Experte Ingo Froböse aus Köln "In zehn Jahren steht E-Sport auf einer Stufe mit Fußball"

Köln · E-Sport lockt Zehntausende in die Hallen, wird von vielen aber mit Skepsis gesehen. Der Kölner Uni-Professor Ingo Froböse erklärt, warum professionelles Computerspielen echter Sport ist und eine große Zukunft hat.

Der ehemalige Sprinter und heutige Leiter des Zentrums für Gesundheit durch Sport und Bewegung an der Deutschen Sporthochschule in Köln, Ingo Froböse, ist erklärter Befürworter des E-Sport. Simon Bartsch sprach mit dem Uni-Professor über den Trend und die Sportart.

Herr Froböse, Sie befassen sich nun schon lange mit dem Thema eSport, haben Studien durchgeführt, sind gleichzeitig Sportwissenschaftler. Ist E-Sport Sport für Sie?

Ingo Froböse: Da sind wir wieder bei der leidigen Diskussion. Wie definiert sich Sport, ab wann ist eine Sportart Sport? Fakt ist, es gibt ganz viele Parallelen zu „regulärem“ Sport. Sowohl was den Wettkampf, aber auch Taktik und Belastung angeht. Wir interessieren uns für die Sportler hinter den Konsolen. Die mentale und körperliche Belastung auf dem Niveau ist einfach sehr hoch. Dazu gibt es Bewegung und Spaß.

Vor der Konsole sieht aber selbst diese Belastung nach „spielen“ aus. Wie hat man sich diese Aktivität vorzustellen?

Froböse: Es gibt Stressreaktionen im Körper, wie den Ausstoß von Adrenalin oder Cortisol, die man beispielsweise vom Elfmeterschießen kennt. Dazu je nach Spiel 300 bis 400 kleinste Aktionen und Bewegungen. Es geht um hohe koordinative Herausforderungen. Außerdem haben wir einen Pulsschlag bei Spielen, aber auch im Training von 140 bis 150 Schlägen pro Minute gemessen. Das ist vergleichbar mit Motorsport, beispielsweise bei Rallyefahrern.

Das heißt, ein Spieler verbraucht auch viele Kalorien?

Froböse: Das kommt immer auf das Spiel an. Nehmen wir beispielsweise Fifa. Die Simulation ist in dieser Hinsicht eher langweilig. Wer Fußball spielen will, soll doch auf dem Platz spielen. Es gibt aber auch andere Spiele. Bei Counterstrike beispielsweise werden in einem Finale, das bis zu fünf Stunden dauert, 1500 bis 2000 Kalorien verbraucht. Das ist natürlich schon eine Hausnummer.

Dennoch gibt es unter den Sportexperten oder -journalisten viele Kritiker des eSport, die sich an der mangelnden Bewegung stören.

Froböse: Das kann man ja auch verstehen. Man darf aber nicht das Bild eines bewegungsarmen Nerds sehen. Dann hätten andere Sportarten ein ähnliches Problem. Man könnte etwa die Schützen nennen, die vor dem anvisierten Ziel starr stehen.

Dennoch haben viele das Bild des Pizza essenden Nerds vor Augen. Wie fit muss ein Pro-Gamer sein?

Froböse: Ein Pro-Gamer steht morgens auf und trainiert zwei bis drei Stunden. Sowohl taktisch, als auch spielerisch. Dann stehen zwei Stunden Fitness auf dem Programm. Dazu kommt abends noch einmal ein Training von zwei bis drei Stunden. Nein, ein eSportler muss fit sein. Sowohl in der Bewegung, als auch in der Reaktion. Nur so kann er in der Weltspitze spielen. Er braucht eine gut ausgeprägte Rumpfmuskulatur. Ein Zittern kann er sich auch nach Stunden nicht leisten.

Viele Leistungssportler, selbst Olympioniken, müssen neben ihrem Training einem Beruf nachgehen. Ein Pro-Gamer verdient mit einem Sieg Millionen. Ist das fair?

Froböse: Viele Sportarten, auch olympische, sind leider minderbemittelt. Das ist Fakt. Vielleicht haben es die Sportarten auch nicht verstanden, in den Mittelpunkt zu rücken. Andererseits wird auch eine Millionenablöse für beispielsweise einen Reus nicht kritisiert.

Wann wird E-Sport olympisch?

Froböse: Der DOSB wird sich weiterhin mit dem Thema schwertun, weil er eine sehr feste Meinung hat. Anders sieht es beim IOC aus. Der internationale Druck ist größer. Es gibt einen wachsenden Markt. Beispielsweise McDonalds hat sich aus dem Fußball-Sponsoring weitestgehend zurückgezogen. Dafür steigen sie im E-Sport groß ein.

Wie sieht die Zukunft aus?

Froböse: Im Moment ist der Fußball natürlich noch groß. Ich glaube aber fest daran, dass wir E-Sport in zehn Jahren auf der gleichen Stufe sehen werden. E-Sport wird ein Bestandteil des Lebens sein. Medial wird es eigene TV-Sender, Kommentatoren geben. Das wird eine Szene werden, die wir nicht mehr wegdenken können. Der Sport wird neu definiert werden. Und das finde ich auch gut so.

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