DFB-Elf Mühelos ins Viertelfinale

Lille · Die deutsche Elf hat ohne große Mühe das Viertelfinale der Europameisterschaft erreicht. Die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw gewann gegen die Slowakei 3:0.

Lille. Es war eine Szene kurz vor der Pause, die viel aussagte über diese Partie. Julian Draxler streichelte den Ball mit der Sohle, ein Mal, zwei Mal, drang in den Strafraum ein, narrte Juraij Kucka mit einem Übersteiger, passte in die Mitte - und das alles in höchstem Tempo. Mario Gomez musste nur noch den Fuß hinhalten - das 2:0 in der Partie gegen die Slowakei war Ausdruck höchster Dominanz, ja teilweise sogar spielerischer Brillanz der deutschen Elf. Am Ende setzte sie sich hochverdient mit 3:0 (2:0) durch und erreichte das EM-Viertelfinale, in dem am Samstag (21 Uhr) der Gewinner aus der Partie Italien gegen Spanien auf das DFB-Team wartet.

Draxler, der seinen überragenden Vortrag mit dem Treffer zum 3:0 krönte, wirkte voller Selbstbewusstsein - wie die gesamte Mannschaft. "Ich freue mich über mein gutes Spiel und dass ich dem Team helfen konnte", sagte er nach seinem Gala-Auftritt. Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass der Wolfsburger mit mächtig Wut im Bauch seine erneute Chance nutzen wollte. Denn beim 1:0 gegen Nordirland war er von Joachim Löw auf die Bank verbannt worden. "Zuletzt hat Julian eine Pause bekommen, heute war er frisch", sagte der Bundestrainer dazu. "Ich war sehr zufrieden mit ihm."

Löws Zufriedenheit bezog sich aber nicht auf seinen schnellen Offensivmann alleine, er lobte das ganze Team. Nicht ohne Grund. "Das war eine gute Leistung von uns - in der Offensive und Defensive", sagte Löw. Die deutsche Elf agierte zielstrebig und ohne Hemmungen. Sie ließ dem Gegner kaum Luft zum Atmen, presste früh im Mittelfeld und stand hinten mit den beiden Unüberwindbaren, Jerome Boateng und Mats Hummels, extrem sicher. Die Slowaken um ihren Star Marek Hamsik schafften es kaum einmal, den Ball über zwei oder gar drei Stationen in ihren Reihen zu halten.

Public Viewing am Kameha (Deutschland - Slowakei)
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Die Einzelkritik

Noch aber blieb es im deutschen Spiel bei ihren schnell vorgertragenen Angriffen - bis Boateng sich ein Herz nahm. Kannte man seine Kompromisslosigkeit in seiner Funktion als Abwehrchef, zeigte er nach acht Minuten auch vorne diese Qualität. Nach einer Ecke von Toni Kroos kam der Münchner aus 20 Metern volley zum Schuss. Boatengs rechter Fuß verwandelte den Ball in ein Geschoss, das links unten im Eck einschlug. Es war sein erster Treffer als Nationalspieler. Fünf Minuten später hatte Mesut Özil die Chance zur Vorentscheidung, doch der slowakische Torwart Matus Kozacik parierte den Elfmeter des Londoners. Zuvor hatte Kapitän und Abwehrturm Martin Skrtel Mario Gomez fahrlässig im Strafraum geschubst - Özil bestrafte das nicht.

Die Deutschen drängten und drückten weiter. Und es war einmal mehr Draxler, der mit einer Flanke Özil bediente. Doch der Techniker schoss um Zentimeter am Tor vorbei (24.). Und Thomas Müller? Der Münchner war gut drin im Spiel, rannte wie an der Schnur aufgezogen und drängte auf seinen ersten Treffer bei einer EM - er blieb ihm verwehrt. Dennoch kam ihm seine etwas zentraler angelegte Rolle in der Offenskive entgegen.

Die Slowaken, die als Gruppendritter die Vorrunde überstanden hatten, beschränkten sich auf ein kleines Angebot. Ein Mal musste Manuel Neuer bei einem seiner berühmten Ausflüge nach einem zu kurzen Hector-Rückpass retten (36.), dann lenket der Bayern-Torwart einen Kopfball von Kucka über die Latte (40.). Doch die Löw-Elf hatte offenbar noch keine große Lust auf eine Pause: Draxlers Sahnestück, Gomez' rechter Fuß - und es hieß 2:0 (43.).

Nach dem Wechsel waren es zunächst die Slowaken, die etwas mutiger agierten. Hamsik legte den Ball quer auf Kucka - Neuer hielt die Fäuste hin (49.). Deren Trainer Jan Kozak hatte seinem Team offenbar eine offensivere Gangart verordnet. Die Spieler hielten sich daran, wodurch sich Räume für die Deutschen eröffneten. Sie benötigten jedoch eine Standardstuation, um Schlussmann Kozacik erneut das Nachsehen zu geben. Und dieses Mal gab sich Draxler nicht mit der Rolle als Vorbereiter zufrieden. Nach einer Kroos-Ecke und einer Kopfballverlängerung von Mats Hummels nahm er mit seinem Volleyschuss Maß - und versenkte den Ball humorlos unter der Latte (63.). Es war der verdiente Lohn für sein aufwendiges Spiel. Immer wieder suchte er das Tempodribbling - und setzte sich durch. "Joachim Löw hat diese Eins-gegen-Eins-Situationen von mir gefordert", meinte der 22-Jährige und zeigte sich als gelehriger Schüler. "Ich habe viel Zuspruch vom Trainer erhalten - denn er weiß, dass ich gut bin."

Die La-Ola-Welle schwappte durchs Stade Pierre Mauroy. Und dann gönnte Löw Draxler doch noch ein wenig Ruhe. Die Offensivkraft wurde bei seiner Auswechslung mit riesigem Applaus von den deutschen Fans verabschiedet (72.). Die Feierlichkeiten gingen jedoch weiter. Der für Draxler eingewechselte Lukas Podolski erhielt bei seinem ersten Turnier-Einsatz bei jedem Ballkontakt Szenenapplaus wie ein spanische Matador. Und als Bastian Schweinsteiger ebenfalls seine Einsatzzeit bekam, waren die alten Weggefährten, die seit 2004 gemeinsam für die Nationalmannschaft spielen, wieder auf dem Rasen vereint. Deutschland schaltete in den Kontrollmodus, die Partie war entschieden. Und der Mann des Tages, Julian Draxler, konnte sich in aller Ruhe die letzten Minuten von der Bank aus anschauen.

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