Bayer Leverkusen gegen Atlético Madrid Nur ein gelungener Abend - oder mehr?

LEVERKUSEN · Ja, so könnte das Leverkusener Spiel aussehen. Wenn Bayer auch in der Bundesliga die Kurve kriegt. Sich festigt. Die Balance von Defensive und Offensive findet.

 Ein veritables "Feierbiest": Kyriakos Papadopoulos machte anschließend Faxen vor der Fankurve.

Ein veritables "Feierbiest": Kyriakos Papadopoulos machte anschließend Faxen vor der Fankurve.

Foto: AP

Und wenn am Saisonende dann die Ziele erreicht sind, werden sie in der Bayarena vielleicht sagen: "Damals, das Spiel gegen Atlético Madrid, das war der Wendepunkt." Die Reifeprüfung sozusagen.

Bis das Reifezeugnis vielleicht eines Tages ausgestellt werden kann, ist dieses Champions-League-Achtelfinale jedoch nur ein unerwartet guter Auftritt, den nach nur einem Bundesligasieg in diesem Jahr wohl kaum jemand erwartet hatte. Der nicht einmal das Weiterkommen garantiert. Der aber immerhin bewies, dass Talent und Potenzial in der Winterpause nicht etwa an Werder Bremen, den FC Augsburg oder wen auch immer transferiert wurden.

"Wir machen jetzt nicht den Fehler, uns selbst zu feiern", betonte Roger Schmidt. "Die Tür zum Viertelfinale ist nach wie vor offen für Atlético." Allerdings hatte der Leverkusener Trainer während der intensiven 90 Minuten Dinge gesehen, die ihn zuversichtlich stimmten: "Wie wir das Spiel über weite Strecken vom eigenen Tor ferngehalten haben, das war Kompaktheit auf höchstem Niveau. Und dass die Mannschaft nach dem 1:0 die richtige Mischung aus Vorsicht und Mut gefunden hat, zeugt von einer gewissen Reife." Nachdem die Kritik an seiner Arbeit zuletzt immer deutlicher formuliert worden war, freute sich Schmidt sehr still über den gelungenen Mittwochabend.

Während des Spiels hatte der Fußballlehrer jedoch den anderen Roger Schmidt rausgelassen, den emotionalen, der sich auch von einem Meistertrainer nicht am Nasenring durch die Manege ziehen lässt. Als von der Atlético-Bank immer energischer gelbe Karten gefordert wurden, lieferte sich der Leverkusener Coach mit seinem Kollegen Diego Simeone einen verbalen Zweikampf, der der Intensität auf dem Spielfeld kaum nachstand. "Ich lasse mir nicht alles gefallen", sagte Schmidt, "aber unsere Auseinandersetzung ist im Rahmen geblieben."

Das galt auch für die Partie selbst, wenngleich der Madrilene Tiago die Gelb-Rote Karte sah (76.) und der Leverkusener Kyriakos Papadopoulos nicht allzu weit davon entfernt war. Ungewohnt bissig spielte Bayer, beinahe aggressiv, aber keineswegs brutal. Der Mannschaft war anzumerken, dass sie dieses Spiel als ein besonderes betrachtete. "Man hat sofort gesehen, dass wir die Champions League nicht als Kür betrachten", meinte Schmidt. "Wer weiß, wann wir das nächste Mal hier im Achtelfinale stehen."

Während Bayer zu Saisonbeginn hinten zu achtlos und danach vorne zu unentschlossen agierte, stimmte diesmal die Mischung. Mit großer Laufbereitschaft verteidigten die Spieler das eigene Tor, mit überbordender Energie bedrohten sie das gegnerische. "Heute hat man gesehen, was in uns steckt. Ich hoffe, es geht jetzt in der Bundesliga so weiter", sagte Karim Bellarabi, der Wegbereiter zum Tor des Tages.

Der Deutsch-Marokkaner schien die entscheidende Situation bereits vertändelt zu haben, als ihm der ungewöhnliche Laufweg von Hakan Calhanoglu doch noch einen Hackentrick ermöglichte, der später als geniale Vorbereitung gefeiert wurde. Mit Gewalt, als müsse da immenser Frust raus, zimmerte der zuletzt oft kritisierte Calhanoglu den Ball ins Netz (57.). "Man vergisst ja immer, dass er noch sehr jung ist, gerade 21 geworden", sagte Sportdirektor Rudi Völler später. "Hakan hat viel durchgemacht die letzten Monate. Da hilft so ein Tor." Eine Seelenmassage gab's anschließend auch vom eigens angereisten türkischen Nationaltrainer Fatih Terim. Mit dem Ergebnis, dass Calhanoglu wieder in der Auswahl seines Heimatlandes spielen soll.

Keine Frage, es war ein schöner Abend für Bayer Leverkusen. Ob mehr daraus wird, womöglich sogar die Entwicklung zu einem stabilen Spitzenteam, dürfte sich spätestens beim Rückspiel am 17. März zeigen. Bärbeißig und mit finsterem Blick kündigte Atléticos Trainer Diego Simeone schon mal an: "Wir leben noch."

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