Fußball im Pay-TV Torschrei in der "JoJo"-Bar

Berlin · Wer sehen will, muss zahlen: Eine kleine Geschichte des deutschen Fußballs im Pay-TV.

 Blau-weiße Begeisterung: Bezahlfernsehen führt zu vermehrtem Rudelgucken. Hier jubeln Schalke-Fans.

Blau-weiße Begeisterung: Bezahlfernsehen führt zu vermehrtem Rudelgucken. Hier jubeln Schalke-Fans.

Foto: dpa

Es ist 20.35 Uhr. An einem "normalen" Abend sitzen hier ein paar Biertrinker, vielleicht noch zwei Hunde, und einige Billardexperten. Doch jetzt, zehn Minuten vor dem Anstoß zum Halbfinale der Champions League Bayern München gegen Real Madrid, ist das "JoJo" im bürgerlichen Charlottenburg das, was die Arena in München 600 Kilometer südlich auch ist: ausverkauft. Der Kiez guckt Fußball. Alle Sitzplätze seit knapp einer Stunde belegt. Und auch beim Stehen in der dritten Reihe wird es eng. Wer kein Sky hat, weil es zu teuer ist, oder wer lieber in Gemeinschaft jubelt, hadert, trauert, ist jetzt im "JoJo". Oder einer anderen Kneipe mit Bezahl-TV.

Fußball ist Show-Geschäft, Fußball ist ein Wirtschaftszweig mit anderen angeschlossenen Wirtschaftszweigen. Dazu zählt in Deutschland seit 1991 das bezahlte Fernsehen. Neudeutsch: Pay-TV. Das Problem: Die "Knaller" im Bezahlfernsehen waren als Programmbestandteil immer attraktiv. Aber Attraktionen kosten Geld. In diesem Fall keine öffentlich-rechtlichen Gebühren sondern Abonnements. Doch wirklich bezahlen wollten über Jahre zu wenige Fans, um zumindest eine schwarze Null mit dem Bezahlfernsehen zu schreiben. Über Jahre hatte beispielsweise der Bezahlsender Premiere Zahlungsausfälle, weil findige Fußballfans sich illegal ins Netz gehackt und so die Ware Fußball oder Formel 1 "schwarz" gesehen hatten, ehe es Premiere schließlich gelang, diese Sicherheitslücke technisch über ein neues Verschlüsselungssystem zu schließen. Natürlich will jeder Fußballfan Topspiele, die die öffentlich-rechtlichen oder privaten Sender nicht live übertragen, verfolgen, wenn er schon nicht im Stadion ist. Zuhause ist es auch schön. Oder an der Theke im Torrausch mit anderen.

Premiere mühte sich ab. 1991 zeigte der Sender als Pionier des Bezahl-TV das erste Bundesligaspiel live und verschlüsselt im Fernsehen. Doch erst mit dem Start der Saison 2000/2001 entwickelte sich ein Programmformat, das heute Standard ist: alle Spiele live plus Konferenzmodus im Pay-TV. Premiere war mit dem Bezahlfernsehen nur bedingt erfolgreich, was nicht alleine am Sport lag. Doch auch nach dem Start des Digitalangebots "Premiere digital", mit dem das Programm von einem analogen Kanal auf drei digitale Kanäle erweitert wurde, und der Fusion 1999 mit dem Wettbewerber DF1 zu "Premiere World", konnte der Sender seine Abonnentenzahl nicht nennenswert steigern. Die Folge: tiefrote Zahlen wie schon bei den beiden Vorgängerunternehmen. 2002 konnte gar die Insolvenz von Premiere, auch eine Folge der Pleite der Kirch-Gruppe als direkter Gesellschafter von Premiere, nur knapp verhindert werden.

Dabei ist Fußball ein Milliardengeschäft mit Millionen Kunden. Vor allem an den Bildschirmgeräten. Annähernd 400 000 Fans strömen jedes Wochenende in die Stadien der 18 Klubs der ersten Bundesliga. Ausverkauft in München. Ausverkauft in Dortmund. Ausverkauft auf Schalke. Häufig wieder ausverkauft auch in Mönchengladbach. Ausverkauft die "JoJo"-Bar in Charlottenburg. Fußball total. 14 Millionen Zuschauer sehen nach einer Analyse im Auftrag der Deutschen Fußball Liga die Spiele der Bundesliga live oder in der Zusammenfassung im Fernsehen. Die Anziehungskraft der Bundesliga ist enorm. Allein in der Spielzeit 2009/2010 setzten die Vereine und Kapitalgesellschaften der höchsten deutschen Fußball-Spielklasse 1,77 Milliarden Euro um. Im Schnitt erwirtschafteten die Klubs jeweils 98,3 Millionen Euro, der größte Teil davon (je knapp 29 Prozent) aus Werbung und Einnahmen aus den Fernsehrechten.

Der Bezahlsender Sky, Nachfolger von Premiere, lieferte bei der DFL für den Vertrag von vier Spielzeiten zuletzt 250 Millionen Euro pro Saison ab. Und die wollen im wahrsten Sinne des Wortes erst einmal eingespielt werden. Das gilt erst recht für den neuen Kontrakt bis 2017. Sky hat wieder den Liga-Zuschlag für die Live-Übertragungen, die ARD für die Zusammenfassungen in der "Sportschau". Das Gesamtvolumen für beide Anbieter: 2,5 Milliarden Euro. Ein echter Sprung. Bislang waren es gesamt 1,65 Milliarden Euro. Da darf, nein, da muss geguckt werden. Und bezahlt.

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