Leverkusens Pokal-Aus Eine Pleite, die Hoffnung macht

LEVERKUSEN · Kleine Gesten haben mitunter große Aussagekraft. Als Pep Guardiola und Roger Schmidt nach Mitternacht den Pressekonferenzraum der BayArena verließen, gab der Leverkusener Übungsleiter dem Bayern-Trainer einen freundschaftlichen Klaps auf den Rücken.

 So sehen Verlierer aus: Julian Brandt, Kyriakos Papadopoulos, Roberto Hilbert, Ömer Toprak und Lars Bender nach dem unglücklichen Ausscheiden im Viertelfinale des DFB-Pokals.

So sehen Verlierer aus: Julian Brandt, Kyriakos Papadopoulos, Roberto Hilbert, Ömer Toprak und Lars Bender nach dem unglücklichen Ausscheiden im Viertelfinale des DFB-Pokals.

Foto: dpa

Der zeugte von ebenso hohem Respekt vor der gegnerischen Leistung wie das anerkennende Nicken Guardiolas in Richtung Schmidts.

Für eine schmerzhafte Niederlage lächelte der Coach von Bayer 04 ungewöhnlich viel zur Geisterstunde - begründete aber mit guten Argumenten, warum das Aus im DFB-Pokal-Viertelfinale durch das 3:5 im Elfmeterschießen gegen den großen FC Bayern eine Pleite ist, die Hoffnung macht. Im Kern, weil seine junge Mannschaft noch viel Entwicklungspotenzial birgt. Und weil das "System Schmidt" attraktives Offensivspiel garantiert, aber noch nicht ausgereift ist.

Fest steht jetzt für Leverkusen, dass sich auch 2015 kein Titeltraum erfüllt: das Aus in der Champions League, aktuell Platz vier in der Bundesliga, und nun die gescheiterte Hoffnung vom zweiten DFB-Pokalsieg der Vereinsgeschichte nach 1993. Vor allem Bayer-Kapitän Simon Rolfes, der zum Saisonende nach zehn Jahren im selben Verein ohne Titel in die Fußballer-Rente geht und sich anderen Herausforderungen widmen möchte, wird enttäuscht sein.

Jene, die beim Werksclub weitermachen, können den Blick aber getrost nach vorne richten. Zumal bis auf Rolfes und den 31-jährigen Stefan Kießling die meisten der Leistungsträger noch den größten Teil ihrer Profi-Karriere vor sich haben. "Klar tut es sehr weh, zum zweiten Mal gegen eine große Mannschaft verloren zu haben", bezog Bayer-Trainer Schmidt das Champions-League-Scheitern im Elfmeterdrama von Madrid in seine Analyse ein. Im selben Atemzug versicherte der 48-Jährige, das Erlebte wirke "trotzdem positiv, weil wir es verstanden haben, unser Spiel durchzudrücken".

Schmidt äußerte sich "begeistert von dem, was die Spieler geleistet haben". Und sah sogar einen kurzfristigen Lerneffekt: "Wir waren sehr klar im Kopf bei den Elfmetern, anders als in Madrid. Aber so schmal ist der Grat, manchmal liegt es nur an Glück und Pech." In diesem Fall auch am gegnerischen Torwart: Manuel Neuers Parade des von Josip Drmic gar nicht so schlecht geschossenen ersten Penaltys entschied den erbitterten Pokalkampf zweier Mannschaften auf Augenhöhe.

"Beide hatten die Chancen zum Sieg", sagte Bayern-Trainer Pep Guardiola, der das Elfmeterschießen auf einem Klappstuhl hockend verfolgte. Die Erleichterung war ihm anzusehen. Darüber, dass das Triple für die Münchner weiterhin drin ist, trotz ihrer Verletzungsmisere. "Ich bin sehr glücklich heute, denn wir hatten viele Probleme, konnten nicht rotieren", kommentierte er die Notaufstellung, die keine andere als eine kontrollierende, defensivorientierte Spielweise zugelassen habe.

"Mit Robben und Ribéry sind wir ein anderes Team", sagte der Spanier, der erkennbar mächtigen Bammel vor Bayer 04 gehabt hatte. Vor "einer der schnellsten Mannschaften der Welt", wie Guardiola lobte. Den Leverkusener Hochgeschwindigkeits-Fußball meinte er damit, das Power Pressing, die überfallartigen Angriffe. "Bellarabi, Brandt - das ist nicht einfach gegen sie", erklärte der FCB-Trainer: "Es ist unmöglich, gegen sie über 90 Minuten keine Chancen zuzulassen." Bayern-Sportvorstand Matthias Sammer pflichtete Guardiola bei: "Wir wissen, dass da ein Konkurrent heranwächst."

Julian Brandt, der Anfang Mai 19 Jahre alt wird, ist der vielleicht wertvollste Rohdiamant im zukunftsträchtigen Leverkusener Spielerkader. Hakan Calhanoglu, ein weiteres Juwel, auch erst 21. Und Nationalstürmer Karim Bellarabi, der am Spieltag 25 wurde, ist der dritte wichtige Baustein für eine ungeheure Offensivkraft. Schmidts Aufgabe wird es sein, das wuchtige und spektakuläre Spiel in die Spitze noch zielstrebiger und effektiver zu machen. Die Defensive hat der Bundesliga-Trainernovize nach Problemen in der ersten Saisonhälfte stabilisiert.

Es wird spannend zu beobachten, ob der langfristige Lerneffekt eintritt. den Schmidt erhofft. "Wir werden in den kommenden Jahren belohnt werden", sagte er im Brustton der Überzeugung. In Leverkusen bekommt er dafür mehr Zeit als anderswo, doch irgendwann wird die in diesem Jahr bei acht Punkten Vorsprung auf den Tabellenfünften Schalke 04 ziemlich wahrscheinliche Champions-League-Qualifikation nicht mehr reichen. Irgendwann gilt auch in Vizekusen die einzig wahre Währung - und das sind nun mal Titel.

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