Wiederaufstieg als Ziel In Hamburg sagt man Tschüss: Das Ende des Bundesliga-Dinos

Hamburg · Der HSV ist raus aus der deutschen Fußball-Elite. In der 2. Liga soll aber sofort ein Anlauf zur Rückkehr ins Oberhaus genommen werden. Es gibt viele Gründe für den Niedergang. Was wird sich ändern?

 Der Blick von Bernd Hoffmann, Präsident des Hamburger SV, richtet sich nach vorne.

Der Blick von Bernd Hoffmann, Präsident des Hamburger SV, richtet sich nach vorne.

Foto: Malte Christians

Ein Kapitel deutscher Fußballgeschichte ist beendet. Der einst große Hamburger SV, zweimaliger Europapokal-Triumphator und sechsmaliger deutscher Meister, ist erstmals in seiner bewegten Bundesliga-Historie abgestiegen - doch der Umbruch hat gleich nach dem Abstiegsfinale begonnen.

"Wir sind voll handlungsfähig und arbeiten ab jetzt intensiv an dem klaren Ziel, bestmöglich vorbereitet in die nächste Saison zu gehen und den direkten Wiederaufstieg zu realisieren", sagte Vorstand Frank Wettstein nach dem letztlich wertlosen 2:1 gegen Borussia Mönchengladbach, das fast 55 Jahre Bundesliga für den HSV vorerst beendete.

Für Club-Ikone Uwe Seeler ist der Abstieg ein schwerer Schlag. "Ich habe nie gedacht, dass der HSV, solange ich lebe, einmal absteigen würde", sagt er. "Ich bin schon ein bisschen traurig. Ich glaube aber auch, dass wir wieder aufsteigen und ich dann noch mal 1. Liga zu sehen bekomme", meint der 81-Jährige voller Hoffnung. Er hat sich bereits als Dauergast für die Zweitliga-Heimspiele angesagt.

Die Hamburger Abstinenz im Oberhaus soll ohnehin nur von kurzer Dauer sein. Dafür will Aufsichtsratschef Bernd Hoffmann schnell die Weichen stellen. Bis zum WM-Start am 14. Juni will er spätestens den neuen Sportvorstand präsentieren. "Wir müssen den Fokus viel mehr auf den Sport legen." Gespräche gab es bereits, Namen will er nicht nennen. Nachwuchschef Bernhard Peters, der sein Interesse an diesem Posten öffentlich bekundete, wird es wohl nicht. "Jeder darf seine Ambitionen intern äußern", grollte Hoffmann.

Auf ungemütliche Vertragsverhandlungen müssen sich die Profis einstellen. Deren Millionengehälter sollen eingedampft werden. "Wir werden mit Sicherheit nicht weiter Unsinnspreise zahlen, wie wir das in der Vergangenheit teilweise getan haben", zürnt der 55-Jährige. Der HSV soll künftig nicht mehr das Schlaraffenland für Profis sein.

Der HSV wird unter Trainer Christian Titz einen tiefgreifenden sportlichen Umbruch vollziehen. Geld für Investitionen in teure Spieler, wie sie einst Hoffmann in seiner ersten Amtsperiode von 2003 bis 2011 hemmungslos vornahm, wird es nicht mehr geben. Titz zeigt den Weg der Erneuerung: Junioren-Spieler wie der mit dem FC Bayern in Verbindung gebrachte Fiete Arp, Tatsuya Ito, Josha Vagnoman, Stephan Ambrosius und andere Talente wurden an die Profis herangeführt.

An Bord bleibt der Kapitän. "Wir haben in den letzten Wochen richtig Gas gegeben", sagt Gotoku Sakai. Mit dem neuen Team will er die sofortige Rückkehr in die Eliteliga. Auch Abwehrchef Kyriakos Papadopoulos deutet Durchhaltewillen an: "Wir sind der große HSV. Wir müssen das schnell abhaken und zurück in die 1. Liga kommen."

"Dies ist ein enorm schmerzhafter Moment für den gesamten HSV, der damit eine seiner Einzigartigkeiten verloren hat", klagt Hoffmann. Der Präsident, der auf der Tribüne seine weinenden 14-jährigen Zwillingssöhne trösten musste, spricht von einer historischen Dimension des HSV-Abschieds.

Die Ursachen sind bekannt. Der Wechsel zu Titz sei "ein bisschen spät" gekommen", bedauert nicht nur Seeler. Denn der Trainer-Nobody holte aus acht Spielen beachtliche 13 Punkte und sorgte für eine Wiederbelebung des völlig verunsicherten und desolaten HSV. Immerhin schaffte der 47-Jährige starke 1,62 Zähler pro Spiel. Da hatten seine Vorgänger Markus Gisdol (0,79 Punkte) und Bernd Hollerbach (0,43) den Karren längst in den Dreck gesteuert. Deren Verschulden ist die Schussfahrt in die Katastrophe aber nicht allein. Der überforderte Ex-Sportchef Jens Todt und der zwar charmante Plauderer, aber wenig verbindliche Ex-Vorsitzende Heribert Bruchhagen leisteten ebenfalls ihren Beitrag zum Niedergang des HSV.

Bezeichnend für den Verein, dass Kompetenz, Konzept und pädagogisches Geschick des ehemaligen U17- und U21-Trainers Titz von der HSV-Führungsriege viel zu spät erkannt worden sind. Hätte er früher antreten dürfen, wäre die Degradierung in Liga zwei wohl zu verhindern gewesen. Stattdessen hatte sich der wenig inspirierende Ex-HSVer Hollerbach als Nachfolger des erfolglosen Gisdol versuchen dürfen - und damit den Crash programmiert. Nachwuchschef Bernhard Peters: "Es waren andere, die die Entscheidung getroffen habe."

In Vorstand und Aufsichtsrat dominieren Zahlenakrobaten und Wirtschaftsexperten, aber Fußball-Sachverstand ist Mangelware. Ex-Verteidiger Marcell Jansen soll die Schieflage im Aufsichtsrat beheben. "Dieser Abstieg ist das bittere Ergebnis einer sportlichen Fehlentwicklung", bekennt Finanzchef Wettstein, verschweigt aber die eigene Verantwortung und die seiner Kollegen. Denn die Misswirtschaft mit dreistelligen Millionenschulden und jährlichen Defiziten hält seit langem an.

Mäzen und größter Einzelinvestor Klaus-Michael Kühne beklagt die Verbrennung seines Geldes, bleibt dem HSV in der 2. Liga aber erhalten. Hoffmann will den Milliardär stärker an Regeln gewöhnen und seine Rolle als Störenfried eindämmen. Als Bittsteller will der HSV beim Wahl-Schweizer künftig nicht mehr auftreten.

Immerhin: Die bundesweit bekannte Uhr des HSV läuft weiter. Sie zeigt nun die Dauer des 130-jährigen Vereinsbestehens an. Chronisten hielten aber den historischen Abstiegsmoment im Bild fest: Nach exakt 54 Jahren, 261 Tagen, 00 Stunden, 36 Minuten und 02 Sekunden klappte der Traditionsverein von der Elbe seine Bundesliga-Chronik zu.

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