Die Sonntagskicker Schlusspfiff nach 31 Jahren

BONN · Typen: Am Sonntag steht für Uli Hertrampf die letzte Partie als Trainer an. In über drei Jahrzehnten erlebte er Manipulation, ein exotisches Trainingslager und fand seine persönliche Erfolgsdefinition.

 Bald Vergangenheit: Ulli Hertrampf am Platz des BSV Roleber.

Bald Vergangenheit: Ulli Hertrampf am Platz des BSV Roleber.

Foto: MLH

Zum letzten Mal die Hütchen für das Warmmachen aufstellen, zum letzten Mal die Mannschaft vor dem Spiel in der Kabine motivieren und dann zum letzten Mal 90 Minuten Fußball als Trainer an der Seitenlinie erleben: Der anstehende Sonntag hält für Uli Hertrampf als Coach des A-Kreisligisten BSV Roleber viele dieser letzten Male bereit. Wenn der Schiedsrichter gegen 16.45 Uhr das Heimspiel gegen die Sportfreunde Ippendorf abpfeifen wird, ist für Hertrampf und sein Team nicht nur die Saison beendet: Nach 31 Jahren zieht der 60-jährige einen Schlussstrich unter seine Trainerlaufbahn.

„Das Bewusstsein, dass es zu Ende geht, begleitet mich natürlich schon in den letzten Wochen und wird intensiver. Für das Spiel selbst mache ich mir wenig Gedanken, aber schwer wird es sicherlich danach, wenn hier der letzte Schlusspfiff ertönt“, ist Hertrampf überzeugt. Anschließend steht in Roleber folglich nicht nur die Saisonabschlussfeier an, sondern auch die Verabschiedung des Trainers, der in den letzten sechs Jahren seine längste Trainerstation beim BSV verbrachte.

Der Entschluss, nach dieser Saison die Trainerbank zu verlassen, war jedoch mehr eine Vernunftentscheidung als eine des Herzens, denn einige körperliche Beschwerden machten ihm in letzter Zeit zu schaffen. „Das waren alles Zeichen, die mir gesagt haben, dass ich etwas herunterfahren muss“, sagt Hertrampf. Da er bei seiner Arbeitsstelle in der Betreuungsbehörde der Stadt Bonn keine Abstriche machen kann, muss er es beim Fußball tun. „Ich höre auf jeden Fall mit einem sehr großen weinenden Auge auf. Das Lachende muss sich erst entwickeln, denn hier in Roleber habe ich überragende sechs Jahre erlebt.“

Der rechtsrheinische Verein markiert für Hertrampf dabei nicht nur das Ende, sondern auch den Beginn seiner fußballerischen Laufbahn: Da ihm seine Eltern das Fußball spielen im Verein lange verboten, fing er erst im zweiten A-Jugendjahr damit an – beim BSV Roleber. „Obwohl es meine große Leidenschaft war, haben es meine Eltern mir nicht erlaubt. Für sie war Fußball ein Proletensport“, erinnert sich Hertrampf.

Als er seine Leidenschaft endlich ausüben durfte, stellten sich ihm neue Probleme in den Weg. Zum einen konnte er durch sein Studium und zwei Jobs nicht regelmäßig auf dem Platz stehen, zum anderen bereiteten ihm mehrere Verletzungen an den Sprunggelenken Probleme, weshalb er sich operieren ließ. „Nach der Operation habe ich den Arzt gefragt, wie meine Bänder aussehen würden. Da hat er ganz trocken geantwortet: Bänder? Welche Bänder? Sie haben keine Bänder mehr. Mit 28 Jahren hatte ich Gelenke wie ein 60-jähriger und musste meine Karriere beenden“, erzählt Hertrampf, der noch beim TuS Finkenberg (heute SV Ennert-Küdinghoven) und beim Bonner SC II aktiv war.

Nach einer kurzen Trauerphase entschied sich der leidenschaftliche Snookerspieler schließlich dazu, Trainer zu werden und so weiter dem Fußball verbunden zu bleiben. Doch gleich bei seiner ersten Station erfuhr er eine weitere Schattenseite des Sports: Von einem Vereinssponsor wurde Hertrampf aufgefordert, eine Partie absichtlich zu verlieren, um so einem anderen Klub zu schaden, der sich von jenem Geldgeber getrennt hatte.

„Ich war völlig entsetzt, weil es für mich undenkbar war. Als Trainer kann ich mich ja nicht hinstellen und den Spielern von Woche zu Woche sagen, dass sie kämpfen und alles geben sollen, und dann sage ich auf einmal, dass wir in einem Spiel das genaue Gegenteil machen“, betont Hertrampf. Nach einem Gespräch mit dem Vorstand trennte sich der Verein vom Sponsor, doch für Hertrampf blieb es nicht die einzige Konfrontation mit Schiebung: Rund 20 Jahre später wurde er selbst Leidtragender einer Spielmanipulation.

Zu den Höhepunkten seiner Laufbahn als Coach zählen neben den sechs Spielzeiten beim BSV Roleber ein Trainingslager auf Sri Lanka mit dem ASV St. Augustin, bei dem das Team ein Testspiel vor 2000 Zuschauern inklusive Hymnen und Blumengebinden absolvierte, oder die Zeit bei der A-Jugend des FV Bad Honnef. Dort trainierte er auf hohem Niveau und mit zahlreichen Ausnahmekönnern wie dem heutigen Alfterer Mehmet Dogan, erlebte in drei Jahren als Trainer aber auch zwei Abstiege und einen Aufstieg. „Nach dem zweiten Abstieg habe ich auf dem Platz geheult und wollte zum ersten Mal meine Trainerlaufbahn beenden. Das hat mich emotional so mitgenommen.“

Diese Emotionalität trägt Hertrampf bis heute in sich, sodass er während eines Spiels auch Mal aus Frust gegen die Wand des kleinen Holzhäuschens auf dem Roleberer Sportplatz tritt. Und dennoch ist er kein Trainer, der dem Erfolg absolut alles untergeordnet hat: „Eigentlich ist mein größter Erfolg, dass ich über die ganzen Jahre so viele gute Kontakte geknüpft habe und mich heute freuen kann, diesen Leuten nochmal zu begegnen. Dieser menschliche Aspekt ist für mich immer das Wichtigste gewesen.“

Bei aller Wehmut über das Ende eines großen Kapitels im Leben, freut er sich nun auf mehr Freiräume. „Mit etwas Abstand werde ich es genießen, dass ich mich den Fußballterminen nicht mehr unterordnen muss“, so Hertrampf. Zwar ist geplant, ihn in einer noch nicht definierten Funktion an den Verein zu binden, doch ein Comeback als Trainer schließt er aus: „Vielleicht übernehme ich als Rentner nochmal eine Bambini-Truppe, aber der Seniorenbereich wird für mich ab Sonntag mit sehr großer Wahrscheinlichkeit Geschichte sein.“

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