Ex-FC-Spieler Pedro Gerômel in Brasilien Mit Ruhe, Fleiß und Pünktlichkeit

PORTO ALEGRE · Pedro Gerômel spielte von 2008 bis 2014 für den 1. FC Köln. Nun findet er in seiner Heimat Brasilien zu alter Form - und in die Seleção. Wir haben ihn in Brasilien zum Gespräch getroffen.

 Copa Libertadores: Gremios Gerômel im Luftkampf mit Alfredo Talavera während einer Begegnung mit Toluca/Mexiko im Jahr 2016.

Copa Libertadores: Gremios Gerômel im Luftkampf mit Alfredo Talavera während einer Begegnung mit Toluca/Mexiko im Jahr 2016.

Foto: picture alliance / dpa

Das Gespräch mit Pedro Gerômel beginnt mit klassischen Themen zwischen Brasilianern und Deutschen: Verantwortungsbewusstsein und Pünktlichkeit. Gerômel erinnert sich noch gut an sein erstes Mannschaftsessen mit dem 1. FC Köln, das für 19.30 Uhr angesetzt war und bei dem er in brasilianischer Manier um 20 Uhr das Haus verließ. Als er ankam, war nur noch ein Platz frei. Es war seiner.

Pedro Gerômel war 22, als er nach vier Jahren in Portugal 2008 von Vitoria Guimaraes für 4,5 Millionen Euro zum damaligen Bundesliga-Aufsteiger 1. FC Köln ging, für den er 116 Erstligaspiele bestreiten sollte. Er hatte Brasilien wie viele andere Fußballspieler auch in jungen Jahren verlassen.

Nach zehn Jahren im Ausland kehrte Gerômel 2014 nach Brasilien zurück. Er ging zu Grêmio Porto Alegre im deutschgeprägten Süden. Er hat aus Deutschland mehr mitgenommen als die Pünktlichkeit. Auf und außerhalb des grünen Rasenvierecks. „Auf dem Platz habe ich gelernt, wie wichtig der physische Aspekt ist, und dass ich mehr auf mich achten muss”, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung in Brasilien. Außerhalb haben ihn die Kultur und das Verantwortungsbewusstsein beeindruckt. Als er einmal bei roter Ampel die Straße überqueren wollte und sich vergewissert hatte, dass kein Auto kommt, wies ihn ein Passant, der sich Sorgen um das Vorbild für die Kinder machte, darauf hin, dass er dies nicht machen solle.

„Die ersten beiden Jahre waren wunderbar."

Angesprochen auf den 1. FC Köln und die Stadt, gerät Pedro Gerômel ins Schwärmen. „Das ist eine wunderbare Stadt, die Leute sind sehr. . .“, sagt Gerômel, stockt einen Moment, und ergänzt dann auf Deutsch: „. . . freundlich.“ „Meine Frau hat Köln auch geliebt. Ich habe nur gute Erinnerungen”, erzählt Gerômel, der in seiner letzten Saison bei Köln Kapitän war. „Die ersten beiden Jahre waren wunderbar. Das dritte und vierte waren in Bezug auf den sportlichen Erfolg dann nicht mehr so toll.“ Der FC stieg 2012 mit Gerômel ab.

In Brasilien hat Pedro Gerômel wieder an seine besseren Tage beim FC angeknüpft. Doch die Rückkehr war schwierig, auch weil Gerômel zuvor nie professionell in Brasilien gespielt hatte und ihn fast niemand in seinem Herkunftsland kannte. So saß er bei Grêmio erst einmal vier Monate auf der Bank. Aber er hat auf seine Chance gewartet. Zusammen mit dem ehemaligen Leverkusener Bundesligastar Zé Roberto, dessen erste Station nach der Rückkehr ebenfalls Grêmio war, kam er, so wie sie das in Deutschland gelernt hatten, früher zum Training und machte seine Übungen.

Als er seine Chance erhielt, nutzte er sie: „Ich bin in die Mannschaft gekommen und musste seither nie wieder raus.” 2015 und 2016 ist er zum besten Innenverteidiger der brasilianischen Meisterschaft gewählt worden. Nicht zuletzt dank seines hervorragenden Stellungsspiels und seiner Qualitäten als Abfangjäger.

Berufung in die Nationalmannschaft

Bevor er mit Grêmio im vergangenen Dezember brasilianischer Pokalsieger wurde, war Gerômel im August zum ersten Mal in die Nationalmannschaft berufen worden, eine „Krönung der Saison für mich“, sagt er. Seine starken Leistungen haben dazu geführt, dass Angebote von anderen Vereinen kamen. Doch der Club ließ ihn nicht ziehen, und Gerômel, dessen Vertrag noch drei Jahre läuft, sagt: „Ich identifiziere mich sehr mit dem Club, bei dem ich in meinem vierten Jahr bin.”

Auch das FC-Trikot trug er vier Jahre lang. Eine Zeit, die er nicht missen möchte. Denn: „Ich hatte die Gelegenheit, in einer der attraktivsten Ligen der Welt zu spielen”, schwärmt Pedro Gerômel von der Bundesliga. Der deutsche Fußball sei ein Spektakel, „mit neuen Stadien, die damals wegen der WM 2006 erneuert worden waren. Und die immer voll sind. Das macht jedes Spiel besonders“. Die brasilianische Liga halte einem Vergleich nicht stand. „Die Qualität und Intensität waren die größten Unterschiede, die ich gespürt habe”, sagt Gerômel.

Der Weg zu weiteren Berufungen in den Kader des fünfmaligen Weltmeisters führt wie immer über den Club. Wenn es danach geht, hat Gerômel gute Aussichten. Porto Alegre steht im Halbfinale der Meisterschaft des Bundesstaates Rio Grande do Sul und in der Copa Libertadores derzeit als bestes brasilianisches Team da. Mit einem Sieg an diesem Dienstag gegen Deportes Iquique aus Chile kann Porto Alegre seine Tabellenführung ausbauen. Gerade hat er seinen ersten Einsatz nach einer Verletzung hinter sich. Danach schrieb die Zeitung „Zero Hora”: „Mit Gerômel ist Grêmio eine andere Mannschaft”. Nicht ausgeschlossen, dass der 31-Jährige sogar mit Blick auf die WM 2018 eine Zukunft in der Seleção hat.

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