Auf dem Weg nach Rio Folge 28: "Tief Max" hat sich verzogen

Bonn · Die mehr als halbjährige Leidenszeit ist vorbei: Max Pilger ist wieder im Wasser. Ob's noch für Rio reicht?

 Rückkehr auf den Startblock: Max Pilger hat nach langer Leidenszeit wieder Lust aufs Schwimmen.

Rückkehr auf den Startblock: Max Pilger hat nach langer Leidenszeit wieder Lust aufs Schwimmen.

Foto: Mirko Seifert

Es geht aufwärts, das ist die gute Nachricht. In kleinen Schritten zwar, aber auch die sollen ja irgendwann ans Ziel führen. Ob das nun Rio 2016 heißt oder vielleicht doch Tokio 2020 – Max Pilger nimmt's, wie es kommt. Er hat in den letzten acht Monaten eine Menge lernen müssen: Dass in schwierigen Phasen Geduld wichtig ist, zu großer Ehrgeiz ein unangenehmer Begleiter sein kann, Regeneration nicht in Tagen bemessen wird und eine Ernährungsumstellung zum Wohlbefinden beitragen kann.

Aber der Reihe nach: Der Juni 2015 wird dem Bonner Topschwimmer noch lange in Erinnerung bleiben. Nach einem massiven Leistungseinbruch bei einer internationalen Schwimm-Tournee am Mittelmeer wegen körperlicher Überlastung musste der 19-Jährige seinen auf Hochleistung getrimmten Körper auf ärztliches Anraten in den Stand-by-Modus versetzen.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich der im Olympiastützpunkt in Essen trainierende Jugend-Europameister über 200 m Brust in die deutsche Elite katapultiert. Hinter Weltmeister Marco Koch und seinem Essener Trainingskollegen Christian vom Lehn wurde Pilger bei den deutschen Meisterschaften in Berlin Dritter. Der Abstand auf vom Lehn, seinem möglichen Konkurrenten um den zweiten Platz im Rio-Aufgebot über die 200-m-Bruststrecke, schien nicht unüberwindbar. Doch dann setzte der Motor aus – und so oft Pilger ihn auch zu starten versuchte, er sprang nicht wieder an.

Pilger pausierte monatelang, was für einen, dessen Lebensrhythmus durch den Sport bestimmt wird, einer Höchststrafe gleichkommt. „Das war eine nervige Zeit, zumal ich nicht der geduldigste Mensch bin. Ich hatte den Ehrgeiz, schnell wieder fit zu werden“, sagte der Bonner. Rio im Kopf, aber Blei in den Beinen – das konnte nicht funktionieren.

"Es war zum Verrücktwerden

Seine ersten Trainings- und Wettkampfversuche im November und Dezember endeten niederschmetternd. Es waren nicht die Zeiten, die Pilger herunterzogen, es waren die Phasen, nachdem er wieder aus dem Becken gestiegen war. „Ich bin 50 Meter geschwommen und war platt danach. Mein Trainingsniveau ist immer tiefer abgesunken. Es war zum Verrücktwerden.“

Das „Tief Max“ – es schwebte nun schon sechs Monate lang über der Emmastraße im Essener Stadtteil Rüttenscheid, seinem Wohnort. Ein Ende schien nicht in Sicht. Aufhören, alles Hinwerfen? Wenn es diese trüben Gedanken gab, hat er sie schnell wieder verdrängt.

Stattdessen noch einmal ein ärztlicher Check. Es konnte doch nicht nur an der körperlichen Überlastung liegen. Und tatsächlich – die Mediziner wurden fündig. Allem Anschein nach war es eine bakterielle Infektion, die zu der Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Erschöpfung geführt hatte.

Medikamente auf Naturheilbasis als Erste-Hilfe-Maßnahme waren der kurzfristige Teil der Behandlung, eine Umstellung der Ernährung – weg von stärke- und zuckerhaltigen Lebensmitteln, hin zu mehr Vollkorn-, Obst- und Gemüseprodukten – der langfristige. „So gesund habe ich noch nie gegessen“, sagt Pilger – und schiebt fast entschuldigend eine Einschränkung nach. „Auf Nutella am Morgen kann ich nicht verzichten. Das esse ich seit meiner Kindheit. Es geht einfach nicht ohne.“

Rio wäre eine Riesenüberraschung

Der Motor läuft wieder, zwar noch nicht hochtourig, aber immerhin gleichmäßig. Das motiviert. „Ich merke es im Training. Es klappt alles viel besser", sagt Pilger. Die Zeiten, als er nach dem Training deprimiert zu Hause saß, sind vorbei. Ob's noch reicht für Olympia, ist eine andere Frage.

Vielleicht sind die 2:10 Minuten über 200 m Brust, die als Qualifizierungsrichtschnur im Raum stehen, bis Mai für ihn zu packen. Doch er muss bei den deutschen Meisterschaften in Berlin zumindest Zweiter werden – und das ist angesichts der Konkurrenz durch Koch und vom Lehn das aus seiner Sicht dickere Brett.

Sollte er den Flieger noch Rio noch kriegen, wäre es eine Riesenüberraschung, wenn nicht, weiß er, woran es lag. „Wenn ich irgendwann ins Grübeln komme, habe ich mit der Krankheit einen Ausweg für den Kopf“, so Pilger. Wichtiger ist für ihn, dass das Wasser wieder Lust und nicht Last ist. In vier Jahren bei den Spielen in Tokio ist er 24 – für einen Schwimmer damit im besten Alter. An Motivation dürfte es deshalb nicht mangeln.

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