Ein Drama in vier Akten 1. FC Köln feiert 70-jähriges Bestehen

KÖLN · Nur zwölf Jahre nach seiner Gründung war der 1. FC Köln zu Beginn der 1960er Jahre ein deutsches Fußballschwergewicht. Vier Mal in Folge Westdeutscher, zwei Mal Deutscher Meister, einmal DFB-Pokalsieger.

„Eigentlich hätten wir noch mehr Titel holen müssen. Aber es gab öfter Probleme mit den Trainern“, meinte Karl-Heinz Thielen (77), der sich zusammen mit seinen damaligen Kollegen Heinz Hornig (80) und Wolfgang Weber (73) zur Gesprächsrunde im Geißbockheim traf. Während die Titel die FC-Visitenkarte schmücken, wird ein „Drama in vier Akten“, wie es in der Chronik „Im Zeichen des Geißbock“ heißt, gegen den FC Liverpool ewig für schwelgerische Erzählungen sorgen.

Erster Akt: Im Europapokal der Landesmeister trifft der FC im März 1965 auf den FC Liverpool. Im Hinspiel in Köln trennt man sich vor 50 000 Zuschauern, darunter Bundeskanzler Ludwig Erhard, torlos. Karl-Heinz Thielen traf den Pfosten, Hannes Löhr erzielte ein Abseitstor.

Zweiter Akt: Am Aschermittwoch sollte es an der Anfield Road zum Rückspiel kommen. Um dem Karnevalstreiben zu entfliehen, reiste der FC vor dem Wochenende an. „Als wir zur Fahrt zum Spiel den Bus bestiegen, herrschte ruhiges Wetter. Während der 30 Kilometer langen Fahrt begann es zu schneien. Je näher wir dem Stadion kamen, umso wilder wurde es“, erinnerte sich Wolfgang Weber.

Der schlimmste Schneesturm seit Menschengedenken tobte über Liverpool. Erst zum Zeitpunkt des Anpfiffs sagte der Schiedsrichter die Partie ab. Die 52 876 Zuschauer schimpften und benötigten teils Stunden, um den Heimweg anzutreten. Denn für die Stehplatzbesucher gab es keine Karten. Jedem musste der Eintritt zurückgezahlt werden.

Dritter Akt: Zwei Wochen später wurde dann gespielt. Die Partie ging nur in eine Richtung. Am Ende dieser Einbahnstraße stand Anton „Toni“ Schumacher und wehrte alles ab. „Es war das Spiel seines Lebens. Überragend, und das in dem Hexenkessel“, schwärmt Karl-Heinz Thielen noch heute. Liverpools Oberbürgermeister Louis Caplan ließ sich den Torhüter vorstellen und beglückwünschte ihn.

Schlussakt: Heutzutage hätte es danach eine Verlängerung, notfalls ein Elfmeterschießen gegeben. Diese Regel wurde aber erst 1970 eingeführt. So kam es eine Woche später zu einem Entscheidungsspiel vor 48 948 Zuschauern in Rotterdam, darunter etwa 20 000 FC-Fans.

Bereits in der 20. Minute gab es den ersten Schicksalsschlag gegen den FC. „Gordon Milne traf mich unglücklich an der rechten Wade. Es tat höllisch weh. An Weiterspielen war nicht zu denken. Ich humpelte in die Kabine, bekam von Mannschaftsarzt Dr. Bohne eine schmerzstillende Spritze“, erinnert sich Wolfgang Weber. Liverpool nutzte die Kölner Unterzahl – Auswechselspieler waren noch nicht erlaubt – und ging 2:0 in Führung. Noch vor der Pause verkürzte Karl-Heinz Thielen per Kopf nach einem Freistoß von Heinz Hornig. Unmittelbar nach dem Seitenwechsel gelang Hannes Löhr auf Vorarbeit von Thielen das 2:2.

Weber, Spitzname „Bulle“, war inzwischen wieder auf dem Platz. Dr. Bohne hatte eine Prellung diagnostiziert, ein Sprung von der Massagebank sollte es bestätigen. Weber landete, das Gesicht schmerzverzerrt, auf dem Kabinenboden – für den Doc war er damit weiterhin belastbar. Was niemand ahnte: Weber hatte sich das Wadenbein gebrochen. Der eisenharte Verteidiger sank während der zweiten Halbzeit mit unerträglichen Schmerzen mehrmals auf den Rasen, wollte seine Kollegen aber nicht im Stich lassen und spielte weiter. Statt die Abwehr zu dirigieren, humpelte er aber im Sturm herum, verfehlte sogar zwei Mal nur knapp das Liverpooler Tor.

Hinein traf Heinz Hornig (74.), doch der Schiedsrichter entschied auf Foulspiel von Thielen. „Ich sollte Liverpools Torwart Lawrence getroffen haben. Dabei bin ich hoch über ihn gesprungen. Selbst er sagte, es sei doch nichts passiert“, ärgert sich der Kölner noch heute.

Als es auch nach der Verlängerung 2:2 stand, kam es zum sogenannten Münzwurf. Tatsächlich war es aber eine für diesen Zweck präparierte Holzscheibe mit einer roten Seite für Liverpool und einer weißen für Köln. Nach dem Wurf blieb sie senkrecht im Morast stecken. „Hans Schäfer sagte später zu unserem Kapitän Hansi Sturm: Du hättest sie umtreten müssen, damit Weiß oben war“, brachte Wolfgang Weber unter dem Gelächter seiner Kollegen zum Besten.

Ein zweites Mal flog die Scheibe in die Luft, landete diesmal platt am Boden, während die Liverpooler jubelnd in die Höhe schnellten. „Diese Spiel hatte keinen Verlierer verdient . . .“, so Wolfgang Weber, „. . . und keinen Gewinner“, fügte Heinz Hornig hinzu, während Karl-Heinz Thielen philosophierte: „Unentschiedener ging es nicht.“

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