GA-Serie "Sportverletzungen" Und plötzlich reißt die Sehne

BONN · Reiner Wipperfürth wusste sofort, dass etwas passiert ist. Ein Knall wie von einem Peitschenhieb schallte durch die Badmintonhalle, als der Hobbysportler in den Ausfallschritt springt. Der heute 51-Jährige hatte sich einen Riss der Achillessehne, der stärksten Sehne des menschlichen Körpers, zugezogen.

Der linke Fuß bewegt sich behutsam rückwärts, die Partnerin mit beiden Händen fest im Griff, eine halbe Drehung, der rechte Fuß zieht nach. Reiner Wipperfürth tanzt auf dem Maifest in Beuel Küdinghoven. Gute Stimmung, die Menschen feiern, eigentlich nichts Besonderes – für Wipperfürth schon. Der 51-Jährige tanzt einen Walzer mit seiner Frau Petra. Das ist erstaunlich, denn Wipperfürth hat sich zwei Wochen zuvor einer schweren Operation unterziehen müssen. Er trägt an diesem Tag einen Spezialschuh und ist glücklich, für diesen Moment wieder schmerzfrei zu sein. Rainer Wipperfürth ist die Achillessehne gerissen.

Die Verletzung liegt bereits vier Jahre zurück, sie ist aber noch immer spürbar. „Eigentlich ist alles wieder in Ordnung. Nur beim Gehen in Steigungen habe ich heute noch Probleme“, sagt der 51-Jährige. „Die eine Sehne ist verkürzt, daher bekomme ich dabei große Schwierigkeiten und muss den Fuß nach außen stellen. Ansonsten ist alles gut verheilt.“ Verheilt schon und Wipperfürth kann auch wieder Sport treiben, doch die Angst vor einem erneuten Riss ist sein ständiger Begleiter.

Die Achillessehne ist die stärkste Sehne des menschlichen Körpers. Und dennoch ist der Riss unter den Sportverletzungen keine Seltenheit: „Eine Achillessehnenruptur ist in der Regel degenerativer Art, das sind also keine traumatischen Risse durch Sprünge“, sagt Dr. Jochen Müller-Stromberg, Chefarzt Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin am Gemeinschaftskrankenhaus Bonn „Es passiert meistens beim Badminton oder Tennis und Menschen mittleren Alters. Oft sind diese Sehnen schon vorgeschädigt, ohne dass aber zuvor Beschwerden bestanden.“

"Man spürt einen kleinen Knubbel"

Wipperfürth zählt eigentlich eher das Tauchen zu seinen Hobbies. Vor vier Jahren will er mal eine andere Sportart ausprobieren und geht mit einem Freund Badminton spielen. Einmal angefixt, wird das Rückschlagspiel schnell zum neuen Hobby. In einem Bonner Badminton-Center steht ein Doppel auf dem Programm. Im Spiel macht Wipperfürth einen Ausfallschritt mit dem rechten Bein. Eine Bewegung zu viel. Ein peitschenartiger Knall – die Sehne reißt. Der 51-Jährige merkt direkt, dass etwas passiert ist. „Das ist wie ein Gummiband, das am Bein hochflitscht. Ich wusste sofort, da ist die Achillessehne gerissen“, erinnert er sich. Eine halbe Stunde später befindet sich der Hobbysportler mit seiner Frau bereits im Sankt Josef-Hospital in Beuel, die Ärzte diagnostizieren den Riss der Achillessehne. „Man spürt einen kleinen Knubbel. Um überhaupt Laufen zu können, musste ich den linken Fuß um 90 Grad nach außen drehen“, so Wipperfürth. „Man hat gemerkt, wie die Sehne nur noch hinten an der Wade hing“. Die Operation findet am nächsten Tag statt und dauert 45 Minuten. Drei Tage später kann der Patient schon wieder nach Hause.

Wipperfürth bekommt einen Spezialschuh, der fast bis ans Knie reicht. Der Fuß wird darin durch Vakuumkissen fixiert. „Die Sehne wird einfach miteinander vernäht und muss dann in Ruhe ausheilen. Das Sprunggelenk muss sechs Wochen ruhig gestellt werden“, sagt Müller-Stromberg. Ein Vorgang, der Risiken mit sich bringt. Durch die lange Ruhigstellung ist laut Experten die Gefahr einer Thrombose hoch. Daher ist die medikamentöse Prophylaxe besonders wichtig. Wipperfürth muss sich täglich Spritzen geben. Diese werden in die Fettschicht am Bauch injiziert. Nicht die einzige Gefahr: „Das Risiko einer Infektion ist bei Operationen dieser Art größer“, so Müller-Stromberg. „Die Achillessehne ist an der Ferse ganz schlecht durchblutetes Gewebe“. Dies sei mitunter auch ein Grund für das Reißen der Sehne und eine schlechtere Wundheilung, sagt der Experte.

In der Regel legt der Arzt fest, wie lang dieser Schuh dann während der Rekonvaleszenz getragen werden muss. Für die Reha darf der Physiotherapeut das Hilfsmittel aber ablegen. Das Fußgelenk und die Achillessehne sind oft massiv geschwollen. „Eine unserer Hauptaufgaben ist in solchen Situationen, immer über manuelle Maßnahmen, wie zum Beispiel Lymphdrainagen, abschwellende Manual-Therapie und Krankengymnastik die Achillessehne selber und auch die umliegenden Strukturen am Fuß zum Abschwellen zu bringen“, erklärt Andreas Stommel, Leiter des Bonner Zentrum für Ambulante Rehabilitation (BZfAR). Der Physiotherapeut arbeitet bei solchen Verletzungen häufig mit Kompressionen zur Lymphdrainage. Also funktionelle Druckverbände, die nicht um den Fuß, sondern um den Unterschenkel, manchmal auch bis über das Knie, angelegt werden.

Drei Monate arbeitsunfähig

Zu Hause soll das Bein meist hochgelagert liegen – in der sogenannten Drainagelage, um den venösen Abfluss der Lymphe zu gewährleisten. Wipperfürth ist insgesamt für drei Monate arbeitsunfähig. „Die Heilungschancen sind bei normalem Verlauf eigentlich sehr gut – weit über 95 Prozent“, sagt Müller-Stromberg. „Sport kann nach drei Monaten mit langsamen Training und Wettkampf nach sechs Monaten wieder aufgenommen werden.“

Zur Wiederherstellung der Mobilität und auch zum Muskelaufbau setzen die Physiotherapeuten häufig Therabänder ein. Die Gummiartigen Hilfsmittel eignen sich gut für verschiedene Übungen. Durch Aqua-Jogging und andere Übungen im Bewegungsbad wird der gesamte Körper trainiert. Die Muskulatur wird aktiviert, das Herz-Kreislauf-System und die Ausdauer des Patienten gefördert. „Der Wasserauftrieb ist therapeutisch hoch wertvoll, der Patient kann zum Beispiel nicht stürzen“, erklärt Stommel.

Wipperfürth beschränkt sich nun auf das Fitnessstudio und macht Kräftigungsübungen für den Rücken und die Muskulatur. Andere Sportarten lässt er lieber sein, nicht zuletzt aus Respekt vor einer erneuten, einer Re-Ruptur. Das Tanzen mit Ehefrau Petra geschah damals eher aus der Laune heraus und ist keine besondere Leidenschaft. „Ich kann eigentlich gar nicht tanzen,“ gibt er heute zu. Doch Wipperfürth ist froh, dass es zumindest theoretisch wieder möglich ist.

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