Reformen nötig WM 2022: UN sieht Fortschritte bei Arbeiterrechten in Katar

Doha · In vier Jahren beginnt die Fußball-WM in Katar. Überall in dem Emirat am Golf sind ausländische Arbeiter auf Baustellen im Einsatz. Menschenrechtler haben mehrfach ihre Ausbeutung kritisiert.

 Ein Spielort der Fußball-WM 2022: Das Khalifa International Stadion in Doha.

Ein Spielort der Fußball-WM 2022: Das Khalifa International Stadion in Doha.

Foto: Sharil Babu/dpa

UN-Experten und Menschenrechtler sehen Fortschritte bei der Lage von ausländischen Arbeitern im WM-Gastgeberland Katar, mahnen aber zugleich weitere Reformen an.

Ausländische Arbeiter bräuchten seit vergangenem Monat kein Ausreisevisum mehr, um das Land verlassen zu dürfen, sagte der Leiter des Büros der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Katar, Houtan Homayounpour, der Deutschen Presse-Agentur. Das sei ein "großer Meilenstein".

Katars Regierung habe in den vergangenen Monaten "in so kurzer Zeit so viel erreicht", erklärte Homayounpour weiter. Weitere Maßnahmen seien nötig. "Wenn sie weiter mit diesem Tempo voranschreiten, werden sie mehr erreichen". Katar befinde sich auf dem richtigen Weg.

Das kleine Emirat am Golf ist Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft 2022, die in rund vier Jahren beginnen wird. Für das Sportereignis werden sieben neue Stadien gebaut. Auf den Baustellen werden bis zu 36 000 ausländische Arbeiter im Einsatz sein.

In der Vergangenheit hatten mehrfach Berichte über die Ausbeutung von ausländischen Arbeitern und andere Menschenrechtsverletzungen in Katar international für Schlagzeilen gesorgt. Im Zentrum der Kritik steht das sogenannte Kafala-System, das ausländische Arbeiter an einen einheimischen Sponsor bindet. So brauchten diese bis vor Kurzem ein Ausreise-Visum ihres Arbeitgebers, um Katar verlassen zu dürfen.

Nach wie vor können ausländische Arbeiter in Katar ohne Einwilligung ihres Arbeitgebers aber praktisch nicht den Job wechseln. Homayounpour rechnet jedoch damit, dass das Kafala-System bis Ende nächsten Jahres ganz abgeschafft wird. "Die Regierung hat sich verpflichtet, das Kafala-System abzuschaffen, und wird es abschaffen", sagte er. Der ILO-Experte verwies zugleich darauf, dass Katar vor rund einem Jahr einen Mindestlohn eingeführt hat.

Katar ist dank seiner Gasvorräte eines der reichsten Länder der Welt. In dem Emirat leben rund 2,7 Millionen Einwohner, davon mehr als zwei Millionen Ausländer. Auf den Baustellen - auch denen der WM - sind vor allem Arbeiter aus Nepal, Indien und Bangladesch im Einsatz. Kritiker warfen dem Land immer wieder Todesfälle auf Baustellen, die Ausbeutung von Arbeitern und schlechte Unterkünfte vor.

So verweist die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) darauf, dass in Katar seit 2014 insgesamt 18 Arbeiter gestorben sind, die für die Arbeit auf Stadionbaustellen angeheuert worden waren. HRW beruft sich dabei auf Angaben des katarischen Obersten Komitees (OK), das für die WM-Infrastruktur verantwortlich ist.

Das Komitee hat in eigenen Inspektionsberichten 17 dieser Todesfälle dargelegt. Zwei Arbeiter seien bei Unfällen auf Stadion-Baustellen gestorben. Bei 15 weiteren handele es sich um "nicht die Arbeit betreffende" Todesfälle. So seien etwa Arbeiter in ihrer Unterkunft an Herzversagen gestorben. Der vom OK beauftragte externe Gutachter Impactt hatte im Frühjahr gleichzeitig Fälle von Arbeitszeiten von mehr als 72 Stunden pro Woche auf WM-Baustellen bemängelt.

Daneben gibt es in Katar zahlreiche Baustellen, die zwar nicht offiziell zur WM gehören, aber im Umfeld des Turniers angesiedelt sind. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte im September angeprangert, eine Firma habe auf solchen das Kafala-System ausgenutzt und Dutzenden Arbeitern über Monate keinen Lohn gezahlt.

"Wir haben festgestellt, dass sich etwas bewegt, wenn auch nicht von heute auf morgen", sagte Regina Spöttl, Katar-Expertin von Amnesty, der Deutschen Presse-Agenur. Noch immer müssten Arbeiter oft hohe Kredite für Arbeitsvermittlungsgebühren, die Reisekosten und das Visum aufnehmen. Wenn die Männer dann nicht bezahlt würden, könnten sie die Schulden nicht bedienen. "Es ist vorgekommen, dass einige Haus und Hof verkaufen mussten", sagte die Menschenrechtlerin.

Die Ausreisevisa seien zudem nicht für alle ausländischen Arbeiter abgeschafft worden, vielmehr gebe es Ausnahmen und Schlupflöcher, sagte Spöttl. Bei der Unterbringung der Arbeiter seien gute Ansätze zu erkennen, vieles bleibe aber "ein Tropfen auf den heißen Stein. Die meisten leben noch immer in überfüllten Massenquartieren".

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