Ein Leben in Rot-Weiß Hausbesuch in Widdersdorf bei Hennes VIII., dem Maskottchen des 1. FC Köln

KÖLN · In diesen Tagen nimmt es das Christkind mit der Wahrheit ja wieder nicht so ganz genau. Es lässt sich seine Post nach Engelskirchen schicken - an eine Briefkastenfirma. Das käme für Hennes nicht in Frage. Er wohnt tatsächlich da, wo ein Bock, der was auf sich hält, wohnen sollte. In Widdersdorf.

Der Kölner Stadtteil im Bezirk Lindenthal hat zwei berühmte Söhne - wenn man den Komponisten der Musik-ist-Trumpf-Titelmelodie, Heinz Gietz, einmal außen vor lässt: den Kabarettisten Jürgen Becker und Hennes, das Maskottchen des 1. FC Köln.

Den ersten Hennes schenkte die Zirkusdirektorin Carola Williams dem 1. FC Köln. Das war am 13. Februar 1950. Der Bock wurde nach Spielertrainer Hennes Weisweiler benannt und hinterließ nach seinem Ableben (neben dem Spitznamen "Geißböcke" und dem abgewandelten Vereinsemblem) ein Problem: Was nun?

Man entschied sich für einen neuen Bock, aber nach Versuchen mit den Namen Oscar und Heinzchen kehrte man mangels Erfolgs zu "Hennes" zurück. Nach einem karnevalistischen Kölner Prinzip verfuhr man fortan wie mit den Prinzen: Der Neue wird bestimmt, sein Name durchnummeriert.

Hennes III. war 1970 der Erstbezieher der Box in Widdersdorf. Sein Vorgänger, der am Geißbockheim untergebracht worden war, soll einem Schäferhund zum Opfer gefallen sein. Daraufhin brachte man den Neuen ins beschauliche Abseits. Seitdem leben die Hennesse auf dem Hof der Familie Schäfer, der sich nicht ganz unauffällig in eine normale Vorort-Wohngegend einreiht.

Schon von außen ist die Affinität der Bewohner zu dem Kölner Zweitligisten leicht zu erkennen. Es sieht nicht unbedingt aus wie bei einem durchschnittlichen Fan. Rot-weiße Beflaggung mit allem, was die Fantasie und das FC-Merchandising so hergeben. Durch ein Tor gelangt man in den kleinen Innenhof. Links das Wohnhaus, gegenüber der mit dunklem Holz getäfelte Stall. Die Tür steht offen, obwohl Hennes VIII. das nicht mag.

"Ich weeß nitt, watt datt für ne Bock is", sagt Hildegard Schäfer und schüttelt den Kopf. "Der ziddert. Datt hätt fürher noch keene jedonn." Nachdem der langjährige Betreuer der FC-Glücksbringer, Wilhelm Schäfer, im Jahr 2006 gestorben war, blieb seine Witwe Hennes' "Vermieterin". Zu Terminen begleitet seitdem der Oedekovener Ingo Reipka das wohl berühmteste Maskottchen im Profi-Fußball - für den späten Nachmittag hat sich ein Fernseh-Team der BBC in Widdersdorf angesagt. Vorsichtig betrachtet Hennes VIII. den Besuch.

"Er ist eher zurückhaltend. Aber der Lärm im Stadion, der macht ihm gar nichts aus", sagt Reipka, legt seinem Schützling für das Foto die bestickte rote Decke auf den Rücken und poliert noch einmal die Hörner.

Der Stall ist in Rot und Weiß gehalten, sogar die Gardinen sind rot-weiß-kariert. Nur drei grüne Glasbausteine und die Tränke in der Farbe der Rivalen vom Niederrhein stören die Idylle, die Hennes hier mit einem schwarz-weißen Mitbewohner teilt. Sein Name: Kaninchen-Willi. Er ist nicht viel mutiger als der verfrorene Kollege und bleibt lieber gleich in seinem Holzhäuschen. Der 45-Kilo-Bock ernährt sich von Heu, Kraftfutter, Brot und Äpfeln. Möhren mag er nicht. Die frisst Kaninchen-Willi.

Sein etwas divenhaftes Auftreten kann Hennes VIII. sich leisten. Er war schließlich schon prominentes Opfer bei SK Kölsch, trat bei Bastian Pastewka und Stefan Raab auf und hat bei der Premiere seines letzten Filmes, bei dem auch Tom Gerhardt als "Der Supertrottel" mitspielte, vor dem Cinedom auf den roten Teppich geköttelt.

Aber irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Auch wenn der achte Hennes nicht ganz so erfolglos ist wie sein Vorgänger, unter dessen Ägide die "Geißböcke" vier mal abstiegen - die Glücksbringerqualitäten von Hennes VIII. halten sich bis dato in einem überschaubaren Rahmen. Ein Erklärungsansatz: Der Bock, für den sich die Mehrheit der FC-Mitglieder 2007 aussprach, ist in Widdersdorf nur ein Immi. Er kommt blöderweise aus Bergisch Gladbach.

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