Quartier in Ascona Nationalmannschaft startet ins Trainingslager

ASCONA · Die deutsche Nationalmannschaft ist in die heiße Phase der EM-Vorbereitung gestartet. Am Dienstag bezog sie ihr Quartier in Ascona. GA-Redakteur Guido Hain berichtet aus dem Trainingslager.

 Den roten Teppich ausgerollt: Mario Götze auf dem Weg ins Mannschaftshotel.

Den roten Teppich ausgerollt: Mario Götze auf dem Weg ins Mannschaftshotel.

Foto: Markus Gilliar/DFB/dpa

Ascona, das war und ist ein Sehnsuchts- und Zufluchtsort für die Deutschen. Schon Udo Jürgens schwärmte von dem pittoresken Städtchen im Schweizer Kanton Tessin mit waberndem Sehnsuchtsklang in seiner Stimme. Bis zum zweiten Weltkrieg waren es vor allem Künstler und Intellektuelle, Aussteiger, Lebenskünstler und Weltverbesserer, die sich dort um den Monte Verità tummelten und auf ihm tanzten. Auch bot das frühere Fischerdorf am Nordufer des Lago Maggiore deutschen Flüchtlingen während des Nationalsozialismus Zuflucht.

Später kamen die Touristen. Deutschlands Wirtschaftswunder-Generation zog in den 1960er und 1970er Jahren in einer solchen Vielzahl an den See, dass einige kluge Rüsselsheimer ein Auto nach dem Ferienort benannten. "Ascona", das hatte schon der deutsche Schriftsteller Erich Maria Remarque in den 1930er Jahren bemerkt, "regt zum Nichtstun an". Bleibt zu hoffen, dass diese Feststellung an Joachim Löw vorbeigegangen ist. Denn Müßiggang kommt für den Bundestrainer und sein Team während der Vorbereitung der Fußball-EM in Frankreich (10. Juni bis 10. Juli) nicht in Frage. Die Situation zu Beginn des DFB-Trainingslagers in Ascona:

Erwartungen: Als wesentliche Grundlage für spätere Erfolge erachtet Löw einen ausgeprägten Teamgedanken. Es werde wichtig sein, "wieder den Team-Spirit wecken zu können, dieses bedingungslose Füreinander-da-sein. Und dann sind wir auch in der Lage, das Turnier zu gewinnen", sagte der Bundestrainer der "Süddeutschen Zeitung". Ein gemeinsamer Beginn der EM-Vorbereitung war Löws "Idealvorstellung".

Trainingslager deutschen Nationalmannschaft in Ascona
3 Bilder

Trainingslager deutschen Nationalmannschaft in Ascona

3 Bilder

Deshalb der Start später als ursprünglich vorgesehen erst am 24. Mai, so dass auch die Säulen der Mannschaft aus München und Dortmund von Anfang an die Gruppendynamik mitgestalten. Sie wären nach dem Pokalfinale am Samstag ohnehin erst gestern nachgereist. Ein Indiz für diesen angestrebten Zusammenhalt ist auch die Nominierung von Lukas Podolski. In Löws Aufgebot gilt er quasi als Innenminister, zuständig für gute Laune, Streiche und Zusammenhalt.

Die personelle Situation

Die Lage hat sich gegenüber der WM-Vorbereitung vor zwei Jahren deutlich entschärft. Reisten Spieler wie Torhüter Manuel Neuer, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira damals nur tröpfchenweise und erschreckend angeschlagen ins Trainingscamp nach Südtirol, darf sich der Trainer nun über zahlreichen hohen Besuch von Beginn an freuen. Lediglich Mittelfeldspieler Toni Kroos steht noch mit Real Madrid im Finale der Champions League am 28. Mai in Mailand gegen Atlético Madrid. Direkt danach stößt er zum Team.

Zuvor wird am 26. Mai Podolski in die Schweiz reisen - nach dem türkischen Pokalfinale mit Galatasaray Istanbul. "Ich weiß, dass Lukas die Leistung noch bringen kann, die wir von ihm erwarten", sagte Löw - und versuchte damit, alle Zweifel an der sportlichen Qualifikation des früheren Kölners beiseite zu wischen.

Zwar dürfte der Ausfall von Ilkay Gündogan als spielstarker Stratege schmerzen. Daneben kann Löw allerdings aus einem qualitativ hochwertigen Fundus schöpfen. Mit der Nominierung Schweinsteigers signalisiert er, dass er seinem am Knie verletzten Kapitän noch eine ähnlich heroische Leistung als Schlachtenlenker zutraut wie im WM-Finale von Rio. Wie damals hofft Löw, dass sich Schweinsteiger seine wettkampftaugliche Physis dosiert während der EM holt. In Brasilien überzeugte er in einer Art Jobsharing mit dem auch diesmal angeschlagenen Sami Khedira (Wadenzerrung) im Mittelfeld.

Die Maßnahmen

Löw und seine Batterie an Trainern, Therapeuten und Trietzern wird, davon ist auszugehen, die Mannschaft für das Turnier in einen optimalen Fitnesszustand versetzen. Ihr Talent als Rollenspieler dürfen in der Vorbereitung erneut die Kicker der U-20-Auswahl demonstrieren. Die Mannschaft von Trainer Frank Wormuth dient als Simulator der Spielformen und -systeme anderer EM-Teams. Sie soll die Spielweise der drei deutschen Vorrundengegner Ukraine, Polen und Nordirland kopieren. "Wir spielen unsere Rolle so, wie es Joachim Löw verlangt", sagte Wormuth.

Der weitere Ablauf

Durch ein Testspiel am Sonntag in Augsburg gegen die Slowakei wird das Trainingslager unterbrochen. Danach hat Löw bis zum 31. Mai (bis Mitternacht) Zeit, seinen endgültigen Kader zu benennen. Aus dem bislang 27-köpfigen Aufgebot muss er vier Kandidaten streichen. Dann steht "Die Mannschaft" für das Turnier. Mit dem endgültigen EM-Kader bestreitet Löw am 4. Juni in Gelsenkirchen einen Probelauf gegen Ungarn.

Drei Tage später bezieht das Team das EM-Quartier in Évian-les-Bains. Löw sagt: "Wir sind selbstbewusst, aber nicht überheblich. Wir sind stark, aber nicht unbesiegbar. Wir wissen, dass wir einiges zu tun haben, um in Frankreich auf einem Toplevel zu spielen." Ascona ist der Anfang. Auch wenn das Städtchen eigentlich zum Nichtstun einlädt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Berechtigte Ausgrenzung
Kein Platz für Müller im DFB-Team Berechtigte Ausgrenzung
Aus dem Ressort