Porträt Gigi Buffon – Das hundertarmige Monster

Turin/Köln · Geld, Titel, Ruhm, Familie – nur der Sieg in der Champions League fehlt dem Juve-Torhüter noch.

 Unersättlich: Mit 39 Jahren ist Gigi Buffon eigentlich im Rentenalter, doch er brennt nach wie vor.

Unersättlich: Mit 39 Jahren ist Gigi Buffon eigentlich im Rentenalter, doch er brennt nach wie vor.

Foto: dpa

Für die großen Glücksmomente in seinem Beruf hat sich Gianluigi Buffon in den letzten Jahren ein nettes, kleines Ritual angewöhnt. Wenn alle Hände geschüttelt sind und die goldenen Konfettischnipsel durchs leere Stadion treiben, kommt beim ewigen Keeper von Juventus Turin die Jugend zum Zuge. Wie am Sonntag vor zwei Wochen, als die Norditaliener nach dem 3:0 gegen Crotone ihre 33. Meisterschaft feierten – und die Kids der Juve-Spieler irgendwann eine spontane Bolzerei anfingen. Mit Papa Buffon, die Siegermedaille um den Hals, im Tor.

Zwei Jahre zuvor, auch da als Double-Gewinner mit den Bianconeri, kickte das Torwartmonument aus dem toskanischen Carrara sorglos wie ein Schulbub auf dem Rasen. Gemeinsam mit seinen Söhnen Louis Thomas und David Lee. Seitdem ist Buffon noch einmal Vater geworden: Die Mutter des 17 Monate alten Leopoldo Mattia ist die bildschöne Sportmoderatorin Ilaria D’Amico, die beiden älteren Jungs stammen aus der Ehe mit dem tschechischen Model Alena Seredova.

Glamouröse Partnerschaften, passend zum schillernden Leben des Fußballtorwarts Gianluigi „Gigi“ Buffon, der am Samstag (20.45 Uhr/ZDF) im Millennium Stadium von Cardiff nun die letzte Lücke seiner Karriere schließen will. Zwei Mal, 2003 und 2015, stand der 39-Jährige mit den Turinern bereits in einem Finale der Champions League. Beim ersten Versuch reichten nicht mal zwei von ihm parierte Strafstöße im Elfmeterschießen gegen den AC Mailand zum Triumph. Vor 24 Monaten, beim 1:3 gegen Barcelona, war die Sache schon klarer.

„Vor zwei Jahren dachte jeder, das sei mein letztes Finale gewesen. Ich auch“, bekannte Buffon nach dem Halbfinalsieg über Monaco – ganz sicher war er sich da allerdings nicht. „Im Leben muss man immer bis zum letzten Moment an seine Chance glauben“, dachte sich Buffon schon im Juni 2015 in Berlin. Und vor dem Showdown gegen Real Madrid in Cardiff betont er: „Ich bin in absoluter Topform – jetzt wollen wir die Chance nutzen.“

WM in Russland als finales Ziel

Bevor ihn Monacos Toptalent Kylian Mbappé im Halbfinalrückspiel bezwang, blieb der dunkelhaarige Rekordmann in der Königsklasse 689 Minuten ohne Gegentor. Ein hundertarmiges Monster, das vor elf Jahren einen vergleichbaren Erfolgslauf hingelegt hatte: Bei der WM in Deutschland vermochten den Schlussmann der Azzurri allein Mitspieler Cristian Zaccardo mit einem Eigentor und Zinédine Zidane per Elfmeter zu bezwingen – am Ende war Italien Weltmeister.

Mit zum Turnier 2006 nahm das Team den Manipulationsskandal in der Serie A. Zur nächsten Saison wurde Juventus, mitverstrickt in die unerfreuliche Episode, zum Zwangsabstieg verdonnert. Viele Spieler verließen den Club, Buffon blieb. Seit 16 Jahren hütet er das Tor der Turiner, avancierte nebenher zum Fußballer mit den meisten Länderspielen auf dem europäischen Kontinent. 168 Partien bestritt Buffon bislang für die Squadra Azzurra, sein finales Ziel ist die WM im nächsten Jahr in Russland.

Als Teilnehmer an sechs Weltmeisterschaften wäre er dann auch in dieser Kategorie einzigartig – weswegen einige prominente Kollegen ihm bereits vor dem Finale von Cardiff einen Ehrenkranz flechten. „Ich denke, Juventus wird die Champions League gewinnen“, mutmaßt Angreifer Antoine Griezmann, im Halbfinale mit Atlético Madrid im Stadtduell gegen Real unterlegen. Und der Franzose findet: „Danach sollte man den Ballon d’Or an Buffon vergeben.“ Den „Goldenen Ball“ für den weltbesten Fußballer – den sich Reals Cristiano Ronaldo und Barcelonas Lionel Messi seit zehn Jahren hin- und herwerfen.

Sieg in Champions League wäre Titel für Lebenswerk

Selbst Reals Torwart-Ikone Iker Casillas bekundet, wenn er auf sein Herz höre, habe sein Kumpel aus Italien zumindest den ersehnten Erfolg in der Königsklasse verdient. Der italienische Verband boykottierte im Januar 2016 die Wahl zum Weltfußballer, nachdem Buffon nicht einmal nominiert worden war. Und gerade hat sich Monacos 18-jähriges Sturmjuwel Mbappé dem Ehren-Vorschlag von Griezmann angeschlossen.

Es wäre der Titel für ein Lebenswerk, so dürften es nicht nur die beiden stürmischen Franzosen sehen. Dabei überzeugt Buffon, der sich mit 22 mit einem gefälschten Abiturzeugnis an der Universität Parma für Jura einschrieb, mittlerweile nicht nur bei der Arbeit zwischen den Pfosten. Sein finanzielles Engagement beim Textilunternehmen Zucchi kostete ihn über 20 Millionen Euro – ohne dass er, wie er selbst betonte, einen der 1200 Mitarbeiter entlassen hätte. Und Anfang Mai legte sich Buffon mit den eigenen Fans an, weil einige Juve-Anhänger am 68. Jahrestag des Flugzeugabsturzes von Lokalrivale FC Turin durch spöttische Kommentare auf Hauswänden negativ aufgefallen waren.

Am Samstag nun will Turins berühmter Ballfänger wieder mit seinen unnachahmlichen Reflexen auf der Torlinie beeindrucken. Den Segen seines Trainers, der ebenfalls aus der Toskana stammt, hat er dabei längst. „In wichtigen Spielen“, sagt Massimiliano Allegri, „ist Gigi Buffon immer der Beste der Welt.“

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