Kloppdas Stadion verließ, formulierte er das neue Anspruchsdenken so: „Wir müssenbereit sein für dreckige Siege.“

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