GA-Serie Auf dem Weg nach Rio, Folge 41 Zur Belohnung einen Kakao

Königswinter-Bockeroth · Konstanze Klosterhalfen aus Königswinter-Bockeroth ist erst 19 Jahre alt. Bei der U20-Weltmeisterschaft hat die Leichtathletin die Bronzemedaille über 3000 Meter gewonnen. In Kürze wird ein Traum für sie wahr: Die Mittelstrecklerin startet bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro - dann über 1500 Meter.

Rio war für Konstanze Klosterhalfen eigentlich kein Thema. Olympische Spiele – klar, der Traum eines jeden Sportlers. Aber als Nachwuchsläuferin sollte die Junioren-Weltmeisterschaft der unter 20-Jährigen (U 20) im polnischen Bydoszcz ihr Saisonhöhepunkt sein. Auch zwei Wochen vor der Eröffnungsfeier scheint der Zuckerhut für sie noch weit entfernt zu sein. „Ich weiß gar nicht, wann ich fliege“, sagt die 19-Jährige aus Königswinter-Bockeroth fast schon entschuldigend.

Am Mittwoch hatte Klosterhalfen bei dem Rennen, das ursprünglich als Saisonhöhepunkt geplant war, die erhoffte Medaille über 3000 Meter gewonnen. Als zweite Deutsche überhaupt nach der DDR-Läuferin Yvonne Lichtenfeld, die 1988 ebenfalls U 20-WM-Dritte war. Dabei stellte Klosterhalfen mit 8:46,74 Minuten einen deutschen Jugendrekord auf. Mal wieder, könnte man sagen. Es war bereits ihre achte nationale Bestzeit in den vergangenen knapp zwei Jahren auf verschiedenen Strecken. Dreimal lief sie in dieser Zeit U 20-Europarekord.

Freudestrahlend ging Klosterhalfen am Mittwochabend mit der deutschen Fahne auf die Ehrenrunde und zur Siegerehrung. „Im Hotel haben die Trainer dann noch angestoßen – und ich bekam einen Kakao“, erzählt sie. Viel gefeiert werden konnte im deutschen Mannschaftsquartier nicht. Die meisten Athleten standen noch vor ihrem Wettkampf. Doch Klosterhalfen fand kaum Schlaf. „Ich hielt die Medaille in den Händen, kann es aber erst jetzt so langsam begreifen“, erzählt sie.

Es gibt viel zu verarbeiten für die Sport-Studentin. Und Entscheidungen zu fällen. In Bydoszcz zum Beispiel über einen weiteren U 20-WM-Start über 1500 Meter und damit eine weitere Medaillenchance. Klosterhalfen, die auch Kapitänin des deutschen U 20-Teams ist, sagte ab. „Mit Rücksicht auf Rio.“ Erstmals nennt Klosterhalfen die Olympiastadt, die so lange kein Thema in ihrer Saisonplanung war – zumindest offiziell. Doch die kontinuierlichen Steigerungen der vergangenen zwölf Monate ließen Olympia-Träume immer realistischer werden.

Zu Beginn des Jahres 2015 lag Klosterhalfens 1500-Meter-Bestzeit knapp unter 4:20 Minuten. Ein Jahr später bei 4:09,58 Minuten. Das sind auf der Mittelstrecke Welten. Dass diese Zeiten keine Eintagsfliegen sind, bewies Klosterhalfen in der zurückliegenden Hallensaison. Nach 4:08,38 Minuten Anfang Februar war die Olympianorm (4:07,00) plötzlich nur noch etwas mehr als eine Sekunde entfernt. Die Marke fiel, wenn auch knapp, im Mai im tschechischen Ostrava. Während Superstar Usain Bolt über 100 Meter seine Show abzog, gewann die Deutsche etwas schüchterner jubelnd über 1500 Meter (4:06,91). Mit ihrem ersten deutschen Freilufttitel bei den Frauen einen Monat später machte Klosterhalfen die Rio-Nominierung perfekt.

„Koko muss man eher bremsen, weil sie lieber noch mehr und noch schneller laufen möchte“, sagt Trainer Sebastian Weiß über seinen Schützling, den er seit vier Jahren betreut. Schon als Kleinkind mit gerade einmal fünf Jahren kam sie über Bruder Nikolas bei der SSG Königswinter zur Leichtathletik. 2008 folgte Konstanze ihrem großen Bruder zum TSV Bayer 04 Leverkusen. Der vier Jahre ältere Nikolas wechselte zum Fußball, spielte beim Bonner SC in der A-Junioren-Bundesliga und beim FC Hennef in der Regionalliga, bevor er zum Studium in die USA ging.

Konstanze Klosterhalfen blieb der Leichtathletik treu. Als junges Mädchen waren ihre Zeiten gut, aber nicht außergewöhnlich. 2:38,42 Minuten lief sie als Zwölfjährige über 800 Meter. Der Fokus lag auf einem breit ausgelegten allgemeinen Training. Klosterhalfen sprintete und sprang, machte Ballwurf und Mehrkampf, spielte auch Tennis und Handball, ging zum Ballett, übte sich am Klavier und mit der Querflöte. Das hält beweglich – den Körper und im Kopf. Klar war aber immer: Mit 48 Kilogramm bei 1,74 Meter Körpergröße hat die gertenschlanke junge Frau, die auch schon modelte, eine ideale Läuferfigur. „Sie hat ein super Last-Kraft-Verhältnis“, schwärmt Weiß.

Dass ihre Ausdauerwerte fantastisch sind, bewies Klosterhalfen im Frühjahr, als sie aus dem Training heraus deutschen U 20-Rekord im Zehn-Kilometer-Straßenlauf rannte (32:24 Minuten). Bei den Junioren-Weltmeisterschaften auf die 3000 Meter statt auf die 1500 Meter zu setzen, war deshalb nur eine logische Konsequenz. Langfristig kann sich Weiß Klosterhalfen auch auf der 5000-Meter-Distanz vorstellen (3000 Meter sind nicht olympisch). Für Rio wäre das aber zu früh gekommen. Vielleicht ist bei den Olympischen Spielen für Klosterhalfen aber die Zeit gekommen, eine ihrer Gewohnheiten zu ändern. „Ich schaue mir vor einem Rennen nie die Meldeliste an“, sagt sie.

Ob die 19-Jährige auch angesichts der großen Stars, gegen die sie in Brasilien antreten wird, ihre Neugier zügeln kann?

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