Völler liegt voll daneben

Ziemlich genau ein Dutzend Jahre ist es her, als Rudi Völler in seiner legendären Weizenbier-Wutrede mit ARD-Reporter Waldemar Hartmann aneinandergeriet. Der damalige Ausraster ließ sich nach dem blamablen 0:0 der Nationalelf gegen Island mit seiner Enttäuschung in der Rolle des Bundestrainers erklären.

Zugutehalten durfte man ihm den (missglückten) Versuch, sich vor seine Mannschaft zu stellen.

Was der 55 Jahre alte Sportdirektor von Bayer Leverkusen sich am Samstagabend im ZDF-Sportstudio leistete, war voll daneben. Was Völler auf die Palme brachte? Die Entscheidung des ehrenwerten Marcell Jansen, der als Studiogast erklärte, warum er seine Karriere schon im vergleichsweise zarten Profialter von 29 Jahren beendet, statt weiter Kohle zu machen.

Jansens Statement richtete sich gegen das Geschäftemachen mit dem Fußball. Es klang wie ein Hilferuf angesichts ausufernder Kommerzialisierung - wie ein Postulat gegen den Wahnwitz der inflationären Entwicklung bei Ablösesummen und Spielergehältern. Und es lenkte den Blick unweigerlich auf den riesigen Druck, dem nicht alle Akteure standhalten. Er wolle sein Hobby zurück, erklärte Jansen. Das klang nach Sehnsucht, wieder ein Hartplatzheld zu werden.

Jansens freie und mutige Entscheidung verdient großen Respekt - nicht Unverständnis wie das von Völler. Der unterstellte, Jansen habe den Fußball nie geliebt. Und weil dem Leverkusener dieser Tiefpunkt nicht reichte, gab's noch einen Tiefpunkt. Völler sprach von einem "Schlag ins Gesicht" von Sportinvaliden und Jugendlichen, die Fußballprofi werden wollen. So hart mit jemandem ins Gericht zu gehen, der sich die Freiheit genommen hat, eine ehrenhafte Entscheidung zu treffen: Das war noch mal ein niedrigerer Tiefpunkt.

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