Interview mit Max Eberl Der Sportdirektor über den Gladbacher Höhenflug

MÖNCHENGLADBACH · Max Eberl ist einer der Architekten des Gladbacher Höhenflugs. Mit seiner klugen Personalpolitik, zu der auch die Verpflichtung von Trainer Lucien Favre gehörte, trug der Sportdirektor maßgeblich zum Aufschwung der Borussia bei. Mit Eberl sprach Hartmut Eickenberg.

 Gut gelaunt vor dem Gespräch: Max Eberl mit GA-Redakteur Hartmut Eickenberg.

Gut gelaunt vor dem Gespräch: Max Eberl mit GA-Redakteur Hartmut Eickenberg.

Foto: GA

Herr Eberl, Mönchengladbach als erster Bayern-Jäger: Gefällt Ihnen diese Rolle?
Max Eberl: Man liest es gerne. Aber wir lassen uns davon nicht täuschen. Wenn man überhaupt in der Liga von Bayern-Konkurrenten sprechen will, dann sind das Leverkusen, Wolfsburg, Schalke und Dortmund. Zwei von ihnen schwächeln, und so finden sich Mannschaften wie Mönchengladbach und Hoffenheim in der Verfolgergruppe. Es ist aber ein weiter Weg, aus einem tabellarischen Zweiten einen hartnäckigen Bayern-Jäger zu machen.

Sportlich trennt Sie doch gar nicht so viel, wie das 0:0 vor zwei Wochen zeigte.
Eberl: Doch, Konstanz auf diesem hohen Niveau. Dass wir den Bayern in einem oder auch zwei Spielen ebenbürtig sein können, haben wir nicht nur einmal bewiesen. Was uns fehlt, ist, dieses Level über 34 Spiele zu halten. Da sind die Bayern einfach besser, dank ihrer internationalen Erfahrung sowie der Qualität und Tiefe des Kaders. Da reicht keine andere Mannschaft heran.

Haben Sie Bedenken, dass die Bayern die Meisterschaft auf Jahre hinaus beherrschen?
Eberl: Die Befürchtung wird ja immer wieder geäußert. Die Statistik sagt etwas anderes. In den letzten zehn Jahren gab es mit Bremen, Stuttgart, Wolfsburg, Dortmund und den Bayern fünf verschiedene Deutsche Meister. Auch wenn bei den Münchnern momentan alles zu passen scheint, von der Qualität des Kaders bis hin zum Trainer: Es gab in der Bundesliga immer Zyklen. Keine Mannschaft hat Deutschlands Fußball über zehn Jahre dominiert. Irgendwann trat eine Sättigung ein oder es gab gravierende Probleme, wie sie derzeit Borussia Dortmund hat. Auch die Bayern hatten sie, und ich bin überzeugt, dass sie sie auch wieder bekommen werden. Bayerns Einbruch heißt dann allerdings: Sturz von Platz eins auf zwei, bei anderen von eins auf zehn.

Momentan sieht es nicht nach einem Einbruch aus. Das heißt für Sie?
Eberl: Nicht in Tristesse verfallen, sondern unseren erfolgreichen Weg weitergehen. Wir müssen uns wehren, unseren Job noch besser machen. Es wäre doch traurig, wenn alle Kinder irgendwann nur noch das rote Trikot tragen.

Sie gelten heute als einer der kompetentesten Manager der Liga, der kluge Transfers eingefädelt hat wie die von Marco Reus, Dante, Roman Neustädter, Christoph Kramer, Max Kruse oder Thorgan Hazard. Ausgerechnet Berti Vogts, der Ur-Borusse, hat Ihnen vor Jahren die Tauglichkeit zum Sportdirektor abgesprochen.
Eberl: Als ich den Posten übernahm, hatte ich mit Gegenwind gerechnet. Als Fußballer war ich ja etwas limitiert, auch wenn ich für die Borussia 137 Bundesligaspiele bestritten habe. Danach, als Nachwuchskoordinator, stand ich nicht im öffentlichen Fokus. Als mir dann 2008 die Sportdirektorenstelle hier, bei einem von der Tradition her größten Clubs Deutschlands, angeboten wurde, gab es natürlich auch kritische Stimmen, die fragten: Was wollt ihr mit dem?

Wie haben Sie reagiert?
Eberl: Immer besonnen. Ich wusste, ich habe die Erfahrung. Die drei, vier Jahre als Jugendkoordinator waren eine perfekte Ausbildung. Ich habe überall Einblick bekommen: Finanzen, Personalpolitik, Spielerverpflichtungen. Marko Marin war 2005 mein erster Transfer, ihn habe ich aus Frankfurt in unsere Jugend geholt. Dann kamen Patrick Herrmann und Tony Jantschke. Du stehst nicht im Fokus und die finanziellen Dimensionen sind kleiner: Aber sonst ist die Arbeit eines Jugenddirektors der eines Bundesliga-Managers sehr ähnlich.

Mit Vogts ist alles im Reinen?
Eberl: Schon lange. Wir haben uns auf einer Geburtstagsfeier von Rainer Bonhof ausgesprochen. Heute haben wir ein sehr gutes Verhältnis.

Wenn man so will, lautete der kreative Borussen-Weg der ersten Eberl-Jahre als Sportdirektor: Talentierte Spieler nach Gladbach holen, sie weiterentwickeln und teuer verkaufen.
Eberl: Ja. Mit den Millionen, die wir für den Verkauf von Marko Marin nach Bremen erhielten, haben wir zum Beispiel Marco Reus, Roman Neustädter und Dante geholt. Mit der Ablöse für Reus kamen Xhaka, Dominguez, Hrgota oder de Jong. Das Geld vom FC Barcelona für Marc-André ter Stegen haben wir in Yann Sommer oder Thorgan Hazard investiert. Und so haben wir die Qualität gesteigert. Wir bedienen eine Nische: Spieler, die zu uns kommen, wissen, dass sie hier besser werden und sich für einen großen Verein empfehlen können.

Und wenn Sie dann im Champions-League-Finale wie 2013 in London einen Reus auf Dortmunder und einen Dante auf Bayern-Seite sehen ...
Eberl: ... klopfen wir uns auf die Schulter und sagen: Hey, das sind unsere Jungs. Die haben wir ausgebildet.

Was schätzen Sie an Lucien Favre?
Eberl: Im Sommer 2008, da war ich noch Jugendkoordinator und er Trainer bei Hertha, saß ich mit ihm zusammen, weil ich mich bei ihm über die herausragende Schweizer Nachwuchsarbeit informieren wollte. Wir haben stundenlang über Fußball philosophiert und festgestellt, dass unsere Ansichten fast deckungsgleich sind. Als wir im Februar 2011 tief im Abstiegsstrudel steckten, haben wir einen Trainer gesucht, der die Klasse hält, der aber auch unsere Spieler besser macht, die ja viel Potenzial besaßen. Für mich kam nur Favre in Frage. Als er kam, wusste er sofort, welche Hebel er bedienen musste. Und wir alle haben gespürt: Er tut dieser Mannschaft gut.

Der Trainer hat einen Vertrag bis 2017 - mit oder ohne Ausstiegsklausel?
Eberl: Wenn ein Weltclub kommt, dann ist es egal, ob es eine Klausel gibt oder nicht. Wenn er einen anderen Weg gehen will, muss man sich zusammensetzen. Aber ich weiß, dass Lucien Favre von diesem Club zu 100 Prozent überzeugt ist. Wir leisten gute Arbeit, wir haben Spaß, wir haben Erfolg. Ich mache mir keine Sorgen. Favre passt perfekt zu Gladbach - und Gladbach zu ihm.

Das Thema Reus kocht gewaltig hoch. Wie bewerten Sie die aktuelle Wechseldiskussion, die ja durch eine Indiskretion aus München losgetreten wurde?
Eberl: Vertragsinhalte gibt man nicht preis. Sie haben in der Öffentlichkeit nichts zu suchen - weder die eigenen noch die eines Mitkonkurrenten. Das ist meine Meinung. Die Spekulationen nehmen ja kein Ende: Bayern, ManCity, Arsenal, Real - jeder hat eine neue Info. Marco tut mir leid, weil er unverschuldet zum Zankapfel geworden ist.

Das Bayern-Interesse an Reus ist ja legitim.
Eberl: Dagegen hat keiner etwas. Ich habe nur etwas dagegen, wenn man zu Mitteln greift, die nicht sauber sind.

Dortmund hat damals auch eine Ausstiegsklausel in Reus' Vertrag in Gladbach genutzt und ihn für 17,5 Millionen gekauft.
Eberl: Ja. Und wir haben es mannhaft hingenommen. Übrigens waren damals auch die Bayern schon an Marco dran, aber er hat sich für den BVB entschieden.

Warum überhaupt eine Ausstiegsklausel?
Eberl: Als wir 2011 den Vertrag mit Marco verlängert haben, waren wir Tabellenletzter. Hätten wir ihm die Ausstiegsklausel nicht gewährt, hätte er nicht unterschrieben. Ohne Klausel hast du auf dem Markt einen Nachteil. Ich würde gerne sagen: Ich mach's nicht, ich kann es aber nicht. Dann sagt der Spieler: Okay, gehe ich halt nach Leverkusen oder Wolfsburg.

Wie erfährt man in Ihrer Branche von solchen entscheidenden Details? Werden Sie von Beratern lanciert? Sie haben beim Transfer von Max Kruse aus Freiburg auch von einer Ausstiegsklausel profitiert.
Eberl: Bei Kruse wusste ich, dass er schon in St. Pauli eine solche Klausel besaß. Der Gedanke, dass das auch in Freiburg der Fall sein würde, lag also nahe. In Gesprächen mit seinem Berater kommt dann irgendwann die Frage: Ist ein Wechsel trotz laufenden Vertrages machbar? Bei Kruse kam die Antwort: Ja, es ist machbar. Viele sagen: Ausstiegsklauseln sind eine Katastrophe. Ich sage: Wenn es für alle gewinnbringend ist, wie bei uns im Fall Reus, kann ich damit leben.

Skurriles Thema zum Abschluss: Der Bundesliga-Sender Sky beschäftigt neuerdings einen Lippenleser, der die Trainer bei Anweisungen an die Spieler beobachtet, wie am Samstag bei Bayern gegen Dortmund.
Eberl: Ich wusste davon nichts, ich fand's höchst befremdlich und bedenklich. Man schränkt den Freiraum des Trainers erheblich ein, wenn man in diese sehr persönlichen Zonen eindringt. Ich werde das Thema bei der nächsten Managertagung zur Sprache bringen.

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