Sonntagskicker Zum Zuschauen verurteilt

BONN · Wegen Passmanipulationen hat der Fußballkreis Bonn die Mannschaft von Eintracht Geislar bis 30. Juni gesperrt. Spieler Frank Decker sagt, er habe damit nichts zu tun und ist empört, dass er für Verfehlungen anderer büßen soll.

 Im Wartestand: Frank Decker kann seiner Fußball-Leidenschaft derzeit nicht nachgehen. FOTO: WOLFGANG HENRY

Im Wartestand: Frank Decker kann seiner Fußball-Leidenschaft derzeit nicht nachgehen. FOTO: WOLFGANG HENRY

Foto: Wolfgang Henry

Die Sonntage sind für Frank Decker nicht mehr das, was sie einmal waren. Seit über 40 Jahren spielt der 48-Jährige Fußball und war in dieser Zeit für zehn verschiedene Clubs aktiv, darunter der SV Beuel 06, FC Flerzheim und zuletzt Eintracht Geislar. Doch am 30. März hat Deckers Laufbahn ein vorläufiges und vor allem abruptes Ende gefunden.

Es ist keine Verletzung oder Sperre, die den Beamten des Auswärtigen Amtes zu einer Pause zwingen, geschweige denn ein von ihm selbst gewählter Abschied vom Fußball. Vielmehr ist Decker zum Zuschauen verurteilt – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn an jenem 30. März hat die Spruchkammer des Bonner Fußballkreises alle Spieler der ersten Mannschaft von Eintracht Geislar bis zum 30. Juni für jeglichen Spielbetrieb gesperrt. Hintergrund sind Manipulationen bei Spielerpässen, durch die die Geislarer Spieler in der Kreisliga B einsetzten, die nicht spielberechtigt waren. Neben der Sperre für die Akteure der ersten Mannschaft entschied die Spruchkammer auch, dass alle Seniorenmannschaften des Vereins bis zum 30. Juni 2018 auf Bewährung spielen und der damalige Vereinsvorsitzende Guiseppe Todaro für drei Jahre gesperrt wird.

Als einer der betroffenen Spieler macht Decker dieses Urteil fassungslos: „Man kann doch nicht eine ganze Mannschaft sperren. Was habe ich denn als Spieler mit der Manipulation von Pässen zu tun?“ Der 48-Jährige beteuert, nichts von den Fälschungen gewusst zu haben, ehe es ihm der Trainer nach dem Spiel gegen den SV Ennert-Küdinghoven II am 19. März gesagt habe. Eine Woche später bestritt die Eintracht gegen den SV Vorgebirge das vorerst letzte Meisterschaftsspiel: Am Montag danach zog der neugewählte Vorstand um den ersten Vorsitzenden Andreas Knott und Geschäftsführer Claudius Brandt das Team zurück – nach mehrfachen Manipulationen.

In erste Schwierigkeiten war der Verein Anfang dieses Jahres gekommen, als herauskam, dass die Rechtsrheinischen einen Spieler eingesetzt hatten, der auch für den 1. FC Hardtberg in der zweiten B-Klassenstaffel im Einsatz war. Dort spielte er unter dem Nachnamen seines Vaters, in Geislar unter dem seiner Mutter. Allerdings hatte er nur bei den Hardtbergern eine ordnungsgemäße Spielberechtigung. „Für uns eine ziemlich blöde Geschichte, dafür haben wir vor der Spruchkammer einen auf den Deckel bekommen“, erzählt Brandt.

„Eine hervorragende Idee“

Die nächste böse Überraschung ließ jedoch nicht lange auf sich warten: Wenig später stellte sich heraus, dass Geislar im Ligaspiel gegen den SSV Bornheim II am 5. März einen Spieler eingesetzt hatte, der bis zum 30. Juni gesperrt ist. Dafür war das Foto des Spielers auf einen anderen Pass geklebt worden, wodurch er unter einem anderen Namen spielte. Dieser Fall brachte das Fass für den Vorstand zum Überlaufen, wie Brandt betont: „Da ist uns klar geworden, dass das alles immer schlimmer wird. Deshalb haben wir die Reißleine gezogen und die Mannschaft abgemeldet.“ Ihnen sei klar gewesen, so Brandt, dass die Spruchkammer dies ohnehin getan hätte und der selbstgewählte Rückzug dem Verein einiges Geld spare.

Dass die beiden bekannten Fälle wohl nicht die einzigen Manipulationen waren, wurde bei der Verhandlung deutlich, zu der die Geislarer alle Spielerpässe der ersten Mannschaft mitbrachten. „Uns war am Ende nicht mehr klar, wer noch spielen darf und wer nicht. Es ist schon beschämend, dass so etwas in der Kreisliga B passiert“, sagt Roman Wagner, Vorsitzender der Kreisspruchkammer. Da eine hohe Geldstrafe vor allem der Jugendarbeit des Vereins geschadet hätte, entschied sich das Sportgericht für die Sperre der Spieler. Punkten konnte der Verein zudem mit der bereits praktizierten Idee, alle Pässe zu laminieren und so Manipulationen vorzubeugen. „Eine hervorragende Idee“, meint Wagner, der befürwortet, dass dieses Prinzip flächendeckend im Fußballverband Mittelrhein eingeführt wird.

Auf eine Berufung verzichteten die Geislarer Verantwortlichen. „Die Spruchkammer hat uns mit dem Urteil die Chance gegeben, noch mal neu anzufangen. Dafür müssen wir uns bedanken“, sagt Brandt. Die Trauer über die nicht mehr existente erste Mannschaft hält sich bei ihm darüber hinaus in Grenzen: „Diese Mannschaft hat uns in der vergangenen und laufenden Saison über 1300 Euro an Strafgeldern gekostet.“ Auf eine Anmeldung des Teams für die nächste Spielzeit will der Club verzichten und stattdessen die heutige zweite Mannschaft zur ersten befördern. Diese wird 2017/18 dann in der Kreisliga C antreten.

Während sich der Verein mit dem Urteil arrangiert hat, fordert Decker, die Sperre für die nicht an der Manipulation beteiligten Spieler aufzuheben: „Die Spruchkammer muss uns freisprechen. Wenn in einer Läuferstaffel ein Athlet gedopt ist, werden die anderen drei ja auch nicht gesperrt.“ Mit ein paar ehemaligen Mitspielern steht er noch in Kontakt und vermisst das gemeinsame Spiel am Wochenende. „Ich habe sehr gerne in der B-Klasse gespielt und denke mir jeden Sonntag: „Das kann doch nicht wahr sein““, so Decker. Mit einer Rückkehr auf den Platz muss er sich nach jetzigem Stand bis zum 1. Juli gedulden. Bis dahin bleibt Decker nur die Zuschauerrolle.

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