Trainingslager in Ascona Bastian Schweinsteiger strahlt wieder

ASCONA · EM in Frankreich: Obwohl noch längst nicht in Turnierform, macht der deutsche Kapitän einen sonnigen Eindruck.

 Bastian Schweinsteiger will auf jeden Fall für die EM bereit sein.

Bastian Schweinsteiger will auf jeden Fall für die EM bereit sein.

Foto: Christian Charisius

Ob die Sonne auch vor acht Jahren schien, als die deutsche Nationalmannschaft in Ascona ankam - daran wird sich Bastian Schweinsteiger vermutlich nicht mit Gewissheit erinnern können. Wenn man aber Oliver Bierhoff Glauben schenken darf, ist es ziemlich gleich, wann, wie und wohin die Auswahl reist. Eins scheint im deutschen Reisegepäck einen festen Platz zu haben: das gute Wetter. Die Sonne, meinte Bierhoff gestern schelmisch, scheint eben immer dort, wo die Nationalmannschaft gerade auftaucht.

Der DFB-Manager bediente sich bei der Eröffnung des Presszeltes in Ascona des seichten Humors. Er sagte zu den Journalisten: "Als ihr hier angekommen seid, hat der Himmel geschrien, bei der Ankunft des Teams die Sonne geschienen." Und tatsächlich, die Strahlen spiegelten sich glitzernd auf dem Lago Maggiore. Ob die Gute-Wetter-Idylle am Nordufer des Sees im schweizerischen Tessin zur Gemütsaufhellung Schweinsteigers beigetragen hat, ist nicht geklärt. Gleichwohl wirkte der Mittelfeldspieler von Manchester United beinahe tiefenentspannt einen Tag nach der sonnigen Ankunft in Ascona. Überraschend. Denn dass er allen Grund gehabt hätte, wieder dieses Lasst-mich-doch-alle-in-Ruhe-Gesicht aufzusetzen, das ihm vor zwei Jahren während der WM-Vorbereitung in Südtirol ein ständiger Begleiter war, steht außer Frage. Wie heute zerrte damals eine Verletzung an den Nerven des 31-Jährigen. Die Ungewissheit, das Turnier zu verpassen, belastete ihn. Schweinsteiger verzog sich in die Schmollecke. Er trainerte alleine. Sprach kaum.

Gestern jedoch strahlte er wie die Sonne am Himmel über Ascona. Bei seiner Ankunft am Trainingsplatz im Stadio Comunale grüßte er freundlich in die Menschenmenge. Selbst wenn er - wie 2014 - zunächst nicht mit der Mannschaft trainieren konnte und im Fitnesszelt ein individuelles Programm absolvierte, schien es, als würde Schweinsteiger mit sich im Reinen sein. Seit seinem heroischen Kampf im Finale von Rio kann ihn offenbar nichts mehr umwerfen - höchstens ein argentinischer Ellbogen. Seine Metamorphose vom spleenigen, verdribbelten Jungspund zum kämpfenden, lenkenden Anführer ist abgeschlossen. Trug er damals sein Haar kräftig blondiert, hat er heute den Kampf gegen das Grau verloren. Gestern sagte er Sätze wie jenen: "Für mich gibt es das Wort Aufgeben nicht." Und unterstrich damit natürlich auch die Hoffnung, zur deutschen Reisegesellschaft in Richtung Frankreich zu gehören.

Spätestens mit dem Titelgewinn vor zwei Jahren verwandelte sich "Schweini" endgültig in den Herrn Schweinsteiger. In Ascona vor acht Jahren war das noch anders. Er gehörte neben seinem langjährigen Weggefährten Lukas Podolski zu jenen, die den Platzhirschen wie Michael Ballack und Torsten Frings schon mal gewaltig auf die Nerven gehen konnten. Ständig führte er stundenlange und deutlich vernehmbare Telefonate mit seiner damaligen Freundin. Nicht auszuhalten dachten sich die beiden Veteranen - und zeigten sich irritiert. Die Stimmung im damaligen Trainingscamp in Ascona soll ohnehin nicht die sonnigste gewesen sein.

Schweinsteiger ist neben Podolski und Mario Gomez einer von drei Spielern, die schon 2008 dabei waren. Das Handy legt er inzwischen häufiger zur Seite, denn nun ist er selbst zuständig für ein ordentliches Binnenklima. Für Bundestrainer Joachim Löw gehört er ohnehin zur Gilde der Unersetzlichen. Er baut auf seinen Kapitän. Und gibt ihm alle Zeit zur Genesung. Löw würde wohl nur auf ihn verzichten, wenn er vor der Abreise nach Frankreich ins Basislager Évian-les-Bains einen ähnlich zerfledderten Eindruck machen würde wie nach dem blutgetränkte WM-Finale von Rio. "Körperlich hat er alles gemacht", lobte Löw die unbändige Willenskraft des früheren Münchners.

Schweinsteiger selbst, der, nur unterbrochen von einem Kurzintermezzo im März, wegen zweier Knieverletzungen seit Januar den Spielbetrieb eingestellt hat, betonte, er sei "völlig im Plan". Er sagte: „Es hat vor der WM 2014 gut geklappt, und da war ich in einem noch schlechteren Zustand." Ähnlich wie am Ende des finalen Kampfes in Rio. Dafür haben die Argentinier schon gesorgt.

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