Manfred "Eia" Cremer: Vertragsgespräche an der Fleischtheke

BONN · Wer in den 70er-Jahren in der Bundesliga Linksaußen spielte, stand nicht immer auf der Sonnenseite des Fußballerlebens. In Mönchengladbach verteidigte Berti Vogts sein Revier auf der rechten Seite so bissig und unerbittlich, dass der Spitzname "Terrier" schon fast eine Verharmlosung war.

 Kompromissloser Abwehrspieler: Manfred Cremer (links) im Trikot des Bonner SC.

Kompromissloser Abwehrspieler: Manfred Cremer (links) im Trikot des Bonner SC.

Foto: Archiv

Und beim Wuppertaler SV, der 1972 in die Bundesliga aufgestiegen war, verleidete Manfred "Eia" Cremer den Technikern die Lust am Fußball. Der Bonner, 1970 vom BSC ins "Stadion am Zoo" gewechselt, war als gelernter Stürmer ein Verteidiger moderner Prägung, mit viel Offensivdrang, aber - wenn es sein musste - auch kerniger Basisarbeit.

Vielleicht lag's damals am furchteinflößenden Schnäuzer, vielleicht aber auch an der kompromisslosen Spielweise: Cremer verschaffte sich schnell Respekt auf dem Platz - egal ob die Gegenspieler nun Willi Lippens, Dieter Herzog, Erwin Kremers oder Jupp Heynckes, die Topstürmer der frühen Siebziger, hießen. "Der Lippens, der wollte einen verarschen. Wenn man ihn spielen ließ, hatte man verloren. Also musste man einmal ordentlich hinlangen, dann war Ruhe. Jetzt geht so etwas ja gar nicht mehr", schmunzelt der heute 68-Jährige.

Seine Leistungen als eisenharter, aber auch torgefährlicher Verteidiger (fünf Saisontore) blieben nicht unbemerkt. Der "Kicker" sah ihn am Ende der Saison 1973 in seiner Rangliste des deutschen Fußballs sogar als zweitbesten Verteidiger nach Vogts. Und auch Helmut Schön, dem damaligen Bundestrainer, war der Bonner aufgefallen. "Nach einem Spiel beim FC Bayern kam er in unsere Kabine und sagte zu mir: Herr Cremer, ich habe Sie auf dem Zettel." Auch wenn es der einzige Kontakt zu Schön blieb, gefreut hat Cremer die Wertschätzung dennoch.

Dass ihn der Weg einmal in die höchste Spielklasse führen würde, war Mitte der 60er-Jahre nicht abzusehen. Cremer, der beim Bonner Fußballverein spielte, war kurz nach der Fusion von BFV und TuRa Bonn zum Bonner SC (1965) in die erste Mannschaft aufgerückt. Die hatte nach einem Jahr in der Mittelrheinliga gerade den Aufstieg in die Regionalliga West, die damals zweithöchste Spielklasse, geschafft.

Bekannte Bonner Fußballgrößen wie Ernst Tietz, Willi Gräf, Kalli Becker oder Kurt Pysny bildeten das Rückgrat der Blau-Roten, der Jungspund Cremer musste in die fußballerische Lehre - mit allem, was dazugehört: "Ballnetze tragen, Hütchen holen, Tore aufstellen", zählt Cremer auf. Doch der junge Verteidiger mit dem sonnigen Gemüt war schnell integriert. "Ich bin einer, der gute Laune verbreitet, der viel flachst. Das kommt ja meist gut an."

Es waren turbulente Zeiten im Gronaustadion. Der BSC hatte sich für die zweithöchste Klasse mit den vier ehemaligen Schalker Profis Dieter Lömm, Uwe Kleina, Werner Grau und Torhüter Horst Mühlmann verstärkt und dafür viel Geld in die Hand genommen. Cremer, eigentlich Mittelstürmer, war von Trainer Günther Glomb zum Außenverteidiger umfunktioniert worden und wurde auf der neuen Position gleich zum Publikumsliebling.

Doch das Abenteuer im bezahlten Fußball war schnell beendet. Wie im Pater Noster ging es erst abwärts in die Mittelrheinliga, ein Jahr später aber gleich wieder hoch in die Regionalliga. "Dann kamen die Aachener, und der Ärger ging los", erinnert sich Cremer.

"Die Aachener", das waren unter anderem Alfred Glenski und der frühere uruguayische Nationalspieler Horacio Troche, der weltweite Aufmerksamkeit erlangt hatte, als er Uwe Seeler im Spiel Deutschland - Uruguay bei der WM 1966 eine Ohrfeige vepasste. "Ein Klasse-Typ, ein Klasse-Spieler", schwärmt Cremer. Doch die Neuen von der Alemannia kassierten das zigfache von dem, was die Ur-Bonner erhielten, dazu Handgeld. "Den Jungs mache ich keinen Vorwurf. Das war clever verhandelt. Als ich beim Vorstand vorstellig geworden bin, hieß es nur: Es ist kein Geld mehr da. Ich fand das ungerecht."

Der Feierabendprofi Cremer, der tagsüber in der Fleischabteilung von Hertie in der Poststraße arbeitete, spielte murrend eine weitere Saison in Bonn. Das tat er so gut, dass Angebote nicht ausblieben. "Eines Tages stand Horst Buhtz, der Trainer des Wuppertaler SV, mit Gefolge bei mir an der Fleischtheke. Die wollten mich. Das Angebot war so gut, das konnte ich nicht ablehnen. Das war mehr, als die Aachener und Schalker bei uns verdienten."

Was folgte, waren acht Profijahre zwischen erster und zweiter Liga in Wuppertal (1970 - '75), Saarbrücken (1975 - '77) und Pirmasens (1978) - und jede Menge Erinnerungen. Sein erstes Bundesligator gleich bei seinem Debüt gegen Kaiserslautern, der verwandelte Elfmeter gegen Nationaltorhüter Sepp Maier oder der junge Mitspieler in Saarbrücken, dem er eine große Karriere prophezeite: Felix Magath.

Cremer, der heute in Heimerzheim wohnt und dem Fußball als Vorsitzender der Bonner Trainergemeinschaft weiter verbunden ist, hat zu seinem Heimatclub kaum noch Kontakt. 50 Jahre nach Cremers Karrierestart ist nur eines gleich geblieben: Damals wie heute spielt der BSC in der Mittelrheinliga.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Berechtigte Ausgrenzung
Kein Platz für Müller im DFB-Team Berechtigte Ausgrenzung
Aus dem Ressort