Sonntagskicker Nippon in Niederkassel

NIEDERKASSEL · Seit einigen Jahren spielen vermehrt Japaner im deutschen Amateurfußball. Der Traum der Kicker aus Fernost: Eine Karriere im Profifußball. Gleich vier Japaner stehen im Kader des Bezirksligisten Niederkassel.

 9000 Kilometer von der Heimat entfernt: Joji Shinoda, Rei Yamada, Daiki Kitabata und Yuki Takizawa.

9000 Kilometer von der Heimat entfernt: Joji Shinoda, Rei Yamada, Daiki Kitabata und Yuki Takizawa.

Foto: Kirch

„Das Land der aufgehenden Sonne“ – eine Beschreibung, mit der Japan häufig charakterisiert wird. Auch wenn Niederkassel rechtsrheinisch und damit aus Bonner Sicht östlich liegt, fällt auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeit mit dem asiatischen Staat auf. Doch beim 1. FC Niederkassel gibt es fast so etwas wie eine japanische Exklave: Mit Yuki Takizawa, Daiki Kitabata, Joji Shinoda und Rei Yamada stehen gleich vier Japaner im Kader des Bezirksligisten.

In der Bundesliga gehören Akteure wie Dortmunds Shinji Kagawa, der Kölner Yuya Osako oder Makoto Hasebe von Eintracht Frankfurt längst zur Normalität. Seit einigen Jahren aber wechseln auch immer mehr Amateurkicker aus Japan zu deutschen Teams zwischen Regionalliga und Bezirksklasse. Sie alle eint die Hoffnung, im über 9000 Kilometer entfernten Deutschland eines Tages den Sprung in den Profifußball zu schaffen.

Der 1. FC Niederkassel nimmt bei der Verpflichtung von jungen japanischen Spielern eine Vorreiterrolle ein: Bereits vor etlichen Jahren und somit vor dem aktuellen Boom standen die ersten Akteure im Kader. „Japaner sind fußballerisch gut ausgebildet, sehr fußballverrückt und dazu im Sozialverhalten absolut vorbildlich. Wir haben in all den Jahren noch nie schlechte Erfahrungen gemacht“, erklärt Niederkassels Vorsitzender Marc Pfister die Vorliebe des Vereins für die asiatischen Kicker. Auch Trainer Sven Rasch kann nur Positives über Takizawa und seine Mitstreiter berichten: „Die Jungs zeigen Laufbereitschaft ohne Ende und sind extrem diszipliniert, auch im Training. Damit ziehen sie auch die anderen Spieler mit.“

Welchen Wert die Japaner in der Mannschaft haben, zeigte sich wieder am vergangenen Sonntag: Beim 4:0-Auswärtssieg gegen den SV Beuel 06 erzielten Kitabata und Takizawa jeweils ein Tor. Neben den beiden Torschützen ist auch Shinoda mittlerweile unumstrittener Stammspieler in der Elf von Trainer Rasch. Doch die Eingewöhnung nach ihrer Ankunft in Deutschland fiel ihnen zunächst nicht nur kulturell, sondern auch fußballerisch schwer. „Anfangs war es nicht einfach, weil der Fußball in Deutschland sehr kämpferisch und körperlich ist. Aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt“, sagt Takizawa, der ein bisschen deutsch spricht.

Der 24-jährige Offensivspieler ist der älteste unter den Vieren und damit eine Art Leitwolf für seine jüngeren Landsleute. Von einer Universitätsmannschaft in Tokio wagte er den Schritt nach Deutschland und spielt nun schon in seiner zweiten Saison beim 1. FC Niederkassel. Abgesehen von einem Job in einem japanischen Restaurant in Köln gilt seine gesamte Konzentration dem Fußball – und damit der Arbeit an seinem großen Traum, Profi zu werden. „Mein Ziel ist, in der Regionalliga zu spielen“, hofft Takizawa auf einen baldigen Karrieresprung.

Ob ihren Schützlingen eines Tages wirklich der Sprung in den Profifußball gelingt, daran haben Pfister und Rasch jedoch Zweifel: „Von der Qualität und Ausbildung reicht das einfach nicht, da muss man ehrlich sein. Aber die Mittelrheinliga oder vielleicht sogar Regionalliga ist ihnen zuzutrauen“, meint Rasch. Für die Ligen darüber seien Takizawa und Co. schon zu alt, um die nötige Qualität nachzuholen.

Da diese für die Bezirksliga aber allemal reicht, lotsen die Niederkasseler immer wieder japanische Spieler an den Rhein. Der Kontakt nach Asien läuft über die Dürener Fußballschule „Soccer Life“, die sich auf die Vermittlung von jungen Japanern zu deutschen Amateurclubs spezialisiert hat. Betrieben wird die Fußballschule von Ex-Profi Gert Engels, der zwischen 1975 und 1978 bei Borussia Mönchengladbach spielte und anschließend über fast zwei Jahrzehnte verschiedene japanische Clubs trainierte, darunter auch die bekannten Urawa Red Diamonds.

Während sich „Soccer Life“ um alle behördlichen Formalitäten kümmert, beantragt der Verein einen Spielerpass beim Westdeutschen Fußballverband in Duisburg. Für die Ausstellung eines Passes benötigt der WDFV stets die Freigabe vom japanischen Verband. „Erfreulicherweise geht das immer sehr schnell, denn der japanische Verband meldet sich in der Regel innerhalb einer Woche“, berichtet Pfister. In Niederkassel angekommen, besorgt der Verein den Japanern schließlich noch eine Unterkunft. Da das alles mit einigen Kosten verbunden ist, kommen nur Spieler nach Deutschland, die in Japan über eine gute finanzielle Basis verfügen.

Dass sich die Spieler trotz der großen Entfernung zu ihrer Heimat in Niederkassel wohlfühlen, beweisen Kitabata und Shinoda: Beide kamen in der vergangenen Winterpause, halfen in der zweiten Saisonhälfte beim Klassenerhalt und verlängerten anschließend ihren Vertrag. Mit ihnen sowie Takizawa und Yamada haben die Niederkasseler allerdings auch die Grenze ihrer Kapazitäten erreicht, wie Trainer Rasch sagt: „Wir nehmen immer bis zu vier Spieler auf, denn mehr geht nicht. Die Kommunikation ist schon eine schwierige Sache.“ Auf dem Platz ist von Verständigungsproblemen jedoch nichts mehr zu sehen. Fußball bleibt schließlich Fußball – ob nun auf Deutsch oder Japanisch.

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