Vom Basketball-Feld zu den Große-Leute-Feten

Für Rolf "Bibo" Mayr ist jetzt endgültig Schluss - Mit 2,22 m der längste Mann in Nordrhein-Westfalen - Erinnerungen an den Godesberger TV: Ball in die Mitte und spielen

  Das Dribbeln  war nicht seine Sache, aber der Pass hoch unter den Korb war meist für ihn bestimmt: Bibo Mayr beendet am Samstag seine Karriere.

Das Dribbeln war nicht seine Sache, aber der Pass hoch unter den Korb war meist für ihn bestimmt: Bibo Mayr beendet am Samstag seine Karriere.

Foto: Ronald Friese

Bonn. Der merkwürdigste Artikel an der Wand beleuchtet die Alltagsprobleme von Rolf Mayr. "Bibo Mayr: ''Ich bin so groß wie eine Telefonzelle''", steht es in seiner Beueler Versicherungsagentur hinter Glas geschrieben. Dass der Mann 222 Zentimeter misst, ist eigentlich Kuriosum genug, hätte wahrscheinlich aber nicht gereicht, um den Namen Bibo Mayr in der Bonner Region so bekannt zu machen. Hinzu kommt, dass der nach eigenen Angaben "längste Nordrhein-Westfale" nicht unmaßgeblich mit dem Basketball umgehen konnte. Ja, konnte. Denn nun soll für den Center der SG Sechtem in der 1. Regionalliga nun wirklich Schluss sein.

Mayr verweist auf das Zeitungspatchwork an der Wand und sagt: "Als ich 1998 zum ersten Mal meinen Rücktritt erklärt habe, haben meine Mannschaftskameraden mir das geschenkt." Fortan tobte der ehemalige Nationalspieler sich in der Reserve aus. Nachdem die Sechtemer ihre erste Mannschaft jedoch 2002 aus der 2. Bundesliga zurückziehen mussten, wäre mit seiner Weigerung, wieder in der "Ersten" zu spielen, auch das "Projekt Neuanfang" in der 2. Regionalliga gestorben. Der Routinier entschied sich, für weitere zwei Jahre zuzusagen - dann machte ihm der Aufstieg in die 1. Regionalliga einen Strich durch Rechnung. Am Samstag, 20 Uhr, bei den Bergheim Bandits soll es das nun nach 23 Jahren aber endgültig gewesen sein mit dem Liga-Basketball.

Dabei war Bibo Mayr schon 17 Jahre alt, als dem gebürtigen Frankfurter bei der dortigen Eintracht seine außergewöhnliche Größe auch unter dem Korb zugute kam. Von seiner zweiten Station, die so glamourös hätte werden können, ist ihm eher Ernüchterndes in Erinnerung geblieben: das Krafttraining an der Duquesne University (Pittsburgh). Der Coach dort ließ ihn von drei Stunden Training auch schon mal gerne zweieinhalb zuschauen.

Der Horror-Zeit folgte eines der schillerndsten Kapitel - für Mayr und den deutschen Basketball überhaupt. Als er kam, hieß der Verein noch Saturn Köln, als er 1989/90 ging, hinterließ ein inzwischen abgewickeltes Gebilde namens "Galatasaray" für rund ein Jahrzehnt einen schwarzen Fleck auf der Basketball-Karte. Genau dort, wo sie früher in der Domstadt Meistertitel in Serie einfuhren. Den Türken, die ihr Engagement als Angelegenheit der Völkerverständigung verstanden wissen wollten, gingen Lust und Geld aus. Und Mayr? Der ging nach Godesberg, "weil ich nicht umziehen wollte".

Der Godesberger TV war 90/91 als Nachrücker aufgestiegen. Es gab zum ersten Mal Basketball-Bundesliga in Bonn. "Da hätte mehr draus werden können", meint Mayr. Es hätte, wenn ein wenig mehr Professionalität geherrscht hätte. "Ball in die Mitte und spielen" - so hieß das Trainingskonzept laut Mayr. Eine Saisonvorbereitung sei unbekannt gewesen. Und doch sagt er: "Wir sind nur mit Pech wieder abgestiegen." Und: "Von der Begeisterung leben die Telekom Baskets heute noch."

Höhere Ansprüche im Training erhoffte sich der Center dann beim TuS Bramsche. Mit Gunter Behnke, der damals eine bemerkenswerte Saison spielte, habe er sich im Training neutralisiert, erinnert sich Mayr. Bei den Spielen rentierte sich das nicht. Er war rausrotiert und fasste seine Erkenntnis daraus: "Ich gehe nie wieder zu einem Verein, der einfach nur einen großen Mann sucht, sondern nur zu einem, der sagt: ''Wir wollen den Bibo.''"

Mit dem Rhöndorfer TV fand sich dann genau solch ein Klub. Mayr erlebte den Gang aus der Regionalliga (92/93) bis in die 1. Liga (94/95) mit und wäre wohl auch dort geblieben, hätte Coach Rob Friedrich auf ihn gesetzt. So wurde er anschließend in Sechtem heimisch, wo es nun zehn Jahre geworden sind. Dass er so viele Vereinswechsel im Lebenslauf stehen habe, entspräche überhaupt nicht seinem Naturell, sagt Bibo Mayr, der seinen Spitznamen von seinen Kameraden aus der zweiten Klasse erbte. Als Klassenlängster hatte er sich den Vergleich mit dem Riesenvogel aus der Sesamstraße durchaus verdient.

Unverwechselbar zu sein, ist dem heutigen Versicherungsvertreter, der einmal Theologie studiert hat, viel wert. Denn dass der Basketballsport athletischer und professioneller geworden ist, hat für ihn auch Nachteile: "Es hat mir gezeigt, dass Menschen auch austauschbar sind." Und was die Athletik mit sich bringe, sei eine enorme Aggressivität.

Der 40-Jährige sagt: "Wenn ich sehe, was auf den Feldern der 1. Liga so an Ringkämpfen passiert, bin ich froh, dass meine Zeit vorbei ist." Dafür kann der 2,22-Mann jetzt andere Prioritäten setzen: Bei den "Große-Leute-Feten" im Kölner Wartesaal ist Bibo Mayr der absolute Party-Star.

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