Paralympics Judo-Zwillinge Brussig: Die Unzertrennlichen

Rio de Janeiro · Die Feier fällt verhalten aus: Ohne großes Tamtam genießen die Judo-Zwillinge Carmen und Ramona gemeinsam ihren erneuten Paralympics-Erfolg. Sie gelten als unzertrennlich und längst ist nicht alles gleich bei ihnen.

 Carmen (l) und Ramona Brussig posieren mit ihren Silber-Medaillen.

Carmen (l) und Ramona Brussig posieren mit ihren Silber-Medaillen.

Foto: Jens Büttner

Durch den künstlichen Nebel beim Empfang im Deutschen Haus gingen sie Arm in Arm. Wenige Stunden zuvor hatten die Judo-Zwillinge Carmen und Ramona Brussig die ersten Medaillen für die deutsche Mannschaft bei den Paralympics in Rio de Janeiro gewonnen.

Vier Jahre nach ihrem Doppel-Gold von London hatten die beiden sehbehinderten Sportlerinnen am Donnerstag diesmal unter dem Zuckerhut binnen Stundenfrist jeweils Silber geholt. Doch statt wie andere fröhlich zechend in der lauen Nacht ihre Erfolge zu begießen, saßen die beiden 39-jährigen Schwestern lieber in trauter Runde mit Freunden und unterhielten sich.

"Die beiden sind keine Rampensäue", sagte Bundestrainerin Carmen Bruckmann über ihr Vorzeige-Duo. Von ihrem Umfeld werden die gebürtigen Leipzigerinnen als zurückhaltend und bescheiden beschrieben. "Sie verkörpern die Judo-Werte", meinte Bundestrainerin. Wo anderen Jubelsprünge vollführen, bleiben sie verhalten. Auf dem Podest bei der Siegerehrung quittierten sie ihre Erfolge mit einem scheuen Lächeln. "Jetzt genieße ich erstmal die Medaille", meinte Carmen Brussig, die rund eine Stunde vor ihrer 15 Minuten jüngeren Schwester Silber in der Klasse bis 48 Kilogramm geholt. Es war die erste Medaille überhaupt für die deutsche Mannschaft in Rio.

Dass Ramona Brussig im 52-kg-Limit nachziehen würde, war nicht geplant. Zum dritten Mal Gold nach 2004 und 2012 wäre ihr lieber gewesen. Doch wie Schwester Carmen gegen die Chinesin Liqing Li fand sie gegen Sandrine Martinet kein Mittel. "Das hat sich so ergeben, das sind Zufälle. Dass es jetzt beides Silber ist, haben wir uns vorher nicht ausgemacht", sagte Ramona Brussig.

Nicht nur wegen ihrer Erfolge im Gleichtakt gelten die Zwillingsschwestern als unzertrennlich. "Sie sind schon recht eng", erzählte Bundestrainerin Carmen Bruckmann. Wenn es etwas abzusprechen gebe, müsse sie nur eine von beiden anrufen. "Eine in sich geschlossene Gruppe", umschrieb die Trainerin die beiden. "Es ist für Außenstehende oft schwer zu verstehen, dass wir eineiige Zwillinge sind und fast alles miteinander machen", gab Carmen Brussig zu. "Wir hängen sehr aneinander, und je älter wir werden, desto intensiver wird es", ergänzte ihre Schwester.

Doch es gibt auch Unterschiede im Lebenlauf. Eine angeborene Augenkrankheit hat beiden Sportlerinnen nur noch einen Rest an Sehkraft gelassen. Während die Erkrankung bei Ramona aber schon recht früh durchbrach, verschlechterte sich bei Carmen die Sehkraft erst von 2004 an. So startete die jüngere Schwester bereits 2004 bei den Paralympics in Athen und gewann Gold, Carmen gab ihr Debüt bei den Weltspielen der Behindertensportler erst 2008 in Peking und wurde Dritte.

Auch gehen die Zwillinge schon seit 14 Jahren getrennte Wege. Zwar starten beide für den PSV Schwerin, leben aber gut 1000 Kilometer voneinander entfernt. Carmen wohnt im schweizerischen Glarus, wo sie von Heimtrainerin Alexandra Schießer betreut wird. Ramona lebt in Schwerin und wird dort von Uwe Juch trainiert.

Und auf dem Weg zu den Paralympics in Rio hatte Ramona den ungleich schwereren Weg: Ein Kreuzbandriss im November und eine Netzhautablösung am Auge machten Operationen notwendig. Die Kämpfe unter dem Zuckerhut waren das erste Turnier in diesem Jahr. "Die Wettkampfvorbereitung war ein bisschen knapp. Von daher kann ich mich total glücklich schätzen", sagte sie und lächelte.

Ob die Judo-Zwillinge noch weiter der Konkurrenz das Fürchten lehren wollen, ist offen. Einen Rücktritt nach Rio aber schlossen sie aus. "An ein direktes Karriereende ist noch nicht gedacht. Aber ob es für 2020 reicht, muss man mal sehen. Wir sind 39 und planen nur noch von Jahr zu Jahr", sagte Carmen - und sprach damit für beide.

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