Auch mit 80 immer auf Ballhöhe Was macht eigentlich...Heinz Hornig?

KÖLN · Der frühere Nationalspieler Heinz Hornig scoutet immer noch für den 1. FC Köln. Das Geißbockheim ist für ihn wie ein zweites Zuhause.

Auf der Treppe des Geißbockheims begrüßt ein bronzener Hennes die Gäste, an den Wänden im Restaurant erinnern Bilder an die ruhmreichere Vergangenheit des 1. FC Köln. Heinz Hornig sitzt direkt unter einem Foto der Mannschaft, die deutsche Fußballgeschichte geschrieben hat: als erster Meister der neu gegründeten Bundesliga in der Saison 1963/64, mit Spielern wie Ewert, Pott, Weber, Overath, Schäfer – und eben Hornig. Der frühere Nationalspieler ist mittlerweile 80 Jahre alt. Die Natur hat ihn freundlich bedacht: Mit einem feinen Linksfuß, Schnelligkeit und viel Ballgefühl, was ihn in jungen Jahren zu einem der besten Stürmer Deutschlands machte. Und offenbar auch mit bewundernswerten Genen: Die acht Jahrzehnte Lebenserfahrung sieht man ihm nicht an. Vielleicht liegt's am Golfspiel, vielleicht auch an seiner Aufgabe: Er steht immer noch in Diensten des FC.

Tausende Kilometer spult Hornig Jahr für Jahr für die Kölner ab. Jedes Wochenende beobachtet er Spiele und Spieler auf den Plätzen am Mittelrhein oder in Rheinland-Pfalz. Damit dürfte er reif für das Guinness-Buch der Rekorde sein: als ältester Scout. Wie ein Goldschürfer die Nuggets, sucht er die Talente, früher für die Profis, heute für die Jugendabteilung. Auch Lukas Podolski, der ihm als Jugendlicher bei einem Hallenturnier in Quadrath-Ichendorf wegen seiner gewaltigen Schusskraft auffiel, gehört zu seinen Entdeckungen. „Ihn reklamieren aber auch noch 14 andere für sich”, lacht Hornig.

Das Geißbockheim ist seit mehr als 50 Jahren sein zweites Zuhause. Das darf man wörtlich nehmen. Anfang der 60er Jahre hatte er als Spieler hier seine Wohnung, heute nutzt er im FC-Clubhaus noch ein Büro. Der praktisch feststehende Abstieg seines Vereins schmerzt einen wie ihn, der die großen Kölner Zeiten mitgeprägt und miterlebt hat. Während sich nebenan im Franz-Kremer-Stadion die heutige Profi-Generation auf das Spiel in Freiburg vorbereitet, sinniert die Kölner Legende über Fehler der Vergangenheit: für ihn eine Mischung aus falscher Einkaufspolitik, Überschätzung der Mannschaft nach Platz fünf in der Vorsaison und den atmosphärischen Störungen zwischen dem damaligen Trainer Stöger und Sportchef Schmadtke. „Dass beide kaum noch miteinander kommunizierten, ahnte ja keiner”, sagt Hornig und folgert im Rückblick: „Vielleicht hätte man sich früher von Stöger trennen müssen.“

Dass trotz der sportlichen Tristesse Spieler wie Jonas Hector und Timo Horn den bitteren Gang in die Zweitklassigkeit mit antreten wollen, nötigt Hornig Respekt ab. „Tolle Jungs. Damit setzen sie ein Zeichen. Aber das ist halt Köln: Wer als Spieler mal diese grandiose Atmosphäre erlebt hat, die Zuneigung von allen Seiten, dem fällt es schwer zu gehen. Hier bleibt man oder wird vom Hof gejagt.”

Das "Real Madrid des Westens"

Hornig kennt dieses Gefühl seit 1962, als der gebürtige Gelsenkirchener, der mit Schalke 04 1958 deutscher Meister wurde, nach einer Zwischenstation bei Rot-Weiss Essen in Köln sesshaft wurde. „Der FC war damals Deutschlands Topadresse im Fußball. Wir hatten das hochmoderne Geißbockheim, vier Trainingsplätze und mit Franz Kremer einen Visionär als Präsidenten. Von überall her kamen Vereinsvertreter, um sich diesen Trainingskomplex anzuschauen.”

Das „Real Madrid des Westens”, wie die Kölner wegen ihrer weißen Trikots genannt wurden, war zu der Zeit fußballerisch der Konkurrenz ähnlich überlegen wie heute die Bayern. Mit Weltmeister Hans Schäfer als resolutem Anführer. „Wer auf dem Platz nicht mitzog, bekam es mit ihm zu tun. Er hat mich mal in der Halbzeit in Nürnberg wegen ein paar misslungenen Dribblings dermaßen in den Senkel gestellt, dass ich mir die Schuhe ausgezogen habe und nicht mehr weiterspielen wollte. ‘Geh’ doch zurück nach Gelsenkirchen’, warf er mir noch an den Kopf. So war er halt. Nachher haben wir ein Kölsch getrunken und uns wieder vertragen. Im Nachhinein muss ich sagen: Er hatte ja recht.”

Hornig war als wendiger, dribbelstarker Spieler für jeden Verteidiger ein Ärgernis. Auf der Gegenseite standen ihm wenig zimperliche Hochkaräter gegenüber: Otto Rehhagel, Berti Vogts oder Horst-Dieter Höttges. Die mochten es nicht, sich von ihm vorführen zu lassen und packten die Grätsche aus. Schon damals diente der Trash-Talk als Mittel der psychologischen Kriegsführung. „Hast du schon den Krankenwagen bestellt”, raunte ihm einst Bremens „Eisenfuß” Höttges ins Ohr. „Den brauchst du heute.“ Andere begannen den fußballerischen Dialog gern mit der Drohung: „Schade, aber das ist dein letztes Spiel.”

Meister mit dem FC

War es natürlich nicht. 176 sind es letztendlich für den FC geworden, mit 33 Toren, einer Meisterschaft und dem DFB-Pokalsieg 1968. Hornig wurde mit der deutschen Nationalmannschaft Vize-Weltmeister 1966 in England und erlebte legendäre Europapokalschlachten. Wie jene 1965 gegen den FC Liverpool, als die Kölner im Viertelfinale im dritten Spiel erst durch Münzwurf ausschieden. Oder das 1:8-Debakel in Dundee, das Trainer Tschik Cajkovski vor dem Rückflug nach Köln zu dem fatalistischen Ausspruch bewog: „Am besten ist, Flugzeug stürzt ab.” Nach drei Jahren in Belgien beim Royal Daring Club Molenbeek beendete Hornig 1973 seine Spielerkarriere. Eine Tankstelle, später eine Firma für Werbeartikel und eine Lotto-Toto-Annahmestelle sicherten das Auskommen.

20 Jahre als Trainer folgten, „ohne jemals entlassen worden zu sein”, wie er nicht ohne Stolz betont. Darunter waren Stationen bei Fortuna Köln, beim chronisch klammen Bonner SC kurz nach dem Lizenzentzug 1977 und zum Abschluss sieben Jahre beim FV Bad Honnef, wo zeitweise mit Michael Hornig der eigene Sohn und mit Jens Rehhagel auch der Filius von Trainer-Legende Otto Rehhagel zum Kader zählten. Das sorgte schon mal für familiäre Verwicklungen. „Als ich beide nicht eingesetzt habe, herrschte auf der Rückfahrt nach Hause im Auto Grabesstille. Meine Frau, meine Schwiegertochter und mein Sohn haben kein Wort mit mir geredet. Und abends rief noch Beate Rehhagel an und bat mich um eine Erklärung, warum ihr Sohn nicht gespielt habe. Verrückt.”

Mit Dario Schumacher, dem Sohn seiner Tochter, ist nun die dritte Fußballgeneration im Hause Hornig herangewachsen. Nicht zuletzt dank seiner Tore hat der BSC noch gute Chancen auf den Klassenerhalt in der Regionalliga. „Am Ball kann Dario alles. Wenn er dynamischer wäre, könnte er noch eine Klasse höher spielen”, sagt Hornig als Stammgast im Sportpark Nord. Dass es beim Enkel nicht ganz nach oben reichen würde, hatte das geschulte Auge des Opas früh erkannt. Sonst hätte Scout Hornig Dario Schumacher ganz sicher zum FC gelotst.

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