Formel 1 "Mercedes hat das schnellste Auto"

BONN · Formel-1-Experte Christian Danner sieht die Dominanz der Silberfeile in der Konstruktion des Boliden.

 Nicht zu stoppen: Die Silberpfeile von Nico Rosberg und Lewis Hamilton.

Nicht zu stoppen: Die Silberpfeile von Nico Rosberg und Lewis Hamilton.

Foto: dpa

Vier Weltmeister-Titel in Serie, in dieser Zeit 34 Grand-Prix-Siege und 53 Podestplätze - vier Jahre lang dominierte Sebastian Vettel die Königsklasse des Motorsports nach Belieben und prägte eine ganze Ära. Doch in dieser Saison fährt der Heppenheimer der Konkurrenz hinterher. Getreu des Ausspruchs "Der König ist tot, es lebe der König", hält sich die Spannung der aktuellen Formel 1-Saison dennoch in Grenzen. Es gibt einen neuen Dominator: Mercedes.

Nur das interne Silberpfeil-Duell zwischen dem WM-Führenden Nico Rosberg und Lewis Hamilton sorgt aktuell für Adrenalinschübe. Neun der elf bisherigen Rennen machten die beiden Mercedes-Piloten unter sich aus, die beiden weiteren Grand-Prix-Erfolge sicherte sich Red Bull-Talent Daniel Ricciardo. Die Konstrukteurswertung führt Mercedes mit 174 Zählern Vorsprung auf Red Bull an. In der Fahrerwertung beträgt Rosbergs Vorsprung auf Hamilton gerade einmal elf Zähler, der Brite liegt aber 60 Punkte vor Ricciardo. Der bisherige Alleinunterhalter Vettel rangiert aktuell auf Platz sechs.

"Das ist charakterbildend. Er arbeitet unglaublich hart und wird auch diese Phase überstehen", sagte Red Bull-Teamchef Chris Horner: "Er kommt zurück." Im Kampf um den Titel allerdings nicht mehr in dieser Saison.

Seit Jahren ändern die Formel-1-Macher die Regeln der beliebtesten Motorsport-Serie nach Gusto und greifen so - ob bewusst oder unbewusst - aktiv in den Kampf um die WM-Krone ein. Die Fachzeitschrift "auto, motor und sport" zählte alleine seit 2005 77 gravierende Regeländerungen. Diese Reformen sind aber nicht, wie oft fälschlich angenommen, die Hauptursache für die Dominanz der Silberfeile.

"Auf dem Papier gibt es keinen Grund, warum nicht auch einmal ein Fernando Alonso, ein Sebastian Vettel oder auch ein junger Valtteri Bottas gewinnen sollte. Aber Mercedes hat einfach das schnellste Auto", so Formel-1-Experte Christian Danner auf GA-Anfrage: "Das Auto ist von der Fahrbarkeit einfach am besten. Der Pilot bekommt genau das, was er haben will. Wenn er nur leicht aufs Gas drückt, bekommt er wenig Gas. Will er mehr, bekommt er mehr."

Nach den enttäuschenden letzten vier Jahren mit gerade einmal vier Grand-Prix-Siegen will das Team von Toto Wolff in diesem Jahr offenbar mehr. "Mercedes hat seine Lektion gelernt. Wenn man Red Bull schlagen will, muss man ein paar Briketts drauflegen. Niki Lauda hat ein wenig gewildert und personell unheimlich aufgestockt", so Danner. Tatsächlich nahm der deutsche Rennstall einige Veränderungen zur neuen Saison vor. Unter anderem verpflichtete Mercedes die beiden ehemaligen Red-Bull-Konstrukteure Mark Ellis (Chefingenieur für Fahrzeugdynamik) und Giles Wood (Chefingenieur für Simulation und Entwicklung). Das Team um Mercedes-Technikchef Paddy Lowe formte auch aufgrund der Regeländerungen einen komplett neuen Boliden.

Angetrieben wird der Wagen vom neu entwickelten PU106A-Hybrid, einem 1,6-Liter-V6-Motor mit einem Turbolader. Wie von der FIA gefordert, besteht der Antriebsstrang aus zwei Motoren. Im Gegensatz zu den anderen Teams hat Mercedes allerdings den Turbolader aufgeteilt. Turboschaufelrad und Kompressor wurden in zwei verschiedenen Gehäusen untergebracht. Dadurch erhitzt der Motor weniger schnell, verbraucht weniger Kraftstoff und bringt wiederum mehr Leistung. Außerdem ist der Bolide so dynamischer und hat im Fahrverhalten einen besseren Schwerpunkt.

"Die Kombination ist entscheidend. Und der Wagen ist weniger Defekt-anfällig", erklärt Danner. Ein Vorteil, der Mercedes in diesem Jahr nicht mehr zu nehmen ist. Aufgrund der komplizierten Regeln darf das Mercedes-Design von der Konkurrenz in dieser Saison nicht kopiert werden. Verschlafen hat Red Bull die Reformen aber laut Experten nicht. "Mercedes hat in diesem Jahr keine Mühen und Mittel gescheut. Die haben einfach mehr investiert", so Danner, der ähnliche Erfolge anderer Rennställe mit Mercedes-Motor aber ausschließt: "Die haben weder Geld noch Personal, um da mitzumischen."

Zwar muss Vettel die Übermacht der Silberpfeile anerkennen, die starke Konkurrenz aus dem eigenen Lager aber nicht. Eigentlich sollte der Abgang von Mark Webber zu Beginn der Saison den Rücken des Weltmeisters stärken, doch der junge Ricciardo stellt Vettel bislang in den Schatten.

"Da wundert sich das ganze Fahrerlager drüber", so Danner: "Aber Sebastian ist noch immer absolute Weltklasse. Gerade in Ungarn hat er das wieder bewiesen. Dort hatte er Pech mit der Taktik. Bisher hatte er Mühe sich auf die Fahrweise des Fahrzeugs einzustellen. Er hat sich unwohl gefühlt. Jetzt ist er zurück."

Zumindest, was die Plätze hinter den WM-Führenden angeht, denn eine ähnliche Ära, wie vor der Reform des Silberpfeile wird es in den kommenden Jahren sicherlich nicht geben.

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