Bayer Leverkusen Das Werk des Maschinenbauers

LEVERKUSEN · Als der Übersetzer zu seiner Linken seine Worte ins Italienische übertrug und redete und redete und redete, guckte Roger Schmidt irgendwann leicht amüsiert zur Seite, als wolle er ausdrücken: Das soll ich alles gesagt haben?

 Meistens lächelt er, mal freundlich, mal spöttisch. Es sei denn, er steht an der Seitenlinie: Bayer-Trainer Roger Schmidt.

Meistens lächelt er, mal freundlich, mal spöttisch. Es sei denn, er steht an der Seitenlinie: Bayer-Trainer Roger Schmidt.

Foto: dpa

Bayer Leverkusens Trainer redet nicht besonders viel auf einer Pressekonferenz. Seine Zusammenfassungen sind ebenso wie sein Antworten einigermaßen knapp und präzise. Aber wahrscheinlich benötigt ein Italiener ein paar Worte mehr, um dasselbe zu sagen wie ein Deutscher.

Schmidt wirkt immer noch ein wenig fremd in diesem ganz großen Fußballgeschäft, deren Teil er doch längst ist. Wie ein Beobachter, der unvermittelt in eine Champions-League-Pressekonferenz gebeamt wurde und die Szenerie hellwach, aber leicht distanziert beobachtet. Meist lächelt der 48-Jährige irgendwie, halb freundlich, halb spöttisch. Als gehörte er nicht wirklich dazu.

Eine Stunde zuvor, da war Schmidt noch ein Trainer gewesen, wie man ihn sich vorstellt. An der Seitenlinie erfüllt er die Klischees nämlich durchaus. Bayer führte mit 2:0 gegen Lazio Rom, durfte aber keinen Gegentreffer kassieren, um nicht in die Europa League zu müssen. Schmidt kann in derart emotionalen Situationen zur Furie werden - wie in der vergangenen Saison, als er sich mit Atletico Madrids Co-Trainer German Burgos anlegte. Mit dem Schlusspfiff kühlt er dann schnell wieder auf Normaltemperatur herunter.

Am Mittwoch dauerte das ein bisschen länger, denn die Freude war größer als nach einem normalen Sieg. 3:0 (1:0) gegen Lazio, erneut die Qualifikation für die Gruppenphase der Champions League geschafft - große Erleichterung. "Du musst als Bundesligavierter ja drei Monate darauf warten, ob du jetzt Königsklasse spielen darfst oder nicht", erklärte Schmidt. "Und heute hat man wirklich gemerkt, was das der Mannschaft bedeutet."

Dass der Trainer ein wenig anders daherkommt als die meisten Kollegen, mag an seiner Geschichte liegen. Oder daran, dass man seine Geschichte kennt und insofern einen ungewöhnlichen Typen erwartet. Einen Typen, der nie auf den Profifußball angewiesen war. Der natürliche Lebensraum des Spielers Schmidt war die 3. Liga, vor allem beim SC Verl, für den er 208 Mal auflief. Auch als Trainer blieb er lange unter dem Radar. Erst mit 40, als ihn Preußen Münster lockte, gab er seinen Beruf als Ingenieur auf und stürzte sich mit allem, was er hatte, in den Fußball. Es folgten Stationen in Paderborn und bei Redbull Salzburg, wo ihn die Leverkusener 2014 für eine Ablöse von 1,5 Millionen aus seinem Vertrag herauskauften.

Was der Spätberufene aus Bayer gemacht hat, war am Mittwoch exemplarisch zu beobachten: eine Balleroberungsmaschine, die den Gegner piesacken kann, bis er mürbe wird. Maschine, klar, Schmidt studierte Maschinenbau. "Wir gehen dann auf die Jagd", hat er diese Spielweise mal in einem Interview mit "11 Freunde" beschrieben. Und von "Schwarmverhalten" gesprochen. Am Ende war das 3:0 nach Toren von Hakan Calhanoglu (40.), Admir Mehmedi (48.) und Karim Bellarabi (88.) nicht einmal zu hoch ausgefallen. Aber selbst Calhanoglu, der Beste an diesem Abend, schien sich ein wenig darüber zu wundern: "Wahnsinn, wie viel Herz und Leidenschaft in dieser Mannschaft steckt."

Seit einiger Zeit gelingt das sogar, ohne die Defensive zu vernachlässigen. Nachdem Bayer unter Schmidt zunächst gern ins offene Messer gelaufen war, verordnete der Trainer ein wenig mehr Zurückhaltung. Mit Erfolg, wie Lazio jetzt zu spüren bekam. "Ich fand es bemerkenswert, dass die Mannschaft nie nervös geworden ist", lobte Schmidt. "Viele Spieler sind jung, haben aber eine gewisse Reife."

Der Fußballlehrer verlangt viel von seinen Profis. Gedanklich und körperlich. Wer mit ihm arbeitet, muss ihm folgen. Heung-Min Son will das offenbar nicht mehr und forcierte seinen Wechsel zu Tottenham Hotspur. Sollten die Engländer wirklich 30 Millionen Euro bieten, wird Bayer den Südkoreaner wohl gehen lassen. Als Ersatz ist seit gestern der Dortmunder Kevin Kampl im Gespräch. Da auch in der Innenverteidigung und im defensiven Mittelfeld noch Bedarf besteht, wartet jetzt viel Arbeit auf Sportdirektor Rudi Völler. "Bis zum Transferschluss am Montag werden wir noch das eine oder andere realisieren", sagt Roger Schmidt. Der Maschinenbauer wird weiter bauen.

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