Leverkusens Trainer Roger Schmidt Arroganzanfall

LEVERKUSEN · Das fair geführte Derby bekam erst nach dem Abpfiff eine giftige Note. Denn die Wut des 1. FC Köln über den Schiedsrichter nach der 1:5 (1:1)-Klatsche löste bei Bayer Leverkusen Arroganz aus.

Trainer Roger Schmidt stellte dem Kölner Kollegen Peter Stöger, den er vor dem Spiel noch für seine gute Arbeit gelobt hatte, ein mieses Zeugnis aus: "Jeder hat seine eigene Philosophie. Ich könnte nicht so spielen, wie Köln gespielt hat. Dann, glaube ich, wäre ich kein Trainer. Das macht mir keinen Spaß." Als hätte er ein schlechtes Gewissen, dass die Werkself aus der Schlüsselszene in der 15. Minute ungeschoren davongekommen war, lobte Schmidt seine Truppe und machte damit den bis auf die letzten fünf Minuten tapfer kämpfenden Gegner klein. "Wir waren die Mannschaft, die alles fürs Spiel getan, die Fußball gespielt hat, die nach vorne gespielt hat, die wunderschöne Tore erzielt hat und auch in der Höhe völlig verdient gewonnen hat."

Dass Leverkusen im 55. Bundesliga-Aufeinandertreffen mit Köln am Ende den bisher höchsten Derby-Erfolg errang, lag an der bekannten Offensiv-Power und den Toren von Karim Bellarabi (26./90.), Josip Drmic (79./88.) und Hakan Calhanoglou mit einem zauberhaften Freistoß zum 2:1 (61.). Doch was die Kölner nach dem Abpfiff in der ausverkauften BayArena fast noch mehr verletzte, war die Reaktion der Sieger. Die Leverkusener eierten wegen der Elfmeter-Situation in der 15. Minute herum, als Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer dem Geißbock-Club einen zweiten klaren Elfmeter verweigert hatte. "Den kann man geben, muss man aber nicht. Genauso wie den ersten Strafstoß. Auch den muss man nicht geben", sagte Clubchef Michael Schade. Und das war weitgehend die Sprachregelung zur Schlüsselszene der Partie.

Auch jedem Leverkusener war klar, dass nach dem ersten Strafstoß von Matthias Lehmann (4. Minute) zum 0:1 die Partie eine andere Wendung genommen hätte. Ein weiterer Elfer für das rüde Einsteigen des schon gelb-vorbelasteten Bernd Leno hätte nach der Regelauslegung zum Platzverweis des Bayer-Torwarts geführt. Die Werkself hatte in dieser Situation zweifellos Glück, dass Kinhöfer, der offenbar auf Foulelfmeter entscheiden wollte, nach Blickkontakt mit seinem Assistenten Marcel Pilgrim Gnade vor Recht walten ließ.

Doch eine Stunde nach dem Abpfiff fand sich tatsächlich ein Bayer-Profi, der den Kölner recht gab. Es war Drmic, der zur Halbzeit für den angeschlagenen Stefan Kießling eingewechselt wurde. "Wäre ich Schiedsrichter, hätte ich vielleicht anders entschieden. Der Ball war weg, Leno trifft den Stürmer, man kann es eigentlich pfeifen", sagte der Schweizer Nationalspieler. Direkt nach dem Spiel hatte er noch vor der Sky-Kamera erklärt, er hätte nicht auf Strafstoß entschieden. Der 22-Jährige wohnt - wie etliche andere Bayer-Spieler - in Köln, was vielleicht sein Verständnis für die FC-Wut positiv beeinflusste.

Diplomat Drmic hatte seinen bisher besten Auftritt im Bayer-Trikot. "Der Knoten ist gelöst. Das tut richtig gut, ich fühle mich erleichtert, es ist ein Hammergefühl", sagte der Stürmer, der mit großen Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen hatte. Zuletzt waren sie gegen Monaco zu sehen gewesen, als der Ex-Nürnberger zwei allerbeste Torchancen vergab, die den Gruppensieg in der Champions League gesichert hätten. Bei seinen Treffern zum 3:1 aus der Drehung und zum 4:1 per Volleyschuss sowie mit der Vorbereitung des 5:1 durch Bellarabi bewies Drmic endlich die Klasse, die ihn bei seinen 17 Toren in der Vorsaison für Nürnberg ausgezeichnet hatte.

Übertroffen wurde Drmic aber noch von Calhanoglou, der seinen perfekten Spielmacher-Auftritt mit zwei Freistößen krönte. Der erste war so geschickt als Aufsetzer geschossen, dass der sonst sichere FC-Keeper Timo Horn alt aussah, weil er Bellarabi das 1:1 auflegte. Und mit einem Freistoß aus 22 Metern auf Weltklasseniveau brachte Calhanoglou sein Team in Führung und dem Spiel die Wende. Erst mit dem 1:1-Ausgleich stand die Defensive stabil. Dann trat auch der große Qualitätsunterschied in der Offensive zwischen der Champions-League-Truppe und dem letztjährigen Zweitligisten krass zutage. Am Samstag kann Leverkusen zeigen, ob seine Offensive auch beim FC Bayern zum Erfolg führt.

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